Inhalt
Komponist Michael Jary und Texter Bruno Balz waren über 40 Jahre lang das produktivste und erfolgreichste Duo des deutschsprachigen Schlagers und Kinos. Ihre Lieder wie „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n“ oder „Davon geht die Welt nicht unter“ (beide 1942) machten Zarah Leander musikalisch zum Weltstar. Die 250 Kinofilme, zu denen sie die Musik beisteuerten, reichen von eleganten Komödien der Weimarer Zeit über ambivalente Melodramen im Dritten Reich bis zu Filmen in den Wirtschaftswunderjahren. „Im Schatten der Träume“ erzählt das bewegte Leben der beiden Künstlerfreunde – zwei Biographien, die selbst das Drehbuch für ein Melodram liefern könnten. Balz war als schwuler Mann ein Verfolgter des NS-Regimes und entging dem Konzentrationslager nur durch die Intervention von Jary, der angab, ohne seinen Texter die vom Propagandaministerium geforderten Lieder für den Film „Die große Liebe“ (1942) nicht liefern zu können.
Kritik
„Kann denn Liebe Sünde sein?“ wäre womöglich ein treffenderer Titel Martin Witz’ (Die Gentlemen baten zur Kasse) restaurativer Rückschau. Nicht nur, weil es einer der größten Erfolge des darin porträtierten Komponisten-Texter-Duos Michael Jary und Bruno Balz (Die Stunde, die du glücklich bist) war. Die in dem bis heute in Deutschland bekannten Schlager besungene Frage - nur bezogen au die Liebe zur eigenen Karriere - schwebt unausgesprochen über der musikalischen Memoire. Die schlägt einen ähnlichen Tenor narzisstischer Nonchalance und Naivität an. Dabei wäre gerade heute ein kritischer Ton angebrachter.
Ein Hang zur Apologetik mindert neben Spannung des dokumentarischen Denkmals zweier untrennbar miteinander verwobenen Künstler-Karrieren auch dessen Aktualität angesichts des Erstarkens rechter Rhetorik. Die beklemmenden Parallelen zu der Ära, in der Jarys und Balz‘ kometenhafter Aufstieg als Hit-Lieferanten für die Drittes-Reich-Diva Zarah Leander (Heimat) begann, übergeht der aus einem reichen Fundus an Filmszenen, Fotos, Texten und Tonaufnahmen schöpfende Lebenslauf ähnlich geflissentlich wie die politischen Präferenzen der Protagonisten. Jene erscheinen vom nie klar ausformulierten Vorwurf der Nazi-Kollaboration rehabilitiert.
Die dazu dienenden biografischen Episoden sind keineswegs eindeutig. Exemplarisch dafür ist ein Foto, auf dem Balz der Hitler-Gruß als Parodie ausgelegt wird. Deutschland war damals wohl voll von Parodisten. Dass zwei Verhaftungen unter Paragraph 175 seine Karriere nicht bremsten, gilt ebenfalls nicht als Indiz für hilfreiche Verstrickungen mit dem Regime. Ähnlich erscheinen Jarys Studium an der heutigen UdK sowie die Diffamierung seines Abschlusskonzerts als Rechtfertigung einer Karriere nicht nur im Schatten, sondern Dienste des Nazi-Staats.
Fazit
Der Reichtum biografischen und zeithistorischen Materials, effektiv eingerahmt von Interviews mit Biografen, Nachfahrinnen und Interpreten, kontrastiert mit dem Mangel kritischer Differenzierung Martin Witz‘ dokumentarischem Duetts. Dessen Relevanz liegt gerade in der nur verholen gestellten Frage nach Mittäterschaft, Moral und Möglichkeiten Kunstschaffender im Nationalsozialismus. Stattdessen wird das Schlager-Duo ideologisch und kreativ idealisiert. Kitsch wird zu Kunst, Schlager zu Swing und Durchhalte-Lieder gar zu Systemkritik. Faschistischer Terror? „Davon wird die Welt nicht untergehen“ Für die beiden jedenfalls nicht.
Autor: Lida Bach