Inhalt
Eine kleine Hillbilly-Gemeinde in den tiefen Wäldern der Südstaaten betet eine Schlammgrube an; immer wieder werden Menschenopfer dargebracht, um die Grube zu besänftigen. Erwählt werden die Opfer anhand von Tonkrügen, die der Töpfer Dawai (Sean Bridgers) in Trance anfertigt: Stets trägt ein Krug die Gesichtszüge des nächsten Opfers. Als die junge Ada (Lauren Ashley Carter) – deren inzestuöses Verhältnis zu ihrem Bruder Jessaby (Daniel Manche) gerade zu einer Schwangerschaft geführt hat – im neuesten Tongefäß ihr eigenes Antlitz wiedererkennt, lässt sie das todbringende "jug face" unbemerkt verschwinden. Doch "the pit wants what it wants" – und so beginnt alsbald ein blutiges Treiben...
Kritik
"Jug Face" von Chad Crawford Kinkle ist ein Low-Budget-Horror-Melodram, das einen auf ganz kuriose Art in seinen Bann zieht. Schon des Öfteren gaben "backwoods communities" einen reizvollen Filmstoff ab; so nutzte M. Night Shyamalan das Thema für einen Mystery-Thriller ("The Village"), während Debra Granik in "Winter’s Bone" eine authentische Betrachtung anstrebte. Kinkle bemüht sich streckenweise ebenfalls um eine naturalistische Sicht auf die Lebenswelt der Gemeinschaft, verquickt dies aber mit höchst bizarren, grellen und lauten Schock-Einschüben, die hinsichtlich der Kameraaktivität und des Toneinsatzes (sowie im Hinblick auf den filmischen Zeigespaß) an Sam Raimis Splatter-Klassiker "Tanz der Teufel" (OT: "The Evil Dead") denken lassen. Die grotesken Spezialeffekte, mit denen hier gearbeitet wird, sind erkennbar billig, schwer "old school" – und irgendwie... interessant! Gleiches gilt für die Darstellung einer in der Unschärfe gehaltenen, mit Schlamm besudelten, jungen Gestalt, die gelegentlich auftaucht – was anfangs (nicht zuletzt dank dröhnender Begleit-Sounds) durchaus bedrohlich wirkt, später jedoch in erster Linie unfreiwillig komisch ist.
Recht spannend (für Genre-Fans) ist die Unvorhersehbarkeit: Während bei Gruselwerken meist schon eine knappe Inhaltsangabe genügt, um richtig prognostizieren zu können, welche Figuren überleben werden und welche nicht, ist man hier tatsächlich (dreifach) verblüfft.
Schauspielerisch erreicht der B-Film zum Teil eine A-Qualität; Lauren Ashley Carter – die ein bisschen an Alexis Bledel ("Gilmore Girls") erinnert, aber entschieden stärker im Ausdruck ist – interpretiert die Ada-Rolle schmerzhaft überzeugend. Neben Larry Fessenden als Vater ist v.a. Sean Young (die einstige "Blade Runner"-Replikantin!) als Adas Mutter ein Ereignis: Mit bemerkenswertem Mut zur Hässlichkeit gibt sie ein keifendes, grobes "Monster" (und neigt erst gegen Ende zur mimischen Übertreibung). In den Mutter-/Tochter-Szenen (mit deutlichen "Carrie"-Anklängen) hat das Werk um Wahn und Aberglaube seine besten Momente.
Man könnte dem Film vorwerfen, dass er den Zuschauer ein wenig ratlos zurücklässt. Denn eine "Pointe" gibt es nicht. Warum das, was geschieht, geschieht, wird man nicht erfahren. Der (schön gestaltete) Vorspann legt in bunten Kreidezeichnungen dar, wie das Gruben-Ritual funktioniert; man hätte da als Außenstehender aber schon noch ein paar Fragen. Wieso fungiert etwa gerade Dawai als Vermittler – bzw.: Wieso bringt ihm die Gemeinde ein solches Vertrauen entgegen, obwohl er offenbar nicht allzu hoch angesehen ist? Wer sich an einem Ausbleiben von Antworten stört, den dürfte "Jug Face" ziemlich frustrieren.
Fazit
Eine ungewöhnliche Mischung aus Hillbilly-Studie und Cinema of Cruelty, die mit einem Minimum an Mitteln zu fesseln vermag. Die Horror-Einbrüche sind verschroben, das Schauspiel ist beeindruckend – und insgesamt bleibt vieles unbeantwortet.
Autor: Andreas Köhnemann