Inhalt
Als Kind musste Johnny mitansehen, wie sein Vater von Soldaten erschossen wurde. Obwohl im Anschluss rechtschaffend von seinem Pflegevater Clark großgezogen, beherrscht ihn seit dem der Trieb nach Vergeltung. Als junger Mann töten er und seine Bande gezielt Männer der Armee. Lieutenant Garringo wird auf ihn angesetzt. Dabei trifft er auch auf Clark, inzwischen Sheriff von Bells City, der nicht glauben mag, was aus seinem Zögling geworden ist.
Kritik
Nach dem überraschenden Welterfolg von Sergio Leones Für eine Handvoll Dollar explodierte das Genre des Italo- oder auch Spaghetti-Westerns quasi über Nacht. Auf ebenfalls eine gute Handvoll wichtige und bis heute unumstößliche Klassiker kam eine exponentielle Zahl von Trittbrettfahrern und längst vergessenen, aus der Hüfte gefeuerten Schnellschüssen für eine Handvoll Lire. Was das Aussieben erwähnenswerter Titel aus dem schier bodenlosen Fundus – abseits der großen Namen – einer Sisyphusarbeit gleichsetzt.
Irgendwo in der ambivalenten Mitte siedelt sich Garringo – Der Henker des Spaniers Rafael Romero Marchent an. Einer der untätigen Fließbandregisseure des Genres, dessen Name trotz eines großen Outputs nur den Wenigsten ein Begriff sein dürfte. Das spricht nicht zwingend für die Qualität seiner Arbeiten und in Anbetracht der sich hier bietenden Möglichkeiten mag sich unterstellen lassen, dass dem werten Herren nicht zu Unrecht die ganz große Karriere verwehrt blieb. Potenzial beherbergt sein mehr spanischer als italienischer Western (obwohl in Italienisch vertont) überraschend viel, weiß es leider nur bedingt zu nutzen. Genaugenommen haben wir es hier mit einer Art Serienkillerfilm zu tun. Aufgrund eines frühkindlichen Traumas (sehr plump und eben nur zweckdienlich verhökert), tötet der von Gesetzeshütern zum Waisen gemachte und jetzt skrupellose Bandenchef Johnny (Peter Lee Lawrence, eigentlich gebürtiger Deutscher namens Karl Otto Hirenbach) gezielt Soldaten, die dazugehörigen Überfälle sind mehr ein finanzielles Mitbringsel, auch um seine Mannen zu motivieren. Es geht sogar so weit, dass er (halb)anonyme Bekennerschreiben versendet, ein nicht nur fiktional erprobtes Verhalten psychotischer Serientäter, siehe z.B. dem ebenfalls auf Tatsachen beruhenden Klassikers M – Eine Stadt sucht einen Mörder von Fritz Lang.
Zu einer Reaktion getrieben setzt die Armee den eigentlich in Ungnade gefallenen, aber nun enorm wertvollen Vollstrecker Garringo (Anthony Steffen) auf den Fall an, der nicht lange fackelt und sich nicht nur schnell direkt im Nacken von Johnny befindet, sondern zufällig direkt im Schoss der Ersatzfamilie. Sein Ziehvater Clark ist inzwischen der Sheriff von Bells City und wird ebenso wie die Quasi-Schwester Julie (Solvi Stubing, übrigens auch eine gebürtige Berlinerin) mit der unbequemen Wahrheit konfrontiert, dass ihr geliebter Zögling ein eiskalter Killer ist, den es zu stoppen gilt. Nicht nur ein Genre-Crossover, den reizvollen Gewissenskonflikt gibt es gleich obendrauf. Daraus ließe sich eine echte Hausnummer zusammensetzen, woran Marchent in letzter Konsequenz sichtlich scheitert, wenn auch nicht kolossal. Vielleicht etwas überfordert mit dieser spannenden Prämisse, die aber in erster Linie vom Script nur tangiert wird. Es gibt einfach zu viele halbfertige Baustellen, die den Sprung nach oben vermeiden.
Die grundsätzliche Inszenierung von Marchent wirkt bemüht, ist jedoch kaum mehr als mittelprächtig. Da fehlt es wie der nicht ausgereizten Idee an entsprechendem Geschick und Handwerkskunst. Schon solide Arbeit im Rahmen der Möglichkeiten, keinesfalls mehr. Eine große Diskrepanz herrscht zwischen den beiden Hauptdarstellern: Während der Held Anthony Steffen sich monoton und hölzern durch die Gegend langweilt, weiß Antagonist Peter Lee Lawrence – der manchmal gar an den jungen Helmut Berger erinnert- seine Rolle besser zu interpretieren, als sie ihm vorgelegt wird bzw. das mitunter herauszuholen, was sie im Ansatz in sich birgt. Es sind diese Momentaufnahmen, die immer wieder verdeutlichen, was Garringo – Der Henker zu bieten hätte, wenn da die richtigen Leute am Hebel gewesen wären. Für den üblichen 08/15-Spaghetti teilweise zu gut und ambitioniert, für deutlich mehr im Resultat leider nicht fähig.
Fazit
Interessante Ansätze treffen auf eine grobe Umsetzung. Eventuell war sich gar nicht bewusst, was hier machbar gewesen wäre. Und wenn, muss man es leider den mangelnden Fähigkeiten in die Schuhe schieben. Scheitert auf immer noch gehobenem Genre-Niveau. Für Sammler und Komplettisten klar einen Blick wert, mit eingeschränkter Erwartungshaltung.
Autor: Jacko Kunze