Versucht man sich filmisch mit der nach wie vor heiklen Thematik um den Neo-Nazionalismus ein Stück weit auseinanderzusetzen, so wird man unweigerlich auf Tony Kayes „American History X“ aus dem Jahre 1998 stoßen, der in diesem diffizilen Metier seit seiner Uraufführung zur maßgebenden Referenz erkoren wurde. Zweifelsohne trägt „American History X“ ein ehrbares Anliegen in sich und hat mit Edward Norton als auch Edward Furlong zwei Schauspieler an vorderster Front, die den Zuschauer durch ihre intensiven Performances über die gesamte Laufzeit mitreißen. Das Problem ist allerdings, dass „American History X“ in seiner Schilderung der braunen Welle einfach zu kurz gedacht ist, den Rechtsextremismus als reinen Auswuchs des White-Trash-Milieu definiert und darüber hinaus auch immer wieder die falschen Töne anschlägt, anstatt seine klaren (Anti-)Botschaft generell aus der Authentizität des Moments zu schöpfen. Deutlich besser macht es da das finnische Sozial-Drama „Heart of a Lion“ von Dome Karukoskis („Helden des Polarkreises“).
Zu erst einmal muss man akzeptierten, dass der Weg zur Rechtsradikalität nicht immer in Relation mit der Entmenschlichung des Individuums steht, was vielen Regisseuren dann natürlich die Chance gibt, das findige Spiel auf der Manipulationsklaviatur anzustimmen und den „verlorenen Sohne“ auf den Weg der Läuterung zu führen. „Heart of a Lion“ hingegen hat mit Teppo (Peter Franzén) einen hochinteressanten Protagonisten zu bieten, der sich für den Erhalt der Weißen Rasse Finnlands genauso tatkräftig einsetzt, wie er den Löwen auf der Brust trägt. Aleksi Bardy und Dome Karukoski stellen natürlich eine gewisse charakterliche Veränderung zum Diskurs, sie instrumentalisieren das Gebaren von Teppo im Verlauf der Handlung indes nicht dazu, um den „bösen Nazi“ zum reumütigen Ersatzvater zu stilisieren, der durch seine Besinnung von all seinen Taten in der Vergangenheit freigesprochen wird. Ganz im Gegenteil: Teppo behält seinen Bezug zur rechten Szene permanent, weil diese Ersatzfamilie ihm Halt gibt, weil dort eine engmaschige soziale Verbundenheit herrscht, in der sich Teppo als fester Teil eines Kollektivs fühlen darf.
Dass Teppo mit Sari (Laura Birn) zusammenkommt, die aus einer früheren Beziehung einen dunkelhäutigen Sohn (Yusufa Sidibeh) mitgebracht hat, mag sich als erzwungen festhalten lassen, tatsächlich wirkt das dramatische Zuschnüren brodelnder Konflikte hier bisweilen etwas zu kalkuliert, zu absehbar und leicht holzschnittartig. Wenn sich dann auch noch Teppos Bruder Harri (Jasper Pääkkönen) als überzeugter Fascho in das Geschehen einmischt, scheint sich die Situation emotional erst recht zu verdichten. „Heart of a Lion“ aber wirkt in seiner Art, wie er auf diese Charaktere blickt und ihre Beziehung zueinander beschreibt, einfach zu wahrhaftig, zu menschlich, als dass man ihm ein gewisses Maß an Konstruiertheit wirklich schwerwiegend vorwerfen möchte. „Heart of a Lion“ wagt den Blick hinter die Springerstiefel, die Tattoos und Glatze und porträtiert Menschen, keine Monster, die in ihrem Leben – aus welchen Gründen auch immer – die falschen Entscheidung trafen (oder treffen mussten) und in dem blinden Fremdenhass sowie der krankhaften Vorstellung von Ehre eine Vereinigung mit anderen ebenso orientierungslosen Personen gefunden haben.
Teppo beweist sich als einfühlsam, geht auf Rhamadhani ein, versucht Zeit mit ihm zu verbringen, wenngleich er dies zu Anfang natürlich nur macht, um an Saris Seite bleiben zu können. „Heart of a Lion“ stellt die Liebe selbst als Chance auf eine Katharsis aus, und wenn man als Zuschauer nur einmal in seinem Leben erfahren hat, wie extrem es um die Macht der Liebe bestellt ist, der weiß, inwieweit man sich für einen Menschen verändern würde, nur damit dieser sich nicht irgendwann abwendet. „Heart of a Lion“ schafft es, seine Geschichte und Charakter-Konstellation mit dem nötigen Feingefühl anzufassen, er berichtet im doppelten Sinne und nicht befreit von skandinavischer Lakonie vom Wert der Familie, bleibt aber ebenso ambivalent: Obwohl Teppo sich unlängst mit Rhamadhani arrangiert hat, zieht er nachts erneut mit seiner Skinhead-Truppe los, um ein Lager von Gypsies gewaltätig aufzumischen. Und genau dort schafft es „Heart of a Lion“ den tendenziösen Blick von „American History X“ zu überholen.