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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Dheepan ist ein tamilischer Freiheitskämpfer, ein Tiger. In Sri Lanka steht der Bürgerkrieg kurz vor seinem Ende und die Niederlage ist nahe. Dheepan entschließt sich zur Flucht und nimmt zwei Fremde mit sich, eine Frau und ein kleines Mädchen, weil er sich damit erhofft, leichter an ein Asyl in Europa zu kommen. In Paris angekommen, reist die "Familie" von einer Unterbringung zur nächsten, bis Dheepan eine Arbeit als Hausmeister in einem heruntergekommenen Wohnblock in der Vorstadt findet. Er will für sich und seine "Frau" und "Tochter" ein neues Leben aufbauen, doch das gewalttätige Umfeld reißt alte Kriegswunden auf und weckt seine Kriegerinstinkte.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Er gehört zu den größten Namen, die das internationale Kino vorzuweisen hat: Jacques Audiard. Seine beiden letzten Werke, „Ein Prophet“ und „Der Geschmack von Rost und Knochen“, zählen mit Sicherheit zum Kraftvollsten, was die französische Filmkultur in den letzten 10 Jahren auf die Beine gestellt hat. Obgleich sich Audiard als Meister darin versteht, seinen Geschichten ein ungemein ästhetischen Gewand maßzuschneidern, ist es vornehmlich sein Umgang mit Klischees, die er durch sein Gespür für (zwischen-)menschliche Interaktionen so präzise handhabt, dass sie vollmundig die Sprache des Lebens übermitteln. Nun widmet sich sein neustes Opus „Dämonen und Wunder – Dheepan“ einer brandaktuellen Thematik: Der Flüchtlingskrise in Europa. Und natürlich ist das im höchsten Maße ansprechend, beschäftigt sich ein so besonnener Künstler wie Jacques Audiard mit dieser an Relevanz momentan quasi unüberbietbaren Materie. Das Erlebnis allerdings setzt Ernüchterung frei, sicherlich ist Audiards inszenatorisches Talent keinesfalls verstummt, doch seine Schlüsse in Bezug auf den Inhalt vermögen nicht zu befriedigen.

Die Handlung von „Dämonen und Wunder – Dheepan“ kommt in einem sri-lankischen Flüchtlingslager ins Rollen, in dem drei Menschen die Möglichkeit auf ein Asylverfahren gestellt wird, wenn sie sich bereit erklären, eine neue Identität anzunehmen. Der (Schein-)Vater (Antonythasan Jesuthasan), ein ehemaliger Tamill-Tigers-Kämpfer, hört von nun an auf Dheepan, der Name eines Toten, während ihm seine (Schein-)Frau Yalini (Kalieaswari Srinivasan) und die 9-jährige (Schein-)Tochter Illayaal (Claudine Vinasithamby) zur Seite gestellt werden. Als Familie hat man eben bessere Chancen, langfristig in ein neues Leben aufzubrechen, und schon bald wartet auf sie ein Banlieue vor Paris, wo ihnen Obhut in einer Sozialwohnung gestellt wird. Diese verstädterten Randzonen gelten gemeinhin als soziale Brennpunkte und tatsächlich werden auch Dheepan, Yalini und Illayaal bald Zeuge davon, dass auch in Frankreich der Krieg überall und zu jeder Zeit lauert: Es gibt kein Entkommen vor der Gewalt. Es ist dementsprechend eine permanente Flucht, von der Jacques Audiard hier berichtet; von einer Flucht, die Krisenherd an Krisenherd reiht.

„Dämonen und Wunder – Dheepan“ lässt sich zu der These hinreißen, dass jeder Krieg und jeder Konflikt im Kern den gleichen Bedingungen unterliegt. Viel interessanter wäre es jedoch für den Zuschauer gewesen, in Erfahrung zu bringen, welch stützende Argumente Jacques Audiard diesbezüglich bereithalten würde. Stattdessen bleibt „Dämonen und Wunder – Dheepan“ in seiner konventionellen Dramaturgie über weite Strecken simplistisch, die Gefechte der Gangs sind der Fortsatz des Bürgerkriegs in Sri-Lanka, Unterstützung vom Staatsapparat fällt aus und irgendwann muss man die Sache, vor allem als von Chaos und Terror gebeutelte Seele, eben selbst in die Hand nehmen. Ganz so platt erscheint „Dämonen und Wunder – Dheepan“ zwar nicht, doch sein Sozialrealismus, der dokumentiert, wie die Zweckgemeinschaft zur Familie heranreift, wie sie sich näher untereinander kommt und sanft einer Vereinigung verschreibt, die sich über Vertrauen und Verantwortung klarlegt, beißt sich zusehends mit der stilistischen Genre-Mixtur, in der Audiard Rache-Thriller, Schicksalsdrama und sogar Anleihen zum Western kombiniert.

Das soll nun nicht bedeuten, dass „Dämonen und Wunder - Dheepan“ ein wirklich misslungener Film geworden ist, dafür ist Jacques Audiards Wechselspiel mit Fiktion und Wirklichkeit, welches er durch die nach Normalität in der Fremde suchenden Flüchtlingsfamilie zum Ausdruck bringt, immer noch zu hochwertig und kompetent. „Dämonen und Wunder – Dheepan“ ist letztlich schlicht zu inkohärent gestaltet, auf der einen Seite beeindruckt er temporär durch die Sensibilität und Zärtlichkeit, mit der Audiard das Zusammensein der Scheinfamilie beschreibt, auf der anderen Seite fällt seine von ihm als „logische Konsequenz“ beschriebene Konklusion erschreckend grell und reißerisch aus. Die emotionale Intensität, wie man sie zuletzt in „Der Geschmack von Rost und Knochen“ beinahe über seine gesamte Laufzeit und mit jeder Pore erleben durfte, bleibt bei diesem tonalen Ungleichgewicht aus. Vielmehr sind es poetische Einzelszenen, die der Zuschauer dechiffrieren darf und so ihre weitsichtige Größe erkennt. Beim nächsten Mal dann aber bitte wieder über die volle Distanz.

Fazit

Der Gewinner der goldenen Palme von Cannes  ist kein weiteres Meisterwerk im ausgezeichneten Schaffen des Jacques Audiard, dafür ist sein eigenwilliger Beitrag zur Flüchtlingskrise in Europa zu inkohärent gestaltet und findet keine Balance zwischen Sozialrealismus und Genre-Kino. Nichtsdestotrotz gibt es immer noch famose Einzelszenen zu bestaunen, während sich Jacques Audiards inszenatorisches Talent selbstverständlich ebenso bemerkbar macht. Ein nicht uninteressanter Film, beim nächsten Mal dann aber wieder mit klarerer Linie im Zentrum, bitte.

Kritik: Pascal Reis

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