Inhalt
Mit seiner selbst gebauten Zeitmaschine reist der englische Erfinder George weit in die Zukunft. Was ihn dort erwartet, gefällt ihm allerdings ganz und gar nicht. Denn die Welt wie auch die Menschheit haben sich nicht gerade zum Positiven verändert.
Kritik
Wie unsere Welt wohl eines fernen Tages aussehen mag? Eine Frage, die in der Menschheitsgeschichte schon oft gestellt wurde. Letztendlich können wir nur spekulieren. Und genau das tat auch Erfolgsautor H. G. Wells mit seinem 1895 erschienenen Roman Die Zeitmaschine. Wie so manches von Wells' Werken (hier wären etwa Der Krieg der Welten oder Die Insel der verlorenen Seelen zu nennen) sollte auch Die Zeitmaschine als Vorlage für gleich mehrere filmische Adaptionen dienen. Die wohl bekannteste davon ist der gleichnamige, von George Pal inszenierte Film aus dem Jahr 1960. Für Pal, der zuvor bei einer ganzen Reihe an Kurzfilmen Regie geführt hatte, war es zwar erst der zweite Langfilm seiner Regiekarriere, nicht aber der erste Kontakt mit dem Genre der Science-Fiction. Denn er hatte bereits bei mehreren futuristischen Werken wie z. B. When Worlds Collide oder Kampf der Welten als Produzent fungiert.
Die Geschichte von Die Zeitmaschine ist gegen Ende des 19. Jahrhunderts in London angesiedelt. Lange bevor Dr. Emmett L. Brown aus Zurück in die Zukunft überhaupt die Möglichkeit bekommen sollte, seinen DeLorean umzubauen, hat der von Rod Taylor (Die Vögel) verkörperte George (eigentlich H. G. Wells) in seiner Werkstatt ein Gerät erfunden, mit dem man sich gezielt innerhalb der vierten Dimension bewegen kann. Eine Zeitmaschine. Um deren Funktionalität auch wirklich überprüfen zu können, wagt er einen Feldversuch. Und tatsächlich, es gelingt. Der Beweis ist erbracht. Doch nun packt George die Neugier. Wie die Welt von morgen wohl aussehen mag? Er will noch ein Stück weiter in die Zukunft reisen. In seiner Zeitmaschine sitzend vergehen für ihn selbst nur Minuten, doch um ihn herum sind es Jahre. Als er die Maschine das erste Mal anhält, um auszusteigen, sind bereits mehr als 15 Jahre ins Land gezogen. Die Welt hat sich verändert.
Es gibt Automobile, einstige Freunde sind aus dem Leben geschieden und er muss erfahren, dass Krieg herrscht. Er reist weiter in die Zukunft. Doch wann immer er anhält, dasselbe: Krieg. Schlussendlich muss er miterleben, wie alles um ihn herum in einem Flammeninferno versinkt. Notgedrungen reist er jahrhundertelang durch die Zeit, bis er schließlich im Jahr 802701 landet. Das Antlitz der Erde ist nun augenscheinlich ein gänzlich anderes. Soweit das Auge reicht, dichte, saftig grüne Vegetation, die mit Früchten behangenen Bäumen, hohen Sträuchern sowie farbenfrohen Blumen aufwartet. Eine Szenerie, die geradewegs einem fantastischen Märchen entsprungen sein könnte. Dazwischen befinden sich riesige, sporadisch eingestreute Bauwerke einer George unbekannten Zivilisation. Alles wirkt so unglaublich ruhig, friedlich, ja geradezu paradiesisch. Doch der schöne Schein trügt.
Was uns bei Pals Die Zeitmaschine erwartet, ist eine düstere Zukunftsprognose. Die Menschheit kennt hier trotz aller technischen wie kulturellen Errungenschaften nur Krieg, was ihr dann schließlich zum Verhängnis wird. Die in zwei „Arten“ geteilten Nachfahren der Menschen, denen George 802701 begegnet, sind auf ihre Art kaum besser. Die einen (die Morlocks) sind technisch hochbegabt, aber äußerlich degenerierte Monster, die unter der Erde hausen. Die anderen (die Eloi) leben an der Oberfläche, sind äußerlich hübsch, aber sowohl unempathisch wie auch gleichgültig und leben einfach nur so in den Tag hinein. Trotz dieser wenig erbaulichen Aussichten und obwohl wir im Laufe des Films noch erfahren, in welch erschreckendem Verhältnis die beiden Gruppen zueinanderstehen, wirkt Pals Werk in seiner Tonalität zu keinem Zeitpunkt düster oder gar deprimierend. Dies hat vor allem zwei Gründe. Als erster wären da die gleichermaßen zauberhaften wie farbenprächtigen Bilder zu nennen, in die das Geschehen von der ersten Minute an gekleidet ist.
Egal ob viktorianisches, futuristisches oder postapokalyptisches England, sämtliche Schauplätze sehen grandios aus. Man spürt förmlich, mit wie viel Liebe fürs Detail jede einzelne Kulisse in Szene gesetzt wurde. Dass für die Realisierung des Films ein Budget von 750.000 USD zur Verfügung stand, kam dem natürlich zu Gute. Allein die Zeitmaschine selbst ist ein regelrechtes Kunstwerk. Eine Art goldener Schlitten mit allerlei bunten Verzierungen, an dessen Heck ein metallener Schirm angebracht wurde, der sich bei der Inbetriebnahme zu drehen beginnt. Nicht minder beeindruckend dürfte seinerzeit die Tricktechnik auf das Publikum gewirkt haben. Etwa dann, wenn die titelgebende Zeitmaschine in Betrieb ist, was damit einhergeht, dass z. B. eine Schnecke regelrecht über den Boden rast, Blumen von einem Moment auf den nächsten verwelken oder Äpfel in Sekundenbruchteilen reifen. Aus heutiger Sicht reißt einen das freilich nicht mehr vom Hocker, charmant fallen die seinerzeit sogar mit einem Oscar prämierten Spezialeffekte jedoch allemal aus.
Der zweite Grund resultiert aus einigen Änderungen, die gegenüber der literarischen Vorlage vorgenommen wurden und u. a. das Verhalten des Hauptcharakters betreffen. Während dieser im Roman noch weitestgehend die Rolle eines passiven Beobachters einnimmt, wird er im Film zum kämpferischen Anführer. Passend dazu Rod Taylors Erscheinungsbild, durch das der von ihm verkörperte George nicht gerade wie ein aus dem viktorianischen England stammender Tüftler rüberkommt. Stattdessen macht er eher den Eindruck eines kühnen, unerschrockenen Abenteurers. George ist ein Hoffnungsträger, um nicht zu sagen Erlöser, der das Volk der Eloi aufrütteln und aus ihrem Schicksal befreien möchte. Dadurch wirkt die Geschichte (anders als das Buch) weniger wie eine sozialkritische Mahnung, sondern vielmehr wie ein buntes futuristisches Abenteuer, das von einem humanistischen, lebensbejahenden Grundton durchzogen ist.
Dabei kann Pals Die Zeitmaschine allerdings nicht verbergen, dass dem Film eine gewisse Naivität innewohnt. Und obwohl bestimmte erzählerische Freiheiten, die man sich gegenüber der Vorlage erlaubt hat, durchaus als Bereicherungen angesehen werden können (so z. B. die mit der Zeitmaschine eingelegten Zwischenstopps, die es im Buch so nicht gibt), gibt manches auch Rätsel auf. So fragt man sich beispielsweise, warum die Morlocks bewusst unterirdisch hausen, obwohl sie scheinbar genauso gut an der Oberfläche leben könnten. Der Film ist in seiner Erzählweise allerdings flott genug unterwegs, dass einem etwaige Fragen nie allzu lange im Kopf herumschwirren. Spannend mag es dabei zwar nicht so recht zugehen, da es aber immer wieder Neues zu entdecken gibt, das Szenenbild schlichtweg fantastisch ist und zähe Passagen oder Leerlauf gänzlich ausbleiben, ist das nicht weiter schlimm.
Fazit
George Pals „Die Zeitmaschine“ ist ein Klassiker des Science-Fiction-Films. Im Gegensatz zu H. G. Wells‘ Romanvorlage ist die filmische Adaption weniger finster unterwegs, was sowohl auf einige inhaltliche Änderungen als auch auf die farbenprächtige Inszenierung zurückzuführen ist. Jene, die den Roman lieben, könnten sich daran reiben. Wer allerdings einen futuristischen Abenteuerfilm mit explorativem Charakter sehen möchte, der ist bei "Die Zeitmaschine" genau an der richtigen Adresse.
Autor: Constantin Wieckhorst