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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Marieme lebt mit ihrer Familie in der Pariser Banlieue. Die Mutter sorgt fürs Einkommen, der große Bruder kommandiert alle herum und sie versorgt die jüngeren Schwestern. Außerfamiliär ist es nicht besser. In der Nachbarschaft geben Jungs den Ton an und die Schule ist eine Sackgasse. Doch dann gerät sie ins Blickfeld einer coolen dreiköpfigen Mädchengang, die sich Freiheiten nimmt, von denen Marieme bislang nur träumte. Dort wird sie aufgenommen und heißt fortan Vic. Von jetzt an macht das Leben Spaß: Vic schwänzt den Unterricht, verändert ihr Äußeres und liefert sich mit ihren neuen Freundinnen Scharmützel mit rivalisierenden Banden. Das neue Leben soll ihr Weg in die Unabhängigkeit sein.
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Vor zwei Jahren stand auf einmal die Filmwelt Kopf, als Richard Linklater sein lockeres Dutzendjahres-Projekt „Boyhood“ an die Öffentlichkeit brachte und mit dieser außergewöhnlichen Idee einen (nach der bescheidenen Meinung dieses Autoren) mittelmäßigen Film produzierte und dafür Preis um Preis kassierte. Die Geschichte eines Jungen, der erwachsen wird, gefilmt über 12 Jahre hinweg; sie gefiel und brachte Linklater einen enormen Respekt in der Filmbranche ein. Da ist es fast nur eine Frage der Zeit, bis sich andere Filme als Namensvetter ausgeben, um auf der Erfolgswelle des Films zu reiten. So geschehen bei „Bande de Filles“, der international unter dem Titel „Girlhood“ vertrieben wird.

Dabei hat der Film nicht viel mit Linklaters Arbeit gemein. Der Film wurde an einem Stück gedreht und zeigt auch nur einen Ausschnitt aus dem Leben der sechzehnjährigen Marieme (Karidja Touré), die in einem Banlieu von Frankreichs Hauptstadt lebt. Das Banlieu ist der soziale Brennpunkt in Frankreich, normalerweise ein Außenbezirk der Stadt, in dem Plattenbauten das Bild regieren und die hauptsächlich schwarze Bevölkerung lebt, Gangs gründet, Drogen verkauft und irgendwie versucht, über die Runden zu kommen. Das klingt drastisch und irgendwie fast schon über einen Kamm geschert, aber es ist leider zutreffend. Filme, die an diesem Ort in Frankreich spielen, die gibt es zuhauf. Nicht wenige davon versuchen jedoch, mittels Haudrauf-Motorik Mitleid erregen oder die gesellschaftliche und wirtschaftliche Verrohung des Staates kritisieren. Da nimmt Regisseurin Céline Sciamma ("Tomboy") eine neue Richtung ins Visier - und das ist erfrischend.

Sciamma nimmt sich hier nämlich die Mädchen des Banlieus vor, erzählt aus ihrem Leben ohne dass sie sie instrumentalisiert oder zum Mittel zum Zweck verkommen lässt. So ist es auch bezeichnend, dass der Film mit einer positiven Szene beginnt. Der Film öffnet mit einem Rugby-Spiel zweier Mädchenteams, die gegeneinander spielen, kämpfen und am Ende gemeinsam feiern. Der Spaß, der Stolz, die Kameradschaft; ohne viel Vorwissen in eine solche Szene geworfen zu werden ist da herrlich befreiend. Und diese Stimmung ist es, die die erste gute Stunde des Filmes dominiert. Zumindest dann, wenn Mariemes Coming-of-Age-Geschichte Formen und Züge annimmt und sich von der vertrackten Lebenssituation ein Stück weit löst. In ihrem Umfeld sind Frauen da, um Kinder großzuziehen, keine Widerworte zu geben und zu kuschen, ansonsten gibt es die flache Hand ins Gesicht.

Marieme aber trifft nach einer Zeit auf die selbstbewussten und vorlaute Lady (Assa Sylla) und ihre zwei Freundinnen und schließt sich ihnen kurzerhand an. Erst wird sie geduldet, dann aufgenommen und schließlich geschätzt. In diesem Umfeld schafft Marinem es, ihre kleingehaltenes Ich aufzuwecken. Sie wird selbstbewusst, lernt sich selbst kennen und findet den Mut zum Leben. Sie kämpft, manchmal bewusst, manchmal unterbewusst, aber immer mit dem gleichen Ziel. Lady kauft ihr schließlich eine Kette, auf der Vic steht - ein Name, den Marinem annimmt und mit Stolz trägt. Vic, als Kurzform für victoire. Sie bekommt ein neues Selbstverständnis, sie lässt sich nicht von Rassismus und Sexismus unterkriegen und schon gar nicht von anderen Verlierern. In der Clique lernt sie Werte und Ideen kennen, sie lernt Familie und Aufopferung, Stolz und auch was es heißt, eine Identität zu haben.

Eine Identität, in einem Leben, dass sie ihr eigentlich verwehren möchte. Verlust, Gewalt und dieser seltsam schmeckende Begriff der Ehre, der immer wieder auftaucht, aber nie zu positiven Entwicklungen führt. Unterkriegen lassen sich die Mädchen aber trotzdem nicht. Sie wollen gemeinsam eine gute Zeit haben und zeigen Vic, dass es auch mal okay ist, zu träumen und die Realität zu vergessen. Und wenn die Mädchen sich dann unter den Grenzen hinwegducken und in den abgesperrten Bereich der Freiheit schreiten. Wenn sie sich aufdonnern und in einem Hotelzimmer zu Rihannas „Diamonds“ tanzen und singen, dann besorgen sie sich die Zustimmung, die ein Mensch braucht selbst. Dann bekämpfen sie mit einem Lächeln auf den Lippen die Einsamkeit, die ihr Leben bis dahin fest im Griff hatte. Und dann ist das hochemotionales und wunderschönes Kino, das einem die Gänsehaut über den Körper und die Tränen in die Augen jagen kann.

Fazit

Diese intensive Gruppendynamik wird von Sciamma immer wieder eingefangen und mit pulsierender Musik hinterlegt. Wenn die Mädchen sich im Leben verlieren, verliert sich der Zuschauer im Film. Das hätte alles so schön und rund werden können, aber aus irgendeinem Grund dreht und wendet die Regisseurin die Geschichte noch ein weiteres Mal vor dem Ende. Das ist schade, weil der Film bis dahin wunderbar funktioniert hat. Und er hätte ein riesiges Potenzial gehabt, das gepflegt verspielt wurde. Sciamma wollte letztendlich mehr erzählen, als nötig gewesen wäre und mehr, als sie im Stande ist. Durch den seltsamen Wechsel der Handlung, wird der Boden kräftig unter den Füßen des Zuschauers weggezogen und aus einem herzerwärmenden Film irgendwann ein wackeliges Unterfangen, das gute zwanzig Minuten zu lang geraten ist.

Kritik: Levin Günther

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