Manchmal muss man erst bis an das Ende der Welt reisen, um zu erkennen, dass die wahre, unverfälschte Schönheit von Mutter Erde immer genau dort verborgen liegt, wo man sie am wenigsten erwartet. Und Werner Herzog, unsere deutsche Exil-Bastion, war schon überall: Ob in Nord- ober Südamerika, Asien, Afrika oder Australien, von Europa natürlich ganz zu schweigen. Jedoch hat der legendäre Autorenfilme nie die populären Sammelbecken des sensationslüsternen Tourismus abgefilmt und so rein gar nichts Neues servieren können. Werner Herzog hingegen ist an Orte gereist, an denen die Natur noch ihren Ursprung besaß; wo sie sich so entfalten und sprießen konnte, wie es für sie bestimmt und vorgesehen war, ohne leichtsinnige Manipulationen oder Zerschlagungen durch Menschenhand. Und dazu hat sich Herzog mit Menschen unterhalten, wie sie nicht der herkömmlichen Norm entsprachen: Weder äußerlich, noch charakterlich.
Es ist so eine Aussage, wie sie Werner Herzog an einen jungen Mann in der Dokumentation „Tod in Texas“ richtet, der auf seinen Strafe wartet: Den Tod. Herzog sagt diesem Mann im Vorfeld des folgenden Dialoges, dass er ihn nicht mögen muss, zu keiner Sekunde, aber ihn weiterhin als Mensch respektiert – egal welche Taten er in der Vergangenheit begangen hat. Ein grundlegender Beweis dafür, dass Herzog einen Menschen nie voreilig abwertet und ihm mit Vorurteilen entgegentritt. Durch seine Objektivität, seine Präzision im Umgang mit den verschiedenen Thematiken, schafft er es, eine ungeheure Emotionalität aufzubauen, obwohl er niemals an stumpfer Melodramatik interessiert ist, sondern am Besonderen, am Eigeneinwilligen und am Bizarren. Und all die persönliche Begeisterung, Motivation und Neugier, die Werner Herzog seit dem Beginn seiner fantastischen Karriere ausgezeichnet haben, fließen ein in seine Antarktis-Dokumentation „Begegnungen am Ende der Welt“ von 2007.
Wenn Werner Herzog zu Anfang noch mit dem typisch humorvollen Unterton angibt, dass „Begegnungen am Ende der Welt“ keiner dieser Pinguin-Filme ist, weiß man direkt, was einen die nächsten gut 100 Minuten erwartet: Herzog in Reinform. Aber der Meister gibt sich bei der Ankunft an der antarktischen Forschungsstation McMurdo eher unerfreut: Riesige Maschinen baggern in den Boden des eisigen Nirgendwos und die Containersiedlung wirkt wie direkt aus dem Industriegebiet gezogen. Dazu kommt noch der anhaltende Sonnenschein, und Herzog kann die Strahlen ihrer weder auf der Haut, noch auf seinem Zelluloid ertragen, kurz gesagt: Die Laune war etwas angeknackst, wollte er doch genau diese überwältigende Anmut sehen, wie sie sein Kumpel Henry Kaiser bei einem Hobbytauchgang eingefangen hat. Man muss allerdings sagen, dass Herzog wahrlich nie als Diva tituliert werden konnte; diese Allüren hat ihn Klaus Kinski wohl, wenn er solche überhaupt besessen hat, was äußerst zweifelhaft ist, grundlegend ausgetrieben.
Mit der ersten Schlechtwetterfront und einem kurzen Überlebenstraining geht es dann aber auch in die Vollen. Herzog und Peter Zeitlinger fangen die unendlichen Weiten der Antarktis in so grazilen wie faszinierenden Fotografien ein, dass es dem Zuschauer wahrlich die Sprache verschlägt – Und das alles, ohne auch nur einmal auf die überzogene Effekthascherei zu setzen. Ob unter Wasser, bedeckt von einer 2 Meter dicken Eisenfläche, oder in der Eiswüste, in denen Herzog den Zuschauer, obwohl er doch keinen Film über Pinguine machen wollte, mit einer Szene konfrontiert, die so tief ins Herz geht, wie nur wenige andere Augenblicke: Ein Pinguin trennt sich von seiner Gruppe und rennt geradewegs der Ewigkeit entgegen, dem endlosen Eis, dem sicheren Tod. Doch egal was Herzog und seine Crew machen würden, egal ob sie ihn wieder zurück zu den anderen Pinguinen bringen würde, er würde immer wieder dem Ruf der Ferne folgen. Warum? Niemand weiß es, und so lassen sie ihn ziehen...
Wenn sich Herzog dann noch der reichlich exzentrischen Crew der Forschungsstation annimmt, dann kommen die wahren Paradiesvögel vor die Kamera. Nicht die seltsamsten Lebensformen in der geheimnisvollen Finsternis des Meeres, die beinahe so unerklärlich wirken, wie die Tiefen des Weltalls, sondern die Forscher, die Biologen und Entdecker. „Begegnungen am Ende der Welt“ überliefert da ein Porträt von Menschen, die immer das nächste Abenteuer suchen, obwohl sie wohl allesamt schon ein eigenes Buch über ihr Leben und die dazugehörigen Erlebnisse verfassen könnten. „Begegnungen am Ende der Welt“ ist ganz einfach ein Werner Herzog in Höchstform, der den Zuschauer immer wieder überwältigt, ob durch die wunderschöne Landschaft oder die eigenwilligen Personen, die sich auf der McMurdo-Station herumtreiben. Ein einzigartiges Erlebnis.