Inhalt
Bruno Hamel (Claude Legault) führt ein Leben, wie es sich selbst der kreativste Drehbuchautor einer amerikanischen Daily Soap nicht besser erträumen könnte. Er ist erfolgreicher Arzt mit hübscher Frau (Fanny Mallette), süßer Tochter (Rose-Marie Coallier) und tollem Haus, hat keine finanziellen oder beziehungstechnischen Probleme und kann sich schon einmal am Nachmittag, nach vollbrachter Nachtschicht und Schönheitsschlaf, ein Bierchen im ansonsten leerstehenden Eigenheim gönnen. Doch mit Ruhe und Familienglück ist es schnell vorbei, als die achtjährige Tochter von dem Triebtäter Anthony Lemaire (Martin Dubreuil) vergewaltigt und ermordet wird. Der Killer ist schnell ausgeforscht und steuert auch auf eine rasche Verurteilung zu. Für Bruno Hamel ist das jedoch nicht genug. Perfide geplant entführt er den Täter aus dem Polizeigewahrsam und teilt seiner Frau und den ermittelnden Beamten mit, dass er sein Opfer sieben Tage lang – bis zum neunten Geburtstag seiner Tochter – foltern und am letzten Tag töten wird. Für Anthony Lemaire, Hamels Frau und nicht zuletzt für den Arzt selbst, beginnt ein beispielloses körperliches wie seelisches Martyrium, welches unaufhaltsam seinem Höhepunkt entgegenstrebt.
Kritik
T minus sieben Tage
Der Begriff Tortureporn ist spätestens seit dem weltweiten Erfolg des zweiten Ablegers der „Saw“-Reihe, beziehungsweise dem ersten Teil von Eli Roth Folterspektakel „Hostel“, in aller Munde. Im Fokus der öffentlichen Aufregung stehen dabei Filme in denen ausgedehnte Folterszenen in den Mittelpunkt der Handlung rücken und somit einen Großteil des Kaufreizes ausmachen. Ob zur Unterhaltung und gleichzeitigen Unterdrückung degenerierter Massen, zur abartigen Lustbefriedigung von einigen wenigen Superreichen, zu Erziehungszwecken oder einfach aus Rache. Die grundlegenden Motive für zelebrierte Folter in (Hollywood-)Vertretern dieses Subgenres unterscheiden sich durchaus. Das Endergebnis ist jedoch immer dasselbe: Großformatige Aufnahmen geschundener Körper und gebrochener Individuen, kathartische Gewaltausbrüche, sexualisierter Körperhorror und zu Unterhaltungszwecken übersteigerte Grausamkeiten. Neben eher gewaltverherrlichenden Projekten wie besagter Jigsaw-Serie, gibt es jedoch auch immer wieder Filme, die die Themen Folter und Rache differenzierter behandeln und den Schwerpunkt eher auf psychologischen Terror legen. Neben David Slades äußerst sehenswertem Beitrag „Hard Candy“, sind es vor allem Produktionen aus dem Land der Cornichons und Baguettes, wie „High Tension“ oder eben „7 Days“ von Daniel Grou, die sich mit diesem diffizilem Thema auf nihilistische, realistische und unangenehm intensive Art und Weise auseinander setzen.
Wenn die BluRay von „7 Days“ (OT: „Les 7 jours du talion“) am Programm steht, sollte man sich wohl eher nicht auf der Suche nach einem Streifen mit Unterhaltungswert, zur Entspannung nach einem langen Arbeitstag, befinden. Der französische Thriller aus dem Jahr 2010 ist mit Sicherheit einer der unangenehmsten und psychologisch härtesten Filme, die in letzter Zeit auf den deutschen Heimkinomarkt geschwemmt wurden. Basierend auf dem Roman „Les sept jours du talion“ von Patrick Senécal, aus dessen Feder auch die Vorlage für den fantastischen Independent-Thriller „Evil Words“ entstanden ist, inszeniert Regisseur Daniel Grou einen Film, der im besten Sinne des Wortes schwer verdaulich und unterhaltungsarm ist.
Keinerlei Katharsis anbietend und unangenehm kühl inszeniert, schleppt sich die Handlung von „7 Days“ ohne viele Dialogszenen, in blaustichig, unterkühlt wirkenden Bildern, 105 Minuten lang dahin, ohne eine wirkliche Identifikationsfigur zu präsentieren. Der Vergewaltiger und Mörder Lemaire ist dafür nämlich ebenso wenig geeignet wie Bruno Hamel, der mit zunehmender Laufzeit zwar an seinen eigenen Methoden zu zweifeln und zu zerbrechen beginnt, aber in einer Härte und Konsequenz foltert, dass in jedem normalgearteten Zuschauer lediglich Abscheu und teilweise sogar Mitleid (sowohl mit Täter als auch Opfer) hervorgerufen wird. Die unangenehm intensive, aber nie hollywoodmäßig überzeichnete, sondern eher unaufgeregt wirkende Atmosphäre fordert dem Zuschauer einiges an Durchhaltevermögen ab. Das gilt umso mehr, da die wenigen gezeigten Folterszenen an Brutalität und Gefühlskälte nahezu nicht zu überbieten sind. Zwar bleiben dem geneigten Betrachter etliche Gewaltspitzen erspart, damit auch die individuelle Vorstellungskraft gefordert wird, aber es bleiben noch genügend intensive Szenen übrig, um die meisten amerikanischen Mainstream-Projekte wie Beiträge aus dem Nachmittagsprogramm wirken zu lassen.
„7 Days“ ist kein Folterporno im klassischen Sinn, sondern ein Streifen, der an die Substanz geht, menschliche Abgründe offenbart und das tödliche Gift der Rache augenscheinlich macht. Vor allem dank des intensiven Schauspiels der fantastischen Darsteller, allen voran Claude Legault als gebrochener, langsam verrückt werdender Familienvater, kann der französische Thriller seine ganze psychologische Brutalität entfalten. Wenn Bruno Hamel seinem Hassobjekt wortlos mit einem Hammer das Knie zertrümmert, nur um ihn danach mit einer Schlinge um den Hals um sein Leben humpeln zu lassen, aber nur wenig später via Telefongespräch um das Verständnis seiner Frau und der Polizei buhlt, ist das feinstes Psychoterrorkino, das jedoch die Fähigkeit zwischen den Zeilen lesen zu können voraussetzt. Die einzige Möglichkeit etwas über das Innenleben der Figur des Bruno Hamel zu erfahren, ist beispielsweise die Metapher rund um ein immer wieder auftauchendes totes Reh, das ihn ganz offensichtlich an seine kürzlich verstorbene Tochter erinnert, zu erkennen. Gefühlsleben und Motivation der restlichen Figuren bleibt noch weiter im Dunkeln.
Abgesehen von der belastend negativen Grundstimmung und der unangenehm nihilistischen Atmosphäre, sind vor allem das Fehlen einer Identifikationsfigur und die dargebotene Gefühlskälte ein belastender Faktor. Besonders in den letzten knapp 50 Minuten die nahezu ausschließlich aus Folter und Waldspaziergängen zu bestehen scheinen, ertappt man sich als Zuschauer immer öfter bei der Frage, warum man sich so eine seelische Belastung überhaupt antut. Trotz dieses leichten Anflugs von Kritik weiß der Film durchwegs zu überzeugen und entlässt den Zuschauer mit einem tollen Schlusspunkt nachdenklich in die Realität. Immerhin etwas, das heutzutage nur mehr die wenigsten Filme bewirken können.
Fazit
„7 Days“ ist ein unangenehmer und äußerst brutaler Film, der mit Folterpornos wie „Saw“ oder „Hostel“ in etwa so viel gemein hat, wie „Independence Day“ mit „2001: A Space Odyssey“. Regisseur Daniel Grou inszeniert den Film in düsteren Farben und mit einem beschränkten Cast, ohne mit zu vielen Dialogen die nihilistische Grundstimmung zu zerstören. Die Gewaltspirale dreht sich unaufhaltsam bis sogar der abgestumpfteste Zuschauer dem Opfer ein Ende seiner Torturen und sich selbst ein Ende des verstörenden Films wünscht. Ein im besten Sinne des Wortes schwer verdaulicher Film.
Autor: Christoph Uitz