Ein ganz normaler Vormittag, mitten auf einem belebten Platz in Madrid. Ein paar Passanten sitzen in einer Bar beim schnellen Frühstück oder dem ersten Drink. Plötzlich wird einer der Gäste auf dem Weg nach draußen in den Kopf geschossen und stirbt. Auch ein weiterer Gast, der ihm zu Hilfe eilt, bricht tödlich verwundet auf der Straße zusammen. Entsetzt suchen alle nach einer Erklärung für das mysteriöse Geschehen. Warum ist der Platz vor der Bar sofort menschenleer? Sitzt ein Scharfschütze auf einem der umliegenden Dächer und feuert auf jeden, der ihm vors Visier kommt? Befindet sich der Täter vielleicht sogar in der Bar? Kann nicht jeder hier der Mörder sein und jeder auch das nächste Opfer?
Kommen ein verrückter Penner, eine gealterte Automatenspielerin, ein IT-Typ, ein Unterwäsche-Fetischist und ein Model in eine Bar. Das Ausgangsszenario von Álex de la Iglesias rabiatem Psychothriller klingt wie der Anfang eines nicht sonderlich originellen Witzes. Im Grunde ist der sanguinische Cocktail aus Paranoia, Psychose und Parodie das auch, allerdings ein brachial-brutal Bitterböser. Kein Wunder beim Regisseur von Ballada Triste de Trompete, der mit dem fiesesten und dreckigsten Wettbewerbsbeitrag der Berlinale eine Trash-Perle schenkt. Inszenatorisch und dramaturgisch ist die mit B-Movie-Referenzen gespickte Farce jedoch nicht annähernd so wagemutig wie im genüsslichen Ausmalen von Ekel- und Angstszenarien.
Das Erste ist im wörtlichen Sinne der Startschuss des klaustrophobischen Comédie Humain, deren Figurenriege sich in einer Plansequenz im Titelschauplatz versammelt. Die lahmen Versuche des Regisseurs und Drehbuchautors, die allzu plakative Verschiedenheit der Protagonisten zu begründen, ist dabei ebenso zum Scheitern verdammt wie deren diverse (Selbst)Rettungsversuche. Die selbstbewusste Elena (Blanca Suárez), der nerdige Nacho (Mario Casas), Glücksspielerin Trini (Carmen Machi), der durchgeknallte Schnorrer Israel (Jaime Ordóñez), die resolute Wirtin Amparo (Terele Pávez), Barwirt Satur (Secun de la Rosa) und der schmierige Businesstyp Sergio (Alejandro Awada) sind wandelnde Stereotypen zahlloser Horrorszenarien: prädestiniert, in eines zu stolpern.
Als wüssten die misstrauischen Figuren um den schadenfrohen Determinismus des Szenarios, peitschen sie einander in den Anfangsminuten mit phobischen Phantasien hoch. Stecken hinter dem Zielschuss, der einen Gast beim Verlassen des Lokals niederstreckt, Terroristen, der Geheimdienst oder ist alles ein Traum und falls ja, von wem? Zombies, Monster, die Regierung: Der Unterschied ist für die ahnungslosen Opfer marginal. Das systemkritische Potenzial dieser galligen Einsicht übergeht Iglesia enttäuschenderweise und widmet sich dafür grotesker Psycho- und Körperfolter. Die verwirklicht aufs Hinterhältigste sogar den gemeinsten Fluch dieser Berlinale: „Möge der Teufel deinen Kaffee zu Scheiße werden lassen!“
Fazit
Der nervenzerfetzenden Ouvertüre folgt routiniertes Anschlagen altbekannter Genreanspielungen. Twilight Zone, Outer Limits und Bunuel werden routiniert abgehackt, nur das philosophische Resümee ist entschieden simpler: „Furcht verändert Menschen“ - „Nein. Furcht bringt ihre wahre Natur zum Vorschein.“
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