Inhalt
Ein auf realen Tatsachen beruhender Film über den Genozid an den Tutsis in Ruanda während der 90er Jahre und die mutige Leistung des Hoteldirektors Paul Rusesabagina. In nur 100 Tagen starben über eine Millionen Tutsis und gemäßigte Hutus durch die Hände der Milizen. Paul Rusesabagina konnte 1268 von ihnen das Leben retten.
Kritik
Während sich die grauenhaften Bilder der ausgemergelten Körper während des Holocaust schon lange in die Köpfte gebrannt haben, kursiert über dem Völkermord, der sich 1994 in Ruanda zugetragen hat, auch heute noch ein leider allzu großes Fragezeichen: „Ruanda? Wo liegt denn bitte das?“ Recherchiert man daraufhin und arbeitet sich etwas tiefer in die Materie ein, dann wird man mit Erschrecken feststellen, dass die damaligen Reaktionen der Vereinten Nationen wie auch der von Großbritannien, Frankreich und Belgien wohl nicht unbedingt anders ausgesehen haben: „Ruanda? Wen interessiert denn schon dieses afrikanische Nest?“ Logisch und auch vollkommen vertretbar erscheint es da, auf die seiner Zeit verheerende Situation Ruandas aufmerksam zu machen. Und was könnte da schon dienlicher sein, als ein großes Filmprojekt wie Terry Georges Hotel Ruanda. Mit ambitionierter Schauspielriege im Repertoire und dirigiert vom intentionalen Anspruch auf etwas Differenziertheit, die im Umgang mit einer solchen Thematik vielen Produktionen der Traumfabrik in der Vergangenheit abermals abhandengekommen schien, schlug man ohne Frage den richtigen Weg ein.
Die Ursache des Völkermordens findet sich in der ethnischen Separation, die durch die wirtschaftliche Trennung des ruandischen Volks durch die Kolonialmächte Deutschland, Großbritannien und Belgien zementierte wurde. Die Tutsi waren zahlenmäßig unterlegen und machten lediglich 15% der Gesamtbevölkerung aus. Ihnen aber wurde die wirtschaftliche und somit auch die politische Dominanz übertragen, während sich die Hutu mit ihrem sozialen Status der festgelegten Rangordnung nicht arrangieren wollten und unterdrückt fühlten. Nach dem Abzug der Kolonialmächte und des bis heute ungeklärten Anschlag auf das Flugzeug des Präsidenten Juvénal Habyarimana kam zu einem Völkermord, bei dem innerhalb von 100 Tage über 800.000 Tutsi der Hutu-Mehrheit wie auch der Impuzamugambi- und der Impuzamugambi-Milizen zum Opfer fielen. Die westliche Welt hat dabei nicht nur tatenlos zugeschaut, nein, sie hat sogar die vor Ort stationierten Friedenstruppen verkleinert. Es ist daher auch umso wichtiger, dass sich Hotel Ruanda auch seiner politischen Relevanz bewusst wird und sich nicht nur auf ein Einzelschicksal konzentriert, sondern verdeutlicht, wie das Versagen der Weltpolitik, wie das internationale Gemeinschaftsverhalten in solchen Augenblicken aussehen kann.
Natürlich steht der Hotelmanager Paul Rusesabagina (Don Cheadle, Miles Ahead) im Mittelpunkt des Films und wird von einem blendend aufgelegten Don Cheadle auch großartig verkörpert. Ein Blick auf Grauen aber ist nicht fokussiert auf seinen eigenen Weg oder auf den seiner nächsten Angehörigen. Durch ihn sehen wir das Leid dieses Landes, den Genozid und erfahren das Gefühl der Ohnmacht im Anblick der Hoffnungslosigkeit auf humanitäre Interventionen. Eine solche Situation verlangt nach einem Einzelnen, der weiß, dass er nicht alle Tutsi retten kann, es aber versuchen kann, wenigstens einem Teil durch die Hölle zu führen – Und das waren am Ende gut 1250 Menschen. Dabei verzichtet das Drehbuch auf eine übermäßig pathetische Heldenstilisierung und konzentriert sich auf den Gemütszustand Ruseabaginas innerhalb der emotionalen Extremsituation. Dieser Mann konnte sich seine Würde bewahren und schaffte es allein durch seine Gewitztheit, sein Talent zum Umgarnen und Bestechen jene Menschen lebend aus dem von Leichen gepflasterten Abgrund Ruandas zu führen. Dass sich der Film erst in seinen letzten Minuten etwas überzeichnet anmutet, ist absolut zu verschmerzen. Viel bedeutender und aussagekräftiger ist der erschütternde und Sprachlosigkeit bewirkende Verlauf an allen Fronten dorthin.
Fazit
Der von Joaquin Phoenix gespielte Kameramann Jack bringt es zwischendurch einmal genau auf dem Punkt: „I think if people see this footage they'll say, oh my God that's horrible, and then go on eating their dinners.“ So ist das, bedauerlicherweise – auf jeder politischen wie sozialen Ebene. Aber eine Person wie Ruseabagina macht Mut, auch wenn das Bild, welches "Hotel Ruanda" von ihm zeichnet nicht ganz der Wahrheit entsprechen soll, und appelliert zu Recht an die so oft verkrüppelte Zivilcourage.
Autor: Pascal Reis