Inhalt
Alexandre lebt mit Frau und Kindern in Lyon. Eines Tages entdeckt er durch Zufall, dass der Priester, der ihn während seiner Zeit als Pfadfinder missbraucht hat, noch immer mit Jugendlichen arbeitet. Lange verdrängte Erinnerungen werden wach. Verstört und couragiert beschließt Alexandre, endlich gegen den Mann vorzugehen. Er sucht nach weiteren Opfern des in seinem Amt angesehenen Geistlichen und findet sie in François und Emmanuel. Doch jeder der drei Männer kämpft auf unterschiedliche Weise mit sich selbst. Und jeder muss mit den Schatten seiner Vergangenheit ringen, um die weitreichenden Konsequenzen dieses Prozesses zu verkraften. Die Gründung der Selbsthilfeorganisation „La Parole Libérée“ (Das befreite Wort) ist nur ein erster Schritt.
Kritik
Bittere Ironie, dass auf die Desillusionierung der Figuren über die ethischen Standards der Kirche wohl eine weitere über die ideologischen Prioritäten des Unterhaltungskinos folgt. Beide wären vermeidbar gewesen, doch die Prävalenz zu Manipulation und Ausnutzung ist nur eines der heiklen Themen, denen Francois Ozons (Frantz) aalglattes Prestigeprojekt ausweicht. Umso bedachter ist die Vermarktung der vor wenigen Jahren enttarnten Fälle kirchlichen Kindesmissbrauch und dessen Vertuschung auf die Inszenierung Ozons als unerschrockenen Enthüllungsregisseur. Als den sahen ihn angeblich die vorab interviewten Betroffenen: „Sie stellten sich einen Film in der Art von Spotlight vor, in dem sie zu fiktiven Charakteren verkörpert von berühmten Schauspielern würden.“
Immerhin das mit den fiktiven Charakteren hat geklappt. Während für die Priesterfiguren die Namen der echten Täter übernommen wurden, tragen die Opfer erfundene. Beide Parteien eint auf der Leinwand das hohe Maß an Stereotypisierung, die praktisch jede Reaktion absehbar macht. Selbst für die Darstellung, konkreter: Nicht-Darstellung der Taten flüchtet sich der Regisseur zu den abgegriffensten Klischees von Verbrechen hinter verschlossenen Türen. Jedes Gespür für die psychologische Verwundbarkeit von Kindern fehlt der plumpen Inszenierung, die sensationslüstern mit Phantasien von Sünde und Lust im Hause Gottes kokettiert. Alexandre (Melvil Poupaud, Victoria), Francois (Denis Menochet, 7 Tage in Entebbe) und Emmanuel (Swann Arlaud, Ein Leben) reifen nie zu organischen Individuen.
Eher verkörpern sie exemplarisch Gesellschaftsklassen, die wiederum mit bestimmten Familiensituationen und Geisteshaltungen assoziiert werden. Drängende sozialpolitische Fragen zur Verbreitung, Festigung und generationsübergreifenden Weitergabe religiöser Dogmen werden konsequent ausgeblendet. Paradoxerweise ist Verschwiegenheit das prägende Merkmal des ängstlich-überforderten Konglomerats aus Genreversatzstücken. Würden die willkürlichen Schlenker zu Krimi, Seifenoper und Psychodrama der behäbigen Handlung wenigstens Schwung geben! Doch erdrückt von Figurenüberzahl und Dialoglast schleppt sich die Story dahin, ohne einen Hauch der Spannung und Dramatik, für die sie prädestiniert ist. Die rührselige Patina und der spekulative Zitat-Titel bestätigen zusätzlich die eigentliche Motivation des darstellerisch mediokren und visuell zutiefst konventionellen Werks: kommerzielles Kalkül.
Fazit
Angespornt durch den Erfolg US-amerikanischer Vorbilder und sein Faible für pathetische Männerfiguren schlachtet Francois Ozon den jungen Fall gedeckter Pädophilie in der katholischen Kirche aus. Fabriziert hat er das filmische Äquivalent eines schlechten Klatschzeitungsartikels: Verstaubte Bilder voll visueller Klischees, eine schleppende Handlung, die nicht gezeigt, sondern in endlosen Brieftexten heruntergebetet wird, und eine verkappte Religionsbotschaft, die das Leid der Protagonisten zur göttlichen Prüfung wahrer Glaubensfestigkeit stilisiert. Aber hey, wichtiges Thema, da werden ein paar schon anbeißen.
Autor: Lida Bach