Inhalt
Die „Matrix“ wuchtete das Actiongenre in völlig neue Gefilde, überstilisiert, rasant, vor allem auffällig in der Kameratechnik. Dies in Verbindung mit einer dystopischen Weltanschauung zu bringen, sollte für Regisseur und Drehbuchautor Kurt Wimmer ein gewagtes Unterfangen darstellen. Als Christian Bale noch mit „American Psycho“ gerade mal durchstartete und Wimmer 2002 noch keine großartigen Referenzen aufwies, wagte man sich an eine Neuinterpretation eines Themas, das uns schon seit „Uhrwerk Orange“- oder „Metropolis“-Zeiten verfolgt.
Kritik
Nach einem Dritten Weltkrieg wurde das menschliche Gefühl als Massenvernichtungswaffe diagnostiziert, und so wird dem Menschen jegliches Fühlen untersagt. In der festungsartigen Stadt Libria tut der Grammaton-Kleriker John Preston (Christian Bale) seinen Dienst und säubert die umliegenden Ruinen von den Menschen, die sich dem Fühlen schuldig gemacht haben und im Untergrund leben. Doch ausgerechnet der Vorzeigekiller wird in eine Kette von Vorfällen verwickelt, bis er sich das Mittel „Prozium“ nicht verabreichen kann, das Gefühle auf ein Minimum reduziert...
Vergleiche mit „Clockwerk Orange“ oder „Metropolis“ braucht „Equilibrium“ nicht zu scheuen, weil die Welt von Libria genau das reflektiert, was die Vorbilder schon so eindringlich werden ließ. Kurt Wimmer achtete sehr genau auf die Gestaltung seines Filmes, in dem auch Dualismus immer wieder zur Sprache kommt. Da wird der Nationalsozialismus als Unheil konditioniert, verwendet aber in seinem eigenen Aufbau ähnliche Symbolik und praktiziert eine eigene Art der Bücherverbrennung, in der Gemälde oder Dekoration vernichtet werden. Die Gleichschaltung setzt auf Harmonie, während man die „Sinnestäter“ durch Kampftechniken reihenweise abschlachtet. Es ist also von vorneherein klar, dass Libria zum Scheitern verurteilt ist, und so löst sich das Erdachte schon in den ersten Minuten zumindest prinzipiell schon auf – da ist der ein oder andere Storytwist gar nicht mal schlecht gewählt.
Letztlich stellt sich nur die Frage nach dem „wie“. Da kommen dann auch die Charaktere ins Spiel, die in der Handlungsausrichtung natürlich sehr stereotype Formen angenommen haben. Würde man also den Untergrundkämpfern eine komplexe Persönlichkeit anheften, hätte man den Stoff nicht auf Action trimmen können, so bleiben dadurch engelsgleiche Figuren übrig, die leider etwas blass erscheinen. Bleibt nur noch Preston selbst, dessen Wandlung noch am meisten verfolgt wird und auch den Zuschauer an seine Entwicklung fesseln kann. Auch wenn „Equilibrium“ sehr auf Stil setzt und meist wie gelackt wirkt, weiß man die „niedlichen“ Dinge geschickt einzusetzen. Wenn Preston einen Hund vor dem Tod rettet oder ergriffen den Melodien von Ludwig van Beethoven lauscht, dann machen die Kontraste in einer Welt der unbedingten Rationalität sehr viel Sinn.
Jetzt sollte noch erwähnt sein, was denn der Vergleich zu „Matrix“ in dieses Bild passt. Die Action basiert schwer auf der Cyberthriller-Trilogie, außer dass sich Wimmer eine eigene Art von Kampftechnik überlegte. Das „Gun-Kata“, also Anleihen bei Wing Tsun mit Einsatz von Waffen, soll ähnlich wie der Wacholski-Kracher Style vermitteln. Allerdings lahmt der Action-Turnus an zu vielen Dingen. Die Kämpfe/Schießereien an sich wirken deutlich statisch. Da reicht es nicht, den Protagonisten lediglich in die Mitte zu stellen und einen Haufen Opfer schön aufgereiht drum herum, damit es „cool“ aussieht. Im Gesamtbild macht das noch weniger Sinn, als dass die Action als kompletter Gegenentwurf eingefügt wurde und somit so gar nicht in die dystopische Grundausrichtung passen will. Wenigstens macht der Film jedoch nicht den Fehler, zu viel davon einzusetzen.
Aber wie schon erwähnt, spielen die Figuren eine wichtige Rolle im Film, und so darf er eher als Schauspielerkino angesehen werden denn als Actionstreifen. So ist natürlich Christian Bale selbst die treibende Kraft darin, und der Brite bewies, dass die Vorschusslorbeeren aus „American Psycho“ nicht umsonst gewesen sind. Egal ob loyal und gefühlskalt oder doch von Gefühlen übermannt, ist Bale zu jeder Zeit Herr der Lage. Und dass man mit Emily Watson im Cast nichts falsch machen kann, ist ebenfalls hier bestätigt worden. Etwas deplatziert wirkt dagegen William Fichtner, der wie hypnotisiert sein Dasein fristen muss, und auch Angus Macfadyen muss sich ein wenig dem Drehbuch unterordnen, so dass die guten Ansätze ein wenig verpuffen. Das ist aber Kritik auf hohem Niveau, weil hier keine Dilettanten am Werke waren.
Fazit
„Equilibrium“ hätte der Hammer schlechthin werden können, so verhindert die Action jedoch, dass es dazu kam. „Matrix“ nachzueifern war hier die deutlich schlechtere Wahl, so bleibt der Streifen eine sehr gute „Metropolis“-Anleihe mit dem Hang zum Übertriebenen. An vielen Stellen träumerisch, bezieht der Film seine Faszination durch die Referenzen zu seinen Vorbildern, spielt sehr viel mit bekanntem Symbolismus und kehrt Bedeutungen sichtbar um. So bleibt ein Werk im Gedächtnis haften, ohne dass auch nur eine Actionszene trotz Bombast irgendwie Aufsehen erregt hätte.
Autor: Sascha Wuttke