Inhalt
Billie und Pete sind ein lang verheiratetes Paar, das während der Ski-Urlaubs mit ihren Kindern in den Alpen durch eine Lawine ein Nahtoderlebnis erleidet. Was daraus keimt, sind existentielle Krisen im Paradies, die zur Abrechnung mit klassischen Geschlechterrollen führen.
Kritik
Downhill von Nat Faxon und Jim Rash (Ganz weit hinten) bestätigt ein Klischee, das inzwischen gefühlt älter als das Kino selbst ist: US-amerikanische Remakes von nicht-englischsprachigen Filmen taugen nichts. Dass dem nicht zwangsläufig so sein muss, haben Departed – Unter Feinden, Der Duft der Frauen oder Verblendung bewiesen. Downhill, der sich als Neuverfilmung des von der Kritik weitreichend gefeierten Höhere Gewalt von Ruben Östlund versteht, hingegen ist nicht nur eine für sich genommen überaus schwache schwarze Komödie. Er hat offenkundig auch nicht begriffen, was das Original so herausraugend gemacht hat. Den Mut zur Beunruhigung, zur Provokation und sicherlich auch zur Schamesröte lässt das Regiegespann um Faxon und Rash hier jedenfalls auch ganzer Linie vermissen. Stattdessen darf Will Ferrell (Stiefbrüder) zu Disco Pogo tanzen.
Wo es Ruben Östlund auf unheimlich unangenehme Art und Weise noch verstand, seine Zuschauerschaft dadurch zu irritieren, indem er sich mit messerscharfer Präzision auf jene menschlichen Befindlichkeiten und Verhaltensweisen einließ, die wir in unserem Alltag nur zu gerne verleugnen würden, erschöpft sich das Irritationspotenzial von Downhill aus eben jenen eingangs erwähnten Momenten. Will Ferrell besäuft sich beim Après-Ski zu den Atzen oder führt Gespräche vor der erhabenen Bergkulisse der österreichischen Alpen, während im Hintergrund Andreas Gabaliers unsägliches Hulapalu zu hören ist. Das diese – eigentlich vollkommen nichtigen – Gegebenheiten hier Erwähnung finden, lässt bereits tief blicken, wenn es um die Qualität des Films geht. Nat Faxon und Jim Rash wissen rein gar nichts mit der Vorlage anzufangen und verheizen damit letztlich auch Will Ferrell und Julia Louis-Dreyfus (Seinfeld).
Die Prämisse von Downhill bleibt identisch mit der aus Höhere Gewalt: Eigentlich sollte der Skiurlaub in Ischgl, dem Ibiza der Alpen, für die vierköpfige Familie Staunton das ausgiebige Schwelgen im idyllischen Alpinluxus verheißen. Nachdem jedoch eine Wand aus Schnee die majestätischen Berghänge herunterkracht und den Anschein erweckt, als würde sie die Terrasse des Hotels ergreifen, wird das (angebliche) Familienglück mit einem Schlag verschüttet. Pete (Ferrell) nämlich hat die Flucht ergriffen, anstatt sich um das Wohlergehen seiner Liebsten zu kümmern. Die Männlichkeit des Familienoberhaupts wurde durch den Überlebenstrieb ausgesetzt, so die rationale Erklärung. Eine solche Situation lässt sich allerdings nicht rational beschwichtigen, vor allem, wenn sie das gesamte Beziehungsmodell in ihren Grundfesten erschüttert. Billie (Louis-Dreyfus) ist nicht nur entrüstet, sondern desillusioniert. Sie fühlt sich im Stich gelassen.
So weit, so gehabt. Wo Ruben Östlund diese (kontrollierte) Katastrophe zum Anlass genommen hat, um ein (unkontrolliertes) Chaos im Herzen des familiären Kosmos zu entfesseln, bleibt Downhill nicht nur seltsam bieder, sondern fühlt sich auch berufen, die spannenden Geheimnisse zu lüften, die Höhere Gewalt noch im Ungewissen belassen hat. Dadurch ergibt sich ein Umstand, der (leider) im amerikanischen Kino viel zu geläufig ist: Der harmonieheischende Zwang, jegliche Konflikte in Wohlgefallen aufzulösen. Wo es Östlund noch um das bitterböse Erforschen von (antiquierten) Geschlechtervorstellungen, familiären Werten und verletztem Stolz ging, blicken wir in Downhill auf einen sagenhaft fehlbesetzten Will Ferrell, dessen treu-doofer Dackelblick jedwedes Reibungspotenzial aus dem beklemmenden Szenario tilgt. Die Macho-Allüren, die Johannes Kuhnke in Höhere Gewalt exzellent ausstellte, waren elementar für den Diskurs.
Damit verbleibt Downhill entsprechend oberflächlich und harmlos, weil er sich permanent selbst im Wege steht, wirklich bösartig zur Tat zu schreiten, um nicht nur mit einigen absurd-blöden Witzeleien über Hashtags an seinen Figuren zu rütteln, sondern ihre gesamten Selbst- wie Weltbilder auf den Kopf zu stellen. Am Ende bleiben daher auch keine inneren Zerwürfnisse, sondern Menschen, die miteinander lachen, als hätte es diesen Moment der tiefen Entfremdungen vor wenigen Tagen nicht gegeben. Da hilft es auch nichts, dass Nat Faxon und Jim Rash in der letzten Szene noch einmal den geradezu kläglichen Versuchen wagen, einen Funken Ambivalenz in diesen ebenso drögen wie geistlosen Rohrkrepierer zu bringen, der sich allein durch den engagierten Auftritt der immer tollen Julia Louis-Dreyfus ein Mindestmaß an Würde bewahrt.
Fazit
Wo Ruben Östlund mit "Höhere Gewalt" einen modernen Klassiker geschaffen hat, der sich gleichermaßen beklemmend wie bitterböse mit (antiquierter) Männlichkeit, Geschlechterrollen und Beziehungsmodellen auseinandergesetzt hat, scheitern Nat Faxon und Jim Rash mit ihrem dumm-drögen Remake auf ganzer Linie. Zu harmlos, bieder und angepasst nimmt sich das Regiegespann dem Konflikt um eine in ihren Grundfesten erschütterte Ehe an und serviert dem Zuschauer damit einen irritierend harmonieheischend Film ohne Mut und Biss, der nicht wehtun möchte, sondern sein Szenario uninspiriert in Wohlgefallen auflöst.
Autor: Pascal Reis