Im Dezember 1970 hatte er endgültig den Schlund voll, auch wenn man das kaum glauben mag. Elvis Presley (Michael Shannon; Man of Steel), der King of Rock’n Roll, stieg angewidert durch die Aufstände, Rassenkonflikte (nur eher motiviert in die falsche Richtung), Drogenproblematiken und undankbare, anti-amerikanischen Protestbewegungen die Erdnussbutter-beschmierten Stufen aus seinem Elfenbeinturm Graceland hinab, um seinem Land so zu dienen, wie es einem treuen Staatsbürger seines Status gebührt. Als Federal-Undercover-Agent-At-Large, damit er wieder was Vernünftiges zu tun hat und endlich eine echte Marke zum Vorzeigen, obwohl er auch so alles machen kann, wofür jeder durchschnittliche Mensch nach nur 5 Minuten Filmverlauf mit dem besten Anwalt der Welt nicht mehr aus dem Knast hinausgekommen wäre. Der amtierende Präsident Richard Nixon (Kevin Spacey; American Beauty) weiß zwar nur rudimentär, wer dieser merkwürdige Zeitgenosse ist und fühlt sich sichtlich bevormundet ihn plötzlich empfangen zu müssen, doch am Ende steht eine dicke Männerfreundschaft, bei der sich zwei spezielle Individuen gesucht und gefunden haben. Die fassungslosen Zeitzeugen hielten kurz den Atem an…
Aus einem nicht detaillierten, aber in seinen überlieferten Zügen schon kurios genügenden Treffen des größten Idols eines Landes und seinem gewählten, aber schon damals kontroversen und ungeliebten Anführers spinnt Elvis & Nixon eine bissige Polit- und Gesellschaftssatire, die kurz vor dem (erneuten) Einzug eines polemischen Schaumschlägers ins Weiße Haus fast erschreckend glaubhafte Dimensionen annimmt; den USA einen nicht nur rein zeitbezogenen Spiegel vorhält. Der King („The King of What?“) überfällt das Oval Office mit der ernstgemeinten Schnapsidee, als Undercover-Agent (At-Large, versteht sich von selbst) für das Bureau of Narcotics and Dangerous Drugs zur Verfügung zu stehen, u.a. auch, um kommunistischen Querschlägern wie den Beatles Einhalt zu gebieten. Da der Herr noch nie selbstständig irgendwas von dem Erwachsenen-Kram machen durfte wird er förmlich überrumpelt von der Tatsache, dass man nicht bewaffnet ein Flugzeug besteigen darf, aber zum Glück sind die Normalsterblichen schlicht dankbar einmal seine Aura genießen zu dürfen und wenn mal nichts mehr geht, gibt es noch seinen sozialen Babysitter Jerry (Alex Pettyfer; Magic Mike), der verblüffend selten ernsthaft eingreifen muss.
Sein Gegenüber ist der bucklige Gollum-Präsident Richard Nixon, der erst als einziger noch dieses kindische Treffen mit selbstgebastelter Einladung als kompletten Blödsinn abtut, um dann einen Seelenverwandten zu finden. Zwei weltfremde, psychisch bedenklich angeknackste und von ihren schwitzenden Beratern brav eingepuderte Aliens, deren Kollisionskurs ihrer merkwürdigen Heimatplaneten reibungsloser erfolgt, als man denken mag. Wenn es nicht so absurd und unmöglich durchzusetzen wäre, vielleicht würde Elvis immer noch Hippies und Staatsfeinde unterwandern. Oder wie es der Film am Ende aufwirft: „Or did he?“ Was als locker inszeniertes, überdrehtes Fakten- und Fiktionsgulasch beginnt, gewinnt mit zunehmender Laufzeit erstaunlich viel Profil, da der Film hinter seiner grotesken Situation ein gar nicht mal so abwegiges Szenario einfach nur mit einem Schuss Satire versieht, dessen Ausmaß sich kaum realistisch einschätzen lässt. Polarisierende Sonderlinge – verloren in ihrem eindeutig krankhaften Ego-Trip – prallen nahezu ungebremst aufeinander, da sich ihre „Beschützer“ wider besseren Wissens nicht in der Lage sehen, dem etwas entgegenbieten zu können. Unheimlich wird es erst, als die aufgezwungene Image-Kampagne eines paranoiden Trolls mit Minderwertigkeitskomplexen und die entgleisten Gedanken eines bedauernswerten Kleinkindes im Körper eines gefeierten und niemals hinterfragten Stars sich sehr nahe sind.
Anfangs erscheint der Film von Liza Johnson (Hateship, Loveship) eher wie ein nettes, aber relativ banales Gedankenspiel um ein berühmtes Foto und dessen spekulativen Hintergrund, dass dies später deutlich widerlegt und bereits früh durch einen exzellenten Cast auffällt. Gewöhnungsbedürftig erscheint zunächst ausgerechnet der fabelhafte Michael Shannon, der das gewohnte Bild von Elvis Presley (optisch) kaum erfüllen mag, aber auch das ist Mittel des Films. Teilweise wird dies sogar für kleine Pointen verwendet. Der King ist nicht mehr der Strahlemann von einst, nur noch ein verblendeter und niemals integrierter Spinner, vor dem ehrfürchtig auf die Knie gefallen wird, damit er gemütlich durch sein Wolkenkuckucksheim spazieren kann. Kein Wunder, dass er den Schuss nicht mehr gehört hat. Hat man sich von optischen Diskrepanzen gelöst, voll auf die ehrliche Demontage dieser Figur eingelassen, erfüllt sie Shannon exzellent, da er die Ikone mehr demaskiert als sie zu kopieren. Die Nebenrollen sind mit Evan Peters (American Horror Story), Colin Hanks (Fargo; wird seinem Vater immer ähnlicher) und (sogar!) Johnny Knoxville (Jackass) hervorragend besetzt, den Vogel schießt aber Kevin Spacey ab.
Obwohl Richard Nixon schon häufiger auf der Leinwand präsentiert wurde – auch in großen Auftritten von Anthony Hopkins (Nixon – Der Untergang eines Präsidenten) oder Frank Langella (Frost/Nixon) -, niemand war so überzeugend wie hier Kevin Spacey, obwohl er ihn nur karikiert. Mimik, Gestik, allgemeine Körpersprache und besonders Stimme und deren Klangfarbe sind sensationell dran am Original. Eine umwerfende Performance, die in der Parodie dem Vorbild am nächsten kommt. Was das über den echten Richard Nixon am Rande aussagt, ist schon Satire genug.