Inhalt
Die Ehe von Angela und Émile ist weder frei von Spannungen, noch gänzlich ohne Harmonie – eine normale Ehe, könnte man sagen. Auffällig ist allenfalls der Kontrast zwischen der Frau, einer verträumten Stripperin, und dem Mann, der dagegen eher konventionell erscheint. Wobei diese Formulierung wohl etwas übertrieben ist, denn konventionell ist an „Eine Frau ist eine Frau“ eigentlich rein gar nichts. Eines Tages offenbart Angela ihrem Mann, dass sie ein Kind haben möchte, wovon dieser nicht gerade begeistert ist.
Kritik
Je nachdem, wie man es sieht, kann man „Eine Frau ist eine Frau“ als Jean-Luc Godards („Außer Atem“) zweiten oder dritten Spielfilm aufnehmen. Der Film „Der kleine Soldat“ wurde zwar früher gedreht, jedoch erst 1963 aufgeführt. Wer mit dem Schaffen des Franzosen und der französischen Nouvelle Vague vertraut ist, wird sich hier zwar wahrscheinlich besser zurechtfinden als Laien, aber dennoch wird Kennern und Neugierigen gleichermaßen etwas Einzigartiges und Überraschendes geboten. Nahm sich Godard in seinem ersten Langfilm noch dem amerikanischen Kriminalfilm und Film Noir an, behandelt, verändert, kritisiert und ehrt er hier die alten US-Komödien aus der goldenen Ära. Nicht weniger als die Entwicklung einer neuen Filmsprache schrieb sich der Filmemacher damals auf die Fahnen. Etwas, das ob der astronomisch hohen Ziele gleichermaßen lobend als auch argwöhnisch beäugt werden kann.
So scheiden sich wohl auch an diesem Film die Geister und während es wie von selbst passiert, dass man sich auf Seiten der Verehrer oder Verachter wiederfindet, muss man dennoch anerkennen, dass beide Seiten mit rationalen Argumenten ihre Wahrheiten haben. Ob man diesen Film mag oder nicht, entscheidet wohl rein das Bauchgefühl. Und das macht ihn interessant, kann sich doch der Verfasser dieser Zeilen nur schwer der Faszination des Filmes entziehen und dennoch voll und ganz verstehen, wie man von diesem Werk genervt sein kann. Godards Stilbrüche und Absurditäten steigern sich immer weiter und bekommen hier durch Farbe und exzessiv genutzte Musik noch weitere Komponenten hinzu, die übereinander gelegt werden. Auf den ersten Blick kommt einem all das vielleicht gar zusammengeschmissen vor, aber es folgt stets einem Ziel.
Die vorgeplapperten Dialoge zwischen Angela (Anna Karina, "Die Wahrheit über Charlie") und Émil (Jean-Claude Brialy, "Das Auge") kreisen sich um ihre Beziehung, laufen aber innerhalb dieses Rahmens immer wieder komplett aneinander vorbei und sind so zielgerichtet chaotisch, dass man sich an die Arbeit Loriots erinnert fühlt. Und dennoch geht Godard einmal mehr den Extraschritt und weitet den Rahmen des Akzeptablen so weit, bis die Dialoge zu Blubber- und Tiergeräuschen verkommen. Der Humor ist albern, die Situationen und Beziehungen absurd bis seltsam und zeugen von einem tief-verwurzelten, ja fast schon chronischen Missverständnis. Dieser ständig lärmende Klangteppich (sind die Figuren mal still, dröhnt die Musik) kann natürlich zu einer Geduldsprobe werden und hier, mit Verbindung zu Godards Stil, der sich eines Narzissmus nicht entledigen kann, werden die Hauptangriffspunkte der Kritiker zu finden sein.
Und das ist absolut verständlich, kann jedoch leider dazu führen, dass die wahre Geschichte außer Acht gelassen wird. Denn etwas, was Kubrick auch in seinen Filmen später verinnerlichte und
-äußerte ist die Maxime „Interessant ist besser als realistisch“. Möglich, dass er eben dies von Godard gelernt hat, es wäre ja nicht das einzige Merkmal. Und das Interessante an der Geschichte ist vor allem in der Frage nach der Wahrheit und ihrem Unterschied zur Lüge zu finden. Gegen Ende beschwert sich Angela, dass, abgesehen von der Person, die lügt oder nicht lügt, niemand wissen kann ob diese Person lügt oder nicht lügt, weil es keinen offensichtlichen Unterschied gibt. Angela findet dass die Person sich damit von allen anderen abgrenzen würde und damit vereinsame. Da jeder Mensch des Lügens mächtig ist, verkommt das soziale Wesen „Mensch“ dann zu einem Teil einer Gesellschaft, in der jeder für sich selbst ist.
Godards berühmter Satz, der Film sei die Wahrheit 24 mal in der Sekunde war zum Zeitpunkt dieses Films schon von ihm verlautbart worden. Wendet man diese Aussage auf die eben beschriebene Situation an, wird aus der Diskussion über Lüge und Wahrheit eine über das Verhältnis zwischen Film und Zuschauer. Ist es wirklich egal, was der Zuschauer von dem Film denkt und ob er ihm glaubt oder nicht? Funktioniert dann das Medium an sich noch, wenn der Zuschauer in keiner Weise von dem Werk tangiert ist? Wahrscheinlich nicht - Godard möchte, dass das Publikum teilnimmt und partizipiert. Man denke an die allererste und die allerletzte Szene; Angela schaut in die Kamera, durchbricht die Vierte Wand und gibt dem Publikum zu verstehen.
Fazit
Mit „Eine Frau ist eine Frau“ inszeniert Godard eine Ode an die Frau und behandelt gleichermaßen alte, konservative Hollywood-Komödien, in den Frauen gut gerne als diese „Wesen“ hingestellt werden, die entweder einen Mann an ihrer Seite brauchen, oder die es zu ergründen gilt. Dies verbindet der Regisseur bravourös mit den Merkmalen der Nouvelle Vague und macht eben genau das, was er so macht. Die Linie zwischen toll und blöd ist hier verdammt schmal, aber die Art, wie die Figuren agieren, wie sie kommunizieren (im weitesten Sinne) und wie Godard all das erzählt, lässt das Filmherz aufgehen und macht Lust auf mehr.
Autor: Levin Günther