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9. November 1989 - das ist nicht nur der Tag, an dem die Mauer gefallen ist, sondern auch der Tag, an dem ich endlich von meinem ungeliebten Sport erlöst wurde. Seit ich denken kann, wollte ich nie Wasserspringerin werden und doch hatte ich eine bilderbuchartige DDR-Karriere hingelegt. Ich war fünf Jahre alt, als ich im Kindergarten von Funktionären "gesichtet" wurde. Wenige Tage später begann das Training. Und war man erst einmal im sozialistischen Leistungssportsystem und einigermaßen talentiert, kam man da so schnell nicht wieder heraus. Ich war gefangen.
Obwohl ich selbst einschlägige Erfahrungen im DDR-Sportsystem gemacht habe, oder gerade deshalb, stört mich das eindimensionale Bild, das immer wieder vom DDR-Sport vermittelt wird. Die haupt-sächliche Reduktion auf das Thema Doping wird dem, was ich persönlich erlebt habe, nicht gerecht. Einerseits war das Leistungssportsystem der DDR viel perfider und subtiler als allgemein dargestellt, und somit gehen die Probleme, die sich daraus ergeben, weit über die viel zitierte Dopingpraxis hinaus. Andererseits wird man durch diese einseitige Darstellung und die Unterteilung der Sportler in Täter und Opfer ihren unglaublichen körperlichen und mentalen Leistungen nicht gerecht. Mich beschäftigte immer die Frage, warum es tatsächlich so viele gab, die sich dem Drill und dem Druck freiwillig ausgeliefert haben. Oder wurden sie auch gezwungen, so wie ich?