6.8

MB-Kritik

Ein mörderischer Sommer 1983

Mystery, Drama – France

6.8

Isabelle Adjani
Alain Souchon
Suzanne Flon
Jenny Clève
Maria Machado
Evelyne Didi
Jean Gaven
François Cluzet
Manuel Gélin
Roger Carel
Michel Galabru
Marie-Pierre Casey
Cécile Vassort
Édith Scob
Virginie Vignon
Martin Lamotte

Inhalt

Nach einem traumatischen Ereignis, bei dem einige Männer in das verlassene Haus ihrer Eltern eingedrungen waren und Elianes Mutter brutal misshandelt hatten, hat sie sich nun vorgenommen sich zu rächen. Und zwar eiskalt und ohne Rücksicht auf Verluste: Sie setzt ihre Reize ein, um die Männer in ihren Bann zu ziehen.

Kritik

„Ich werde sie alle aufspüren. Ich werde sie es alle teuer bezahlen lassen. Sie und ihre Familien.“

Für Pin-Pon beginnt mit der Ankunft der anziehend-lasziven Elle (betörend: Isabelle Adjani, „Possession“) der Sommer seines Lebens. In mehrfacher Hinsicht. Wie der Film mit seinen Erzählperspektiven und Stimmungswechseln hantiert, kippt auch sein Traum zum bitteren Albtraum, aus einem hitzigen Flirt, der zunächst wie die erwachsene Version von "La Boum - Die Fete" erscheinen mag, entsteht ein sogartiges, bitteres Rache-Szenario, mit teuflischen Wendungen und einem unglaublich komplexen Fundament, was sich bis zum Schluss sein Pulver clever aufspart, anstatt es beim erst besten Moment sinnlos zu verschießen.

Zunächst erleben wir den Film aus der Sicht des unbeschwerten Pin-Pon, der beim verschwitzten Abhotten in der Dorf-Disco den feuchten Männertraum überhaupt erobert, Isabelle Adjani, die so erschreckend-verrucht in Szene gesetzt wird, dass man am liebsten den Bildschirm ablecken würde. Aus der zarten Romanze entwickelt sich mehr und man möge es dem Erzähler kaum verübeln, bei den neurotischen Aussetzern seiner Herzdame nicht sofort kritische Fragen zu stellen. Ab dann übernimmt Madame selbst die narrative Rolle und schon stellt sich eine völlig andere Sicht der Dinge dar. Ohne jetzt mit der Tür ins Haus zu fallen, aber das sollte erlaubt sein: Aus der Bilderbuchromanze wird ein bitterer Rape & Revenge-Thriller der zweiten Generation, der nicht wie für das Sub-Genre gewohnt exploitativ, sondern überraschend überlegt, wendungsreich und kunstvoll verschachtelt daherkommt. Über zwei Stunden kann „Ein mörderischer Sommer“ sich immer wieder neu erfinden, anstatt irgendwann zum Stillstand zu kommen. Stück für Stück entblättert sich eine Tragödie, die nicht platt ausgeschlachtet, sondern mit jedem neuem Detail mehr Substanz gewinnt, nie zu schwarz-weißer Zeichnung unterliegt, sondern am Ende nur noch verstörende Grautöne findet. Rache genießt man am besten eiskalt, besonders in heißen Sommertagen, doch manchmal wurde so vieles zu lange in Schnee und Eis eingefroren, als das man es jetzt adäquat und unverfälscht auftauen könnte.

Im Körper einer unerhört erotischen Frau wandelt eine seelische Totgeburt auf ihrem unerschütterlichen Feldzug, schmiedet perfide Pläne, spannt ihr klebrig-tödliches Spinnennetz, verheddert sich dabei selbst in ihrem Trauma, verrennt sich in ihrer Vergeltungssucht, erkennt erst zu spät, dass sie von der Vergangenheit schon lange überrundet wurde, anstatt im Hier und Jetzt glücklich zu werden. Ihre Existenz, ein reiner Dämon, getrieben von einem Ziel, für das sie alles zu opfern bereit ist. Wie erschütternd, wenn am Ende alles in sich zusammenfällt. Manchmal ist es selbst für niedere Instinkte schon zu spät, nur das musst du erst schmerzvoll erkennen. Was daraus folgt, kannst du nicht mehr stoppen. Aus dem tiefsten Winter in den heißesten Sommer, die Folgen sind ähnlich fatal.

„Wer kann schon sagen, wie sich etwas wirklich zuträgt? Jeder sieht nur eine Seite.“

Fazit

Wahnsinnig clever aufgebauter Psycho-Thriller, der zwischen Kunst und Pulp eine ungeahnt stabile Brücke baut. Verführerisch, schmerzhaft, faszinierend. Schlicht grandiose Thriller-Kost, die bis heute irgendwie einzigartig wirkt.

Autor: Jacko Kunze
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