Sinan, ein junger Leutnant der türkischen Armee, wird aufgefordert, seinen Bruder Kenan einem Militärgericht auszuliefern.Belastet durch den tragischen Tod ihres Vaters begeben sich beide Brüder auf eine Reise durch ein von politischen Unruhen geprägtes Land.Während sie ihre Überzeugungen vergleichen, werden Sinans Überzeugungen in der Nacht des Putsches auf die ultimative Probe gestellt.In einem Land, in dem der Staat absolute Loyalität verlangt, müssen die Brüder entscheiden, ob sie bereit sind, die Opfer zu bringen, die ihre Pflicht und ihr Gewissen erfordern.
Kritik
„Es ist ein Test“, analysiert seine Frau (Eda Akalin) nüchtern die Aufgabe, die sich dem pflichtversessenen Protagonisten Türker Süers sezierendem Spielfilm-Debüt stellt. Sinan (Ahmet Rıfat Şungar) soll einen Soldaten, der sich Befehlen widersetzt, einen Vorgesetzten angegriffen und zu fliehen versucht hat, dem Militärgericht überführen. Was nach einem Routine-Auftrag aussieht, hat einen entscheidenden Haken. Der Gefangene ist sein älterer Bruder, den er seit Jahren nicht gesehen hat. Es ist ein Test und Sinan entschlossen, ihn zu bestehen.
Auch Kenan (Berk Hakman, Tepenin Ardi) weiß das. Er kennt seinen Bruder und dessen Gründe, von denen der Regisseur und Drehbuchautor sicherstellt, dass auch das Publikum sie begreift. Schon in den ersten Einstellungen erfasst die sperrige Kamera, deren zackige, aggressive Bewegungen die hierarchische Härte des militärischen Milieus spiegeln, sie in der alles beherrschenden Bedrohlichkeit und Bedeutungsgröße, die sie im Leben des Hauptcharakters haben. Sie als Männer weisen ihren Kindern den Weg, sagt einer seiner Offiziere und Auftraggeber.
Sinan ist entschlossen, den Weg bis zum bitteren Ende zu gehen. Um jeden Preis. Den benennen die demonstrativen Dialoge, obwohl das systemkritische Szenario es bereits offensichtlich macht. „Wenn die blind gehorchst, verlierst du deine Menschlichkeit“. Die Methodik und Mittel ideologischer Indoktrination bedingen Struktur und Stationen der in die reflexive Form eines Road Movies gebetteten Analyse alles beherrschender Autorität und Autoritätshörigkeit. Das archaische Männlichkeitsbild, auf dem die totalitäre Loyalität aufbaut, überschattet indes auch die ambivalente Ätiologie.
Fazit
Strenge Kulissen, harte Schnitte und Ozan Tekins surrealer Soundtrack machen Türker Süer düsteres Drama zu einer ästhetisch und stilistisch fast noch packenderen Erfahrung als dramatisch. Nichtsdestotrotz gelingt dem präzisen Psychogramm einer gebrochenen Geschwisterbeziehung, eine desillusionierte Dekonstruktion militärischer Machtstrukturen mit stimmigen Charakterbildern zu vereinen. Die beiden Hauptdarsteller liefern sich schauspielerisches Duell, das den Überzeugungskonflikt ihrer Leinwandfiguren umso fundamentaler wirken lässt. Zwiespältig bleibt indes die nahezu vollständige Fixierung auf einen Männerkosmos, dessen Werte unterschwellig die Inszenierung infiltrieren.
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