Es ist schon erstaunlich, wie wenig man als Durchschnitts Deutscher so über die Geschichte Südamerikas weiß. Große Themen der Geschichte Europas, wie etwa der 100 jährige Krieg, die Ära Napoleons, die französische Revolution, das Reich Karls des Großen und viele weitere dürften den Meisten zumindest ein Begriff sein, von den Ereignissen des 20. Jahrhunderts gar nicht erst zu sprechen, doch wirft man mal einen Blick über den Tellerrand, so ist man mit seinem Latein sprichwörtlich schnell am Ende.
Es wirkt daher umso erstaunlicher, dass eine so schillernde Figur, wie die von Simón Bolívar, erst vor geraumer Zeit ihre international anerkannte Würdigung auf der großen Leinwand bekommen hat.
Mit einem Budget von über 50 Millionen Dollar zeichnet der venezolanische Regisseur Alberto Arvelo ein bildgewaltiges Epos, dass sich im Kern um die Figur Bolivars dreht, jedoch als Gesamtkunstwerk für den immer noch währenden Kampf für Gleichheit und Freiheit steht, der bis heute in manchen Teilen der Welt tobt.
Édgar Ramírez, der in der Vergangenheit bereits für einen Golden Globe und einen Emmy nominiert wurde, schlüpft in die Rolle des großen Befreiers und liefert dabei eine ganz fantastische Show ab. Zwar mag man dem Film ankreiden, dass er zuweilen die Pathos Schiene zu stark abnutzt, aber wenn ein Mel Gibson auf diese Art 5 Oscars einfahren kann, über deren Vergabe man durchaus streiten kann, dann wird ein historisch ansonsten akkurater Film durchaus ein bisschen Pathos vertragen dürfen.
Überhaupt wirkt das gesamte Werk einfach epochal, was nicht zuletzt an dem Budget und dem damit verbundenem Spektrum an Schauwerten im Bereich Kostümen, Statisten und Locations liegt.
Gerade letztere sind oft tragender Handlungspunkt der Geschichte, so kommt es für die Armee Bolivars etwa zu einem schier unüberwindbaren Hindernis in der Form der Anden, der längsten und zweithöchsten Gebirgskette der Welt. Was folgt sind Szenen, die Hannibal auf seinen Elefanten vor Neid erblassen lassen hätte.
Um die Geschichte akkurat wiederzugeben scheut Arvelo auch nicht davor, die dunklen Seiten des Unabhängigkeitskampfes zu bebildern, denn vor allem die Zivilbevölkerung musste bittere Verluste beklagen. Der Regisseur schafft es jedoch zu jeder Sekunde dem Zuschauer zu vermitteln, warum die Figuren so handeln und warum diese Opfer nötig sind, um am Ende das höchste Gute auf Erden, die Freiheit, zu erlangen.
Die größte Schwachstelle des Films ist am Ende jedoch seine Länge, denn in nur 120 Minuten dürfte es den meisten Drehbuchautoren schwer fallen, eine Geschichte von solchem Ausmaß auf die Leinwand zu bringen. Dies führt dazu, dass gerade das letzte Drittel etwas überhastet daher kommt, so als wäre in mitten der Produktion das Geld knapp geworden, was zur Streichung diverser Szenen führte.
Auch sollte man sich im Vorfeld unbedingt das in der Blu Ray beigelegte Booklet durchlesen, dass auf 12 Seiten die historischen Ereignisse kurz zusammen fasst, denn als Laie stößt man im Film selbst leider auf zu wenig Exposition, um dem Geschehen auf der Leinwand zu hundert Prozent folgen zu können.
Mit etwas mehr Laufzeit hätte hier durchaus ein sehr guter Film entstehen können, so fehlt leider am Ende der letzte Funken, um der Geschichte genügend Luft zum Atmen zu geben.
Was bleibt sind 2 Stunden gute und vor allem lehrreiche Unterhaltung, die definitiv das Interesse an der tatsächlichen Geschichte wecken, womit Arvelo seine Aufgabe wohl erfüllt haben dürfte.