Gleich zu Beginn hält der Film nicht mit der ihm zugrundeliegenden Kraft zurück. Anders gesagt; er geizt nicht gerade mit großen Namen. Sidney Poitier als Protagonist, Opfer und Täter von Rassismus, als Polizist, der ebenso mit der Gerechtigkeit und dem Guten zu kämpfen hat, wie die Weißen Südstaaten-Provinzler, gegen und für die er ackert. Quincy Jones als Produzent des Scores für den Film, der In der Hitze der Nacht unter anderem durch seine komponierten Melodien immer wieder Frische und vor allem Lebendigkeit einhaucht - vor allem aber auch dadurch positiv auffällt, dass er sich sehr zurückhaltend in den Bildern einbettet. Die Stille ist hier König. Und nicht zuletzt Ray Charles, eine weitere Legende in diesem Triptychon der Künste, der den Titelsong eingesungen hat und damit als Motiv immer wieder durch den Film wandert.
Zu Beginn erscheint ein gelblich schimmerndes Licht am Horizont. Es ist ebenso unscharf wie die paar anderen Lichtpunkte, doch es sticht durch Farbe und Bewegung heraus. Es kommt nämlich in der Mittelachse direkt auf den Zuschauer zu. Das Licht entpuppt sich zwar als Leuchte einer Lokomotive, doch hat es etwas fast schon Biblisches an sich. Wie es die Dunkelheit durchschneidet, ein Zug der Gerechtigkeit, der sich des Nachts durch das dunkle Schwarz pflügt. Ein Zug, mit dem Virgil Tibbs in Sparta, Mississippi ankommt. Willkommen, schreit das Ortsschild den Reisenden entgegen. Das offenbart sich später als Lüge. Virgil ist hier nicht willkommen, niemand grüßt ihn, stattdessen wird er drei Sekunden, nachdem er gesichtet wird, verhaftet.
Sparta ist eine Kleinstadt irgendwo da, wo die Hitze omnipräsent ist, wo man nachts schwitzend durch die Straßen laufen kann und höchstwahrscheinlich keine Menschenseele trifft. Die Bewohner kennen sich untereinander. Man weiß, wer wann wo nackt durchs Haus läuft und andere zuschauen lässt. Man weiß um die Leichen der anderen, man weiß aber auch, dass die anderen darum wissen. Und so entsteht ein Gleichgewicht des Vertrauens zum Misstrauen. Ein Gleichgewicht, das nur außer Balance gebracht weden kann, wenn eine fremde Seele in den Kosmos eintritt. Ein reicher Investor etwa, der eine neue Fabrik errichten will und dafür umgebracht wird. Oder ein schwarzer Polizist, der es wagt, diesen Mordfall aufzuklären und sich nicht zum Bückstück der Weißen machen zu lassen.
Nun ist In der Hitze der Nacht nicht nur irgendwie ein Kriminalfilm, der auch das Thema Rassismus tangiert. Er ist vielmehr der Kriminalfilm, der sich mit Rassismus auseinandersetzt, ihn studiert und seziert, beinahe wie Virgil Tibbs die Leichen und Verdächtigen, ja eigentlich wie alle Menschen um ihn herum. Der vorurteilsverseuchte Rassismus liegt hier völlig offen an der Oberfläche. Natürlich lässt Regisseur Norman Jewison den immer mal wieder gehörig auf die Nase fallen, er zeigt ihn dann aber auch in all seiner Grausamkeit und kräftigen Verankerung in der aktuellen Zeit. Interessant dabei ist, dass auch Virgil rassistisch und vorurteilsbehaftet gegenüber den weißen Südstaatlern ist. Sie mögen ihn nicht und er mag sie nicht. Er ist ebenso ein Mensch mit allerlei Grauzonen und Abneigungen, Fehlern und Makeln. Das zeigt sich auch bei seiner hauptsächlichen Motivation; er möchte die Weißen vorführen, ihnen zeigen, wie man einen Fall mal so richtig löst.
Das Spiel zwischen Virgil und seinem indirekt Vorgesetzten Schrägstrich Lehrling Chief William Gillespie (Rod Steiger) ist dabei von einer Intensität und Substanz, dass sie sich bis zu den letzten Sekunden des Films nicht abnutzt. Wie sie sich gegenseitig abtasten, auflaufen lassen, anfrotzeln und unterstützen ist dramaturgisch erstklassig und auch soziologisch interessant. „Es geht um Ihre Leute!“ schreit Gillespie Virgil an und meint damit die farbigen Bewohner Spartas, die einen Job bekommen könnten. „Nicht um meine, um Ihre! Sie wohnen hier, das ist Ihre Stadt!“ blafft Virgil zurück. Vordergründig natürlich eine Reaktion, um sich gegen den Rassismus á la „ihr kennt euch doch eh alle“ zu wehren, steckt in diesen paar Sätzen ein Verlangen nach Solidarität, das äußerst aktuell ist. Mit der Präsidentschaft Trumps ist in den amerikanischen Leben alles politisch geworden. Ein Brandherd, den zu entfachen zu einfach ist, der an (selbst-)zerstörerischer Kraft zu mächtig ist. Vielleicht sollte In der Hitze der Nacht in Schulen gezeigt werden, vielleicht sollte der Film eine staatenweite Neuaufführung in den Kinos bekommen. Denn für knapp zwei Stunden war das Land damals schlauer, als es nun zu sein scheint. Augen auf und lernen.