Inhalt
Juditha (Dagmar Manzel) und Erik (Rolf Lassgård) blicken auf eine lange Ehe mit den üblichen Höhen und Tiefen zurück. Mit der Pensionierung des Universitätsprofessors soll nun die gemeinsame Zeit anbrechen. Doch das Ankommen im neuen Alltag fällt beiden schwer, denn Juditha leidet an MS, die ausgerechnet jetzt voranschreitet. Während Erik die Vorstellung der häuslichen Enge mit Juditha überfordert, bedrückt sie die Erkenntnis, dass er jetzt nicht bei ihr sein will. Beiden gelingt es lange nicht, sich ihre gegenseitigen Ängste und Wünsche einzugestehen, um ihre persönliche Freiheit zu finden und ihre Liebe zu retten…
Kritik
Die bittere Ironie Wendla Nölles pessimistischer Partnerschaftsstudie ist, dass sie genauso in ihrer beschränkten Perspektive gefangen ist wie die beiden Hauptfiguren in der ihren. Die Unvereinbarkeit ihrer durch fortschreitende Krankheit und psychische Schwäche radikal veränderten Bedürfnisse wirft ein desillusionierendes Licht auf die langjährige Ehe, die Juditha (Dagmar Manzel, Stiller Sommer) und Erik (Rolf Lassgård, Schachnovelle) aneinander bindet. Für den frisch pensionierten Professor ist der titelgebende Bund mehr eine Fessel, seit seine an MS erkrankte Frau zunehmend Pflege bedarf.
Trotz des sichtlichen Wohlstands sieht Juditha Erik als Vollzeit-Pflegekraft und lehnt nicht nur Krankenhelfer kategorisch ab, sondern sogar eine Putzkraft, wie sie das mehrstöckige Anwesen eigentlich sowieso erfordert. Dass sie zudem jede Therapieform verweigert und auch keine Sterbehilfe sucht, definiert die ganz auf ihre Krankheit und Eherolle reduzierte Protagonistin klar als destruktiven Part der rapide erodierenden Beziehung. Emotionale Erpressung und Dauerbelastung führen zum psychosomatischen Zusammenbruch, der parallelisiert mit Judithas Hilflosigkeit an groteskes Theater erinnert.
Bühnenhaft wirken zudem die beständig düstere, enger, erdrückender eingefangene Interieurs des geschmacklosen Luxusheims, das für beide auf unterschiedliche Art zum Gefängnis wird. Hier offenbart sich die subtile Parteinahme der Regisseurin sowohl am Fehlen biografischer Zeugnisse Judithas als auch deren allegorischer Verschmelzung mit den Wänden, die Erik nicht mehr erträgt. Dass beide mit dem Haus symbolisch das Eheleben zurücklassen müssen, ist konsequent realistisch. Die Gleichsetzung eines befreiten Neubeginns mit dessen Gegenteil indes ist mehr Zynismus denn Euphemismus.
Fazit
Dank Dagmar Manzels eindringlichen Schauspiels und ausdrucksstarken Szenenbilds gelingt es Wendla Nölles zweifacher Verfallsstudie eines Körpers und einer Beziehung, die routinierte Erniedrigung und Entmündigung schwerkranker Menschen abzubilden. Den Zusammenhang von Dauerschmerz mit aggressiven Charakterveränderungen ignoriert das Ehedrama allerdings genauso wie die materiellen Privilegien der Figuren, die sich jede technische und professionelle Unterstützung leisten können. Diese elitäre Tendenz unterminiert die Wirkung des sich dahinquälenden Requiems ebenso wie der anmaßende Vergleich entwürdigenden Siechtums mit einem schlechten Gewissen.
Autor: Lida Bach