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Quelle: themoviedb.org

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Inhalt

Auf einer Familienfeier erinnert sich der 39 jährige Ingenieur Markus, dass er als Kind von seiner eigenen Mutter sexuell missbraucht wurde. Um sich von dem langen Arm der Gewalt zu befreien, beschließt er seine Frau, seine Mutter und sich selbst mit diesem Abgrund zu konfrontieren...

Kritik

Regisseur und Drehbuchautor Florian Eichinger hat bis jetzt drei Filme in seiner Vita vorzuweisen, die er im Alleingang realisiert hat. Alle drei - Bergfest, Nordstrand und nun Die Hände meiner Mutter - behandeln das Tabuthema von den Folgen familiärer Gewalt, sind etwas (sehr) gegen den Strich der Norm gebürstet und wurden mit reichlich Lob überhäuft. Die drei Filme bilden dabei zwar ein thematisches Triplett, funktionieren jedoch inhaltlich unabhängig voneinander, sodass es nicht von Bedeutung ist, in welcher Reihenfolge man die Filme tatsächlich sichtet. Die Hände meiner Mutter feierte seine Premiere auf dem Filmfest in München und wurde mit den Preisen für die beste Regie und den besten Darsteller geehrt.

Beginnen wir mit einem Gedankenexperiment, wenn Sie erlauben. Stellen Sie sich einmal vor, die wichtigste Person in Ihrem Leben, also der Mensch, der Sie am meisten formt, darf nun von Jetzt auf Gleich kein Vorbild mehr für Sie sein. Sie müssen diesen Menschen verabscheuen und damit alles, wofür er steht. Was macht das mit Ihnen, was bedeutet das für all das, was Sie wissen, kennen und mögen? Sind Sie überhaupt noch Sie selbst, haben Sie noch einen Wert, kennen Sie sich noch? Mit diesen Gedanken wird sich Markus (Andreas Döhler) beschäftigen müssen, als ihm auf einem Schiff bei einer Feiergesellschaft mit einem Schlag bewusst wird, was die Hände seiner Mutter früher mit ihm alles angestellt haben. Er hat Angst, dass diese Hände nun auch seinen Sohn, den Enkel seiner Mutter, zu Schaden kommen lassen. Und deshalb dreht er durch.

Unterteilt ist der Film dabei in Kapitel, die sich jeweils mit den Folgen der Offenbarung der Geschehnisse für verschiedene Personen auseinandersetzen. Beginnend mit Renate, der Mutter von Markus. Alle Kapitel werden mit einem Top-Shot eröffnet, einer Einstellung von ganz weit oben, in der senkrecht auf die Erde und die Figuren geblickt wird. Man könnte auch von der Perspektive Gottes sprechen, doch wäre diese Bezeichnung mit Hinblick auf die Thematik des Films mehreres - ignorant, Wunschdenken, zynisch - aber nie richtig. Renates Top-Shot zeigt das Schiff, auf dem die Feier beginnt von weit oben. Das Bild zuvor zeigte Markus und seine Frau Monika zusammengekauert im Bett daheim - Eichinger geht von größtmöglicher Nähe in die größtmögliche Entfernung. Das Schiff, das durch das Meer pflügt. Symmetrisch, spitz, vertikal durchtrennt es Wasser und Bild.

Eine große Feier ist zwar der Grund, weshalb das Schiff in See gestochen ist, doch ist diese Feier dem Untergang geweiht. Viele Mienen sind nicht wahrhaftig, sondern eher verpflichtet freundlich. Ein Wehwehchen nach dem anderen wird aufgedeckt, anfangs etwas ungelenk, mit der Zeit immer eleganter, beiläufiger, schmerzhafter. Eigene und fremde Narben vermischen sich zu einem Geflecht, das nicht mehr ignoriert oder versteckt werden kann. Dennoch versuchen hier alle, die offensichtlichen Probleme möglichst lange unausgesprochen zu lassen. Zu viel wird im Scham verborgen bleiben müssen, wenn keiner handelt. Nur bei Dritten, da wird ohne falsche Scham auf die Verfehlungen gezeigt. Das passiert nicht höhnisch, viel mehr völlig selbstverständlich. Nach einer Zeit aber will Markus nicht mehr schweigen, das Fass kommt dem Überlaufen immer näher. Er konfrontiert seine Mutter und wie in Folge dessen nur zum Schweigen gebracht. Zum Verstecken gezwungen, in der Familie und auf der Arbeit.

Was Florian Eichinger dabei wirklich herausragend zeigt und mutig offen darlegt, ist, wie der Missbrauch im tiefsten und einfachsten Kern des Menschseins nistet und sich von dort in alle Selbstverständlichkeiten der Persönlichkeit ausbreitet. In einer Szene nach der großen Party ist Markus noch immer betrunken und torkelt alleine durch den leergefegten Saal der Feier. Plötzlich vernimmt er zum ersten Mal die Stimme seiner Mutter aus den intimen Erinnerungen. „Gib mir deine Hand, Markus. Ich zeigt dir mal was. Auch für später.“ Schnitt, Markus legt sich neben seine Frau, befeuchtet seine Hand und beginnt, sie zu stimulieren. Es ist gelinde gesagt bestürzend. Da wunder nicht, dass Eichinger Mutter Renate und Vater Gerhard mit aggressiven Vertikalen zu Beginn der Kapitel einführt und Markus’ Kapitel mit einer Horizontale eingeführt wird, die kurz vor dem Bildende einen seltsamen Schlenker beschreibt.

Fazit

Für viele ist die Kindheit die Zeit auf dem Bolzplatz, das Spielen im Garten oder Barfuß durch das Gras zu wandern. Für Markus ist die Kindheit eine kleine Spelunke auf dem Dachboden. Durch die Fenster dringt wenig bis gar kein Licht, die Fluchtmöglichkeiten sind unendlich klein, die Dachschrägen entziehen jegliches Selbstwertgefühl. Florian Eichinger inszeniert in „Die Hände meiner Mutter“ so manch intensive Szene, die das Herzklopfen in die Höhe treibt und ein flaues Gefühl in den Magen stampft. Der Regisseur ist ein überaus fähiger Mann vom Fach, das zeigt er in dem Abschluss seiner Trilogie überaus deutlich. Nach traumatischen Erlebnissen in den Erinnerungen von Markus (in denen er stets als Erwachsener erscheint) schneidet Eichinger ins Schwarz, bei dem nur noch die Gesichter der Figuren leicht nachscheinen. Wie der Nachbildeffekt des Auges, nachdem man zu lange auf eine Form geschaut hat. Oder wie ein Körper, der langsam im dunklen Wasser versinkt.

Kritik: Levin Günther

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