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Inhalt

In seiner ersten Doku JUNUN begleitet Kultregisseur Paul Thomas Anderson den Gitarristen Jonny Greenwood von Radiohead und den israelischen Komponisten und Dichter Shye Ben Tzur auf einer Reise nach Rajasthan, Indien, um ein Album mit einheimischen Musikern aufzunehmen. 

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Mit "Junun" verlässt Paul Thomas Anderson das erste Mal in seiner Filmkarriere von ihm erschaffene fiktionale Geschichten und begibt sich auf eher sachliches Terrain.

Im Frühjahr 2015 begleitete er seinen Filmkomponisten Shye Ben Tzur ("There will be blood") sowie seinen Kumpel, dem Radiohead-Gitarristen Jonny Greenwood, nach Rajasthan im Nordwesten Indiens. Dort hat es sich der britische Rocker Greenwood zum Ziel gemacht hat, ein orientalisch angehauchtes Doppel-Album mit einer Vielzahl von internationalen Künstlern aufzunehmen. Der Titel des exotischen Soundtracks eines Lebens: Junun.

Die Doku beleuchtet hauptsächlich die Albumaufnahmen, nur vereinzelt kommen die Musiker zu Wort und zeichnen so ein kleines aber feines Portrait der indischen Lebensweise, die in deutlichem Kontrast zu unserem westlichen Denken steht. "Junun" heißt frei übersetzt so viel wie „Wahnsinn der Liebe“. Und so thematisiert die Musik vor allem die Liebe der Menschen untereinander und ihr Verhältnis zur Natur. Eine tolle magische Kulisse für das ambitionierte Unterfangen bildet dabei ein aus dem 15. Jahrhundert stammender Tempel, das Mehrangarh Fort. Mit Genehmigung des Maharajas von Jodhpur durften die Künstler hier ohne Hemmungen musizieren, meist in einem großen Versammlungsraum auf dem Boden sitzend. 

Paul Thomas Anderson hält mit der Kamera oft minutenlang ohne Schnitt, und in fast schon intimer Nahaufnahme, auf jeden der Musiker und lockert diese Szenen immer wieder mit kurzen Filmaufnahmen der Stadt Rajasthan auf oder lässt Beteiligte zu Wort kommen.

Objektiv betrachtet wirkt "Junun" in seiner Machart, vor allem auch dank der oft grobkörnigen und mit wackeliger Handkamera gefilmten Aufnahmen, wie eine Arthouse-Dokumentation. Viel mehr will der Film auch nicht sein. Regisseur Anderson kommentiert nicht und stellt keine Fragen. Allerdings braucht "Junun" auch keinen Erzähler, denn die Künstler selbst sind interessant genug und so voller Schaffenskraft, sodass der Zuschauer selbst nicht mehr als ein Beobachter sein möchte. Anderson lässt seine Aufnahmen sprechen.

In diesem Film, und das dürfte nicht jedem Zuschauer schmecken, gibt es so gut wie keinen Dialog, obwohl die Kamera nahezu jeden Musiker der großen Truppe erforscht, beobachtet und mit der beeindruckenden Soundkulisse betont, wie wichtig ein Jeder mit seinem einzigartigen Sound oder der eigenen Stimme für das Gesamtprojekt ist. Ein Mosaiksteinchen in einem fast epischen Musikprojekt.

Johnny Greenwood hält sich dabei eher im Hintergrund. Oft sieht man ihm zu, wie er still in einer Ecke sitzt und seiner Gitarre melancholische Töne entlockt, während der israelische Shye Ben Tzur den Aufnahmeprozess überwacht und die vielen Soundquellen koordiniert. Paul Thomas Anderson zeigt dabei, wie herausfordernd es gewesen sein muss, all die Individualisten mit ihren selbst gestimmten oder sogar selbst gebauten Instrumenten so zu dirigieren, dass das Ergebnis am Ende harmonisch wirkt. Zumal die ganze Crew mit ständigen Stromausfällen zu kämpfen hatte. Die gute Laune ließ sich dabei jedoch niemand verderben, all die begabten Musiker sind jede Minute mit so viel Herzblut dabei, dass die Lebensfreude regelrecht auf den Zuschauer überfließt.

Die Musik an sich ist dabei sehr experimentell, indisch traditionell, fast schon progressiv und mit Anklängen aus dem Ambientbereich. Schon die Spätwerke von Radiohead waren nicht gerade leicht verdaulich. Wer mit dieser Art von Musik nicht klar kommt, den dürfte "Junun" nicht nur schnell ermüden, nein der „Genuss“ der Kompositionen könnte nahezu anstrengend, wenn nicht gar unerträglich ausfallen. Denn Musik löst eben Emotionen aus, wenn sie sich in die Gehörgänge gräbt. Oder sie lässt einen kalt. Wie bereits erwähnt besteht die Dokumentation zu 80% aus einer Geräuschkulisse, das Resultat unterschiedlicher Musiker. Es gibt kaum Hintergrundinformationen und man verspürt dann doch des Öfteren den Wunsch, noch mehr von den Menschen und der Stadt Rajasthan zu erfahren. Den Wunsch, einmal aus dem Tempel auszubrechen und sich die Region anzuschauen.

Was nicht unerwähnt bleiben sollte, ist die Tatsache, dass es sich bei dem nur 54 Minuten dauernden Film um Andersons erstes Werk handelt, das ausschließlich im Internet und nicht im Kino zu sehen sein wird. Vorerst wird "Junun" nur auf der Online-Streaming-Plattform MUBI zu sehen sein. Anderson selbst bezeichnete diesen Umstand zwar als kurios, fühlt sich aktuell jedoch sehr wohl damit. Denn schließlich steht in seinem Werk auch nicht der Regisseur im Mittelpunkt, sondern die Künstler vor der Kamera.

Fazit

"Junun" ist Paul Thomas Andersons erste Dokumentation, die er ganz ohne Schnörkel mit Handkamera filmte. Der Kultregisseur nimmt den Zuschauer mit auf eine spirituelle Reise durch den oft komplizierten, aber auch kreativen Entstehungsprozess eines ambitionierten Musikprojekts. Ob dieses Klangerlebnis letztendlich inspirierend auf den Zuschauer wirkt oder doch eher enervierend - das entscheidet wohl der eigene Musikgeschmack.

Kritik: André Schiemer

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