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Eine etwas andere Rotkäppchen-Verfilmung: Vanessa (Reese Witherspoon) macht sich auf den Weg zu ihrer Großmutter. Unterwegs trifft sie den Kinderpsychologen Bob Wolverton. Doch Bob ist nicht der nette Mann von nebenan, sondern ein lange gesuchter Psychokiller.
Kritik
Mit seinem Regiedebut gelang dem zuvor schon als Autor aktiven Matthew Bright (Ted Bundy) 1996/97 ein kleiner Überraschungshit auf den Independent-Festival-Bühnen. Böse gemeint könnte man fast von Wettbewerbsverzerrung sprechen, denn das Personal ließt sich nicht gerade wie bei einem typischen Independent-Film. Als Executive Producer fungierte Oliver Stone (Natural Born Killers), die Musik komponierte Danny Elfman (Edward mit den Scherenhänden) und auch vor der Kamera ist einiges mit Rang und Namen dabei. Zugegeben, die Meisten sind eher Gesichter aus der zweiten Reihe und Hauptdarstellerin Reese Witherspoon (Walk the Line) war damals noch kein Begriff. Aber allein die Personalie Kiefer Sutherland (The Lost Boys) war seiner Zeit schon spannend, unterstützt u.a. von Amanda Plummer (Pulp Fiction), Dan Hedaya (Die üblichen Verdächtigen), Brittany Murphy (Sin City) oder Brooke Shields (Die blaue Lagune). Wieso konnte man denn für so eine kleine Produktion so viel Prominenz generieren? Vermutlich war es der interessanten Prämisse geschuldet, die neben dem Cast die größte Stärke des Films ist.
Die 15jährige Vanessa (Reese Witherspoon) ist nicht unbedingt die hellste Kerze auf der Torte und freut sich beim Unterricht ihrer wohl sehr speziellen Förderschule schon darüber, dass sie mit Mühe und Not auf Erstklässlerniveau lesen kann. Die sozialen Voraussetzungen sind auch alles andere als optimal. Mutti (Amanda Plummer) ist eine schäbige Bordsteinschwalbe, ihr Stiefvater ein Crack-Head, der ihr regelmäßig an die Wäsche geht. Als der Sauhaufen mal wieder in den Knast wandert, ist Vanessa auf sich allein gestellt und peilt als Zielort die lange nicht mehr gesehene Großmutter an. Als ihr Wagen auf dem Freeway verreckt, wird sie von dem freundlichen Kinderpsychologen Bob Wolverton (Kiefer Sutherland) aufgegabelt. Dieser entpuppt sich jedoch als der gesuchte Freeway-Killer, der neben pädophilen auch noch nekrophile Neigungen offenbart. Vanessa dreht den Spieß jedoch um, wobei sich der böse Wolf als sehr standhaft herausstellt. Nach einigen Irrungen und Wirrungen kommt es schlussendlich doch noch zum Showdown in Oma’s Trailerpark-Behausung.
Rotkäppchen und der böse Wolf als US-White-Trash-Groteske ist von der Idee her kreativ und durchaus charmant. In den ersten grob 25 Minuten gefällt Matthew Bright’s Regiedebüt durch seinen (relativ) originellen Ansatz und einen schön schmantig-exploitativen Tonfall, das aber ausgerechnet im zweiten Akt – unmittelbar nach der Konfrontation von „Rotkäppchen und dem Wolf“ – seine ganz große Schwäche offenbart. Solange man sich am Ablauf des Märchens orientiert, erscheint es frisch und einfallsreich, nun muss man aber fast einer Stunde mit einem Hauch (und darin wohl auch nie ernsthaft angepeilter) Sozialkritik verwässertem Füllmaterial beiwohnen, das der spleenigen Idee nie so richtig gerecht wird. Bemüht auf grimmig, asozial und schwarzhumorig getrimmt, aber der Funke will einfach nicht (mehr) überspringen. Freeway schafft eine schöne, schmissige Ausgangslage und fängt sich pünktlich zum Showdown dort auch wieder, dazwischen merkt man aber zu deutlich, dass dies eher ein geiler Kurz- statt ein abendfüllender Spielfilm ist. Zwischenzeitlich gibt es mal dezente Lichtblicke, gerade Kiefer Sutherland ist mit seiner diabolischen Performance ein Hingucker. Im direkten Vergleich gibt es aber auch eine Brooke Shields, die man im Idealfall mit Humor nimmt.
Fazit
Tolle Idee, ein (überwiegend) guter Cast und zumindest nie wirklich langweilig, trotzdem lässt „Freeway“ zu viel am Straßenrand liegen. Im zweiten Akt bricht man narrativ extrem ein und hat dort schon sein kreatives Pulver praktisch komplett verschossen. Ein ewiger Geheimtipp, der zu mehr als einer Fußnote aber nicht ernsthaft taugt.
Autor: Jacko Kunze