Inhalt
Auf dem Heimweg von einer Silvesterparty wird der Austauschdozent John niedergeschlagen und entkommt nur knapp dem Tod. Am Tatort wird ein schwarzer Handschuh gefunden. Woche für Woche stirbt fortan ein weiteres Mitglied der Feier, als Markenzeichen wird jedesmal ein Handschuh hinterlassen. Ebenfalls Gast auf der Party war Journalist Andrea. Er ermittelt auf eigene Faust, gerät aber mit der Zeit selbst auf die Liste der Verdächtigen.
Kritik
1971 war ein fantastischer Jahrgang für den Giallo. Nachdem Dario Argento mit Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe diese vorher nur spärlich entfachte Gattung zu einer erdrutschartigen Welle lostrat, folgten Schlag auf Schlag etliche Highlights. Argento selbst war in dem Jahr mit Die neunschwänzige Katze und Vier Fliegen auf grauem Samt gleich doppelt aktiv, Sergio Martino tat es ihm mit Der Schwanz des Skorpions und Der Killer von Wien gleich. Mario Bava lieferte mit Bay of Blood so was wie die Blaupause des späteren Slashers, während Aldo Lado mit Malastrana und Duccio Tessari mit Blutspur im Park im Gegenzug bewiesen, dass es nicht nur auf Blut und Bodycount ankam. Und das sind wirklich nur die Sternstunden dieses ungemein produktiven Jahres, zu denen definitiv auch Der schwarze Tag des Widders von Luigi Bazzoni gezählt werden muss.
Auf besonders viele Werke hat es Luigi Bazzoni in seiner Karriere nicht gebracht. Bei gerade einmal fünf Spielfilmen führte er zwischen 1965 und 1975 Regie. Gerade Giallo-Liebhaber sollten sich seinen Namen aber dick im Notizbuch anstreichen, denn gleich drei seiner Arbeiten zählen zu den interessantesten Beiträgen dieser besonderen Bewegung. Sein Debüt La donna del lago gehört zu den Pionierarbeiten dieser Zunft und sein letzter Film Spuren auf dem Mond wiederum zu den wenigen Gialli seiner Zeit, die sich noch etwas Neues und Ungewöhnliches trauten, während die Allgemeinheit schon langsam an Ermüdungserscheinungen krankte. Der schwarze Tag des Widders war damals einer von vielen, die besondere Qualität von Bazzoni hob ihn aber bereits damals deutlich aus der Masse hervor. Alles beginnt mit einer verzerrten Tonbandaufnahme, in der eine unbekannte Person ankündigt, fünf Menschen zu ermorden. Fünf Menschen aus ihrem näheren Umfeld, was früher oder später unweigerlich zu seiner Ergreifung führen muss. Gleich darauf befinden wir uns auf einer Silvesterparty und noch während der Vorspann läuft, werden bereits alle potenzielle Verdächtige, tendenzielle Opfer und angedeuteten Motive vorgeführt, noch bevor man es im ersten Moment begreifen kann. Aber aufgrund der vorher getätigten Ankündigung bereits ahnt.
Einer der Gäste ist auch der inzwischen schon deutlich heruntergekommene und – gelinde gesagt – versoffene Journalist Andrea (Franco Nero, Der Tag der Eule). Wie es später im Film angedeutet wird, war er wohl mal ein unbequemer und (vermeidlich) links-liberaler Investigativer, heute nur noch ein Schatten seiner selbst. Wohl auch durch die gescheiterte Beziehung mit der High Society Dame Helen (Silvia Monti, Freibeuter der Meere) ist er nun lediglich der geduldete Bodensatz in der besseren Gesellschaft. Anwesend, unerwünscht, aber nicht weiter bedrohlich. Bis zu jener schicksalhaften Neujahresfete, auf der er, Helen und noch einige andere Menschen der oberen 10.000 anwesend sind. Nach und nach werden deren Gäste im wöchentlichen Rhythmus ermordet. Andrea leckt Blut, tappt aber lange im Dunkeln und muss sich bald selbst rechtfertigen, denn auch er könnte durchaus der Täter sein. Oder soll bewusst aus dem Weg geräumt werden.
Statt auf Sleaze und Pulp setzt Der schwarze Tag des Widders mehr auf technische und lange Zeit sogar auf narrative Finesse. Die Story wird geschickt und mitunter sauspannend konstruiert, das Sahnehäubchen ist aber ohne Frage die grandiose Inszenierung. Wie hier mit Einstellungen, Perspektiven und Kamerafahrten gearbeitet wird, sogar abseits der stilistisch voneinander völlig individuellen Mordsequenzen, ist schlicht herausragend. Dazu komponiert Ennio Morricone einen Score, der das Geschehen jederzeit passend ummantelt und Genre-Gigant Franco Nero taumelt wie ein angeschlagener Boxer ungemein wuchtig durch einen Plot, der leider am Ende über den üblichen Giallo-Unfug stolpert. Dabei bietet Der schwarze Tag des Widders viel mehr an als vergleichbare Kollegen und ist gerade dadurch bis zum Finale auf mehr als überdurchschnittlichem Niveau, haut aber statt der mannigfaltigen Optionen lieber eine Pointe raus, die ziemlich platt und in Anbetracht der Umstände auch total unnötig ist. Der sonst im Giallo oft stiefmütterlich behandelten Geschichte wird hier viel Aufmerksamkeit und Engagement gewidmet, schlussendlich gibt man sich dann doch wieder unvorteilhaft „geerdet“. Als wenn es Luigi Bazzoni unangenehm wäre, wieviel besser er als ein Großteil seiner Kollegen bis dahin ist. Ein so gesehen vielleicht zu bescheidener oder nicht selbstbewusster Film.
Fazit
Ein ganz feiner Giallo von einem ungemein talentierten Regisseur, der leider nicht so viele Filme realisieren konnte. Selbst in seinem ungemein starken Jahrgang kann sich „Der schwarze Tag des Widders“ noch gegen die direkte Konkurrenz behaupten – und ist Kopf an Kopf mit „Der Killer von Wien“ vielleicht sogar dessen bester Giallo. Wer jetzt noch nicht interessiert ist, hat mit der ganzen Materie wohl eh nichts am Hut oder ist schlicht selbst schuld.
Autor: Jacko Kunze