There is a sign on the wall but she wants to be sure
'Cause you know sometimes words have two meanings
Diese Zeilen aus Led Zeppelins Stairway to Heaven beschreiben auf wunderbare Weise das Werk Happiness des japanischen Regisseurs und Schauspieler Hiroyuki Tanaka, professionell bekannt als Sabu. Der Filmemacher, der unter anderem in Takashi Miikes Ichi the Killer auftrat, liefert hier ein skurriles Werk ab, das zunächst auf etwas verhaltene Stimmen getroffen ist, die dem Film vor allem Unehrlichkeit vorwarfen - ein Umstand, der auf enttäuschte Erwartungen und mangelnde Offenheit gegenüber Stimmungs-Kehrtwenden zurückzuführen ist. Denn auch wenn der Titel Fröhlichkeit vortäuscht, handelt es sich bei Happiness mitnichten um einen Feelgood-Film. Viel mehr gab es selten unangenehmere Bilder, als in diesem stillen, ruhig abgefilmten Drama, das sich mit der Unfähigkeit des Menschen auseinandersetzt, der seinen Erinnerungen allzuoft erlegen ist.
Der Filmtitel wird dabei zu Beginn auf ein Bild kahler Bäume, grauen Wiesen und eisigen Flüssen eingeblendet. Später zeigt der Regisseur Fröhlichkeit im Gesicht von ermordeten Frauen. Über den ganzen Film verteilt gibt es Szenen, die belegen, wie nah beieinander Fröhlichkeit und (Selbst-)Hass tatsächlich liegen. Widersprüche, die Sabu in seinem Film zusammenführt und ihren Kern offenlegt. Wie üblich zeigt der Regisseur die Umgebung zunächst als wahres Wesen der Menschen - über sie ist weitaus mehr herauszufinden, als über die Gesichter oder Worte. Dies wird sich im Mittelteil ein wenig zurücknehmen, am Ende jedoch wieder klar und deutlich verwendet. Dann, wenn der zunächst namenlose Mann alleine durch das Bild schlendert. Erst horizontal, später vertikal. Der Mann hat einen Koffer bei sich, zieht in ein namenloses Dorf irgendwo im Nirgendwo und trifft auf eine Gesellschaft der Einsamkeit. Sie ist auf sich allein gestellt, die Welt mutet zunächst gar post-apokalyptisch an.
In dem Koffer hat der Mann einen seltsamen Helm, der mit vielen Tasten und Druckpunkten ausgestattet ist. Drückt der Mann eine Tastenkombination, kehrt eine fröhliche Erinnerung zu den Menschen zurück, erinnert sie an das Glück des Lebens und reißt sie aus der lähmenden Lethargie. Zunächst zieht der Mann kommentarlos nach vollrichteter Arbeit davon, er sucht sich aber weitere Kunden. Er möchte der Bevölkerung ihr Glück zurückgeben - und wird ignoriert. Die Menschen sitzen still und einsam, in einem namen- und sinnlosen Wartezimmer. Das Streben nach Glück ist hier nicht erwünscht, es scheint gar vergessen und befremdlich. Ohne Glück kein Verlangen, keine Motivation, keine Änderung, keine Kritik, keine Zweifel am Status Quo. Wie eingerostet die Konventionen und Oberstübchen der Menschen sind, zeigt sich auch in einer Szene, in der (nach wohlüberlegter Zustimmung) der Helm der Masse angeboten wird - und zunächst keiner das Verlangen hat, seinem untoten Leben zu entkommen.
Wenn sich nach und nach jedoch das Interesse entfesselt, den Menschen das Glück zurückgebracht wird und Herr Kanjaki, der mysteriöse Mann, als Heilsbringer gefeiert wird, hebt Sabu seinen Film schnell auf eine komplexere Ebene. Mit dem Glück, der Hoffnung kommen auch die Träume zurück, sodass viele Menschen den tristen Ort verlassen, um eine bessere Zukunft zu haben. Um dem Entgegenzuwirken und dem Ort zu helfen, wird kurzerhand beschlossen, die Glücks-Behandlung zunächst nur an 20-30-Jährigen durchzuführen. Und mit diesem einen Satz befindet man sich auf dem Gebiet der Menschenversuche und Euthanasie. Kanjaki hat eine Vergangenheit, die er nicht zugeben möchte; er behauptet nur „normale“ Erinnerungen zu haben - was auch immer das bedeuten mag. Kurz darauf wird zumindest deutlich, was für Gefühle der frühere Arzt in sich hat. Er handelt natürlich nicht altruistisch, sondern verfolgt einen Rache-Plan, dem sich der Film nach einer guten halbe Stunde vollends widmet.
Es mag dieser Stimmungswechsel des Films sein (ein Wechsel in der Tonalität ist es nicht wirklich, höchstens eine extreme Intensivierung), der viele Zuschauer vor den Kopf gestoßen hat. Dennoch muss gesagt werden, dass Sabu lediglich ungemein konsequent seiner Hauptfigur folgt. Kanjaki mag die Glückseligkeit zunächst als oberstes Gut verfolgen, doch er tut dies, indem er faschistisch-anmutende Methoden nutzt. Der Zweck heiligt hier alle Mittel, nur dass Gerechtigkeit nie ein vernünftiger Zweck sein kann, da diese nie für mehr als einen Menschen verallgemeinert werden kann. Kanjaki wendet Gewalt an, zwingt als extreme Gegenmaßnahme das „Glück“ auf - und kehrt es dann blitzschnell um. Der Zuschauer ist gezwungen, einer Erinnerung eines Jugendlichen zu folgen, wie dieser zwei Frauen ermordet. Es ist eine widerliche Gewaltszene, ungemein grafisch und ohne Ausweg für den Zuschauer. Ein Doppelmord aus der subjektiven Kamera-Perspektive und der Glückshelm wird nicht nur als Medizin, sondern auch als Waffe eingesetzt.