6.8

MB-Kritik

Ein Leben für ein Leben - Adam Resurrected 2008

Drama, War – USA, Germany, Israel

6.8

Jeff Goldblum
Willem Dafoe
Derek Jacobi
Ayelet Zurer
Hana Laslo
Joachim Król
Evgenia Dodina
Tudor Rapiteanu
Veronica Ferres
Idan Alterman
Juliane Köhler
Dror Keren
Shmuel Edelman
Yoram Toledano
Mickey Leon
Moritz Bleibtreu

Inhalt

Im Berlin der Weimarer Republik war Adam Stein ein gefeierter Varieté-Clown mit scheinbar übermenschlichen Fähigkeiten. Jahre nachdem er bei einem Auftritt den lebensmüden SA-Mann Klein vor dem Selbstmord bewahrt hat, treffen sich die beiden Männer wieder. Klein ist nun Lagerkommandant und lässt Adam am Leben, unter der Bedingung, dass er für Klein wie dessen Schäferhund lebt. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs umgibt sich Adam in einem Institut für Überlebende des Holocaust in der Wüste Israels mit Chaos und nacktem Wahnsinn - bis er einen Jungen trifft, der wie ein Hund erzogen wurde.

Kritik

Paul Schrader ist ein Mann, der das postmoderne US-amerikanische Kino in der ersten Reihe maßgeblich mitgeprägt hat - und dennoch muss er noch immer für lebenslangen Ruhm kämpfen. Ein Unding. Dass der Herr aus Michigan dennoch immer wieder Zeit findet, außergewöhnliche Filme zu inszenieren sollte als gute Tat und Gefallen für den geneigten Kinofan gesehen werden. Filme wie Mishima: Ein Leben in vier Kapiteln oder auch First Reformed, einer der besten Streifen des letzten Jahres, sind einzigartig und sollten von jedermann als solche geschätzt werden. Dass Schrader aber eben nie zu den selbstverständlichen Helden des Kinos zählte, die an jeder Filmuni aus dem Gedächtnis heruntergebetet werden, hat einen Grund. Oftmals sind seine Filme unzugänglich, manchmal folgen sie wirren Wegen, die sich nicht jedem sofort erschließen. Wenn überhaupt. Zu dieser Sorte Film gehört auch Ein Leben für ein Leben - Adam Resurrected.

Humor und Zyklon B tötet mehr Menschen als Zyklon B alleine.

Die Grundsituation der Adaption des Romans Adam Hundesohn ist äußerst reizend. Adam Stein, ein ehemaliger Varieté-Künstler, ist ein bekannter Patient einer Nervenheilanstalt für Holocaust-Überlebende. Dort soll ihm de facto der Wiedereinstieg in die Gesellschaft ermöglicht werden. Für ihn fühlt sich das aber anders an. Fragte man Stein, würde er wahrscheinlich sagen, dass die medizinischen Versuche in der Anstalt nicht viele Unterschiede zu jenen im KZ aufweisten. Stein kann nach all den Gräueln des Dritten Reichs nicht an den guten Willen zur Heilung glauben. Er kann nicht an Wunder glauben, er empfindet sich als irreparabel. Für immer zerstört, für immer zerrissen. Für immer vom Menschsein entfernt. Der erste Akt des Films ist dabei eine wahre Wonne an Präzision. Motive, Themen, Ziele und Charaktereigenschaften werden von einem virtuosen Jeff Goldblum (Isle of Dogs) als Adam Stein in nur wenigen Szenen derart freihändig und scheinbar spontan verteilt, dass die Immersion des Films perfekt funktioniert.

Paul Schrader unterteilt seinen Film in mehreren Zeitebenen. In der ersten uns bekannten erzählt er von der erhofften Heilung des Patienten Stein. In der zweiten zeigt er mehrere Ausschnitte aus Steins Leben, verteilt auf mehrere Jahrzehnte. Beginnend in der Zeit des Varietés, fortführend bei den ersten antisemitischen Diskriminierungstaten, mehrfach innehaltend im Konzentrationslager, später, wenn er nach dem Krieg versucht, seine Tochter zu finden. Schraders Kamera ist dabei nie still; immer wackelt sie ein bisschen umher, stets ist sie auf unruhiger Wanderschaft. Als hätte ein Süchtiger die Kamera geführt, der sich den Zwang auferlegt hat, nicht als solcher auffallen zu dürfen. Dadurch staut sich eine Menge unterdrückte Energie an, die immer wieder von dem ausfahrenden und atemlosen Jeff Goldblum freigelassen wird. Dieser springt in seiner herausragenden Darbietung vom eleganten Bonvivant mit einem Fingerschnipsen zum getriebenen Mann mit posttraumatischer Belastungsstörung und survivors guilt. Er ist ein zutiefst zerrissener Mensch, der sich schämt, seine Menschlichkeit im Handel fürs Überleben abgegeben zu haben.

Fazit

Mit „Ein Leben für ein Leben - Adam Resurrected“ hat Paul Schrader ein teilweise interpretationsfreudiges Filmdrama inszeniert, dessen Dreh- und Angelpunkt der wunderbare Jeff Goldblum ist. Er beginnt als Clown in (s)einem Konzentrationslager, der von der Liebe träumt, aber nicht an sie glaubt. Sie soll ihm für immer verwehrt bleiben. Natürlich ist das hier ein unterhaltsamer, aber kein lustiger Film. Die Betroffenheit wird immer wieder dafür sorgen, dass jegliches Lachen im Halse verendet. Leider ist das emotionale Finale des Films ein denkbar schwaches und sorgt dafür, dass Schraders Film, der vor allem in der ersten Hälfte wirklich wertvoll ist, zum Ende hin stark nachlässt.

Autor: Levin Günther
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