Inhalt
Vier junge Frauen im Amerika Mitte des 19. Jahrhunderts, die ihr Leben selbstbestimmt gestalten wollen und dabei teils große gesellschaftliche Hindernisse überwinden: LITTLE WOMEN folgt den unterschiedlichen Lebenswegen der March-Schwestern Jo (Saoirse Ronan), Meg (Emma Watson), Amy (Florence Pugh) und Beth (Eliza Scanlen) zu einer Zeit, in der die Möglichkeiten für Frauen begrenzt waren. Erzählt aus der Perspektive von Jo March, dem Alter Ego von Autorin Louisa May Alcott, und sowohl basierend auf dem Roman wie auch auf den persönlichen Schriften Alcotts.
Kritik
Greta Gerwigs (Barbie) zweite Regiearbeit ist nicht nur brillant besetzt, sondern kongenial in ihrer Verflechtung von Louisa May Alcotts Jugendjahren mit dem davon inspirierten Romanklassiker. Dessen Titel ist einer diverser diskreter Verweise auf die untergeordnete Geschlechterrolle und damit verbundenen Einschränkungen, welche die Entscheidungen der jungen Heldinnen genauso prägen wie einst die dramaturgischen Konzepte ihrer literarischen Schöpferin. Sie ist indirekt präsent in Person ihres Alter Egos Jo (Saoirse Ronan, The Seagull), die den Plot zugleich erlebt und ironisch dekonstruiert.
Obwohl die aspirierende Schriftstellerin Jo von den in Zielsetzung und Temperament grundverschiedenen Töchtern der engagierten Mrs. March (Laura Dern, Jurassic World 3) die präsenteste ist, liegt der Fokus auf der Schwesterngemeinschaft. Die Werdegänge Jos, der Zeichnerin Amy (Florence Pugh, Black Widow), der schauspielbegeisterten Meg (Emma Watson, Beauty and the Beast) und musikalischen Beth (Eliza Scanlen, The Devil All The Time) zeigen die kargen Perspektiven, die Mädchen aus bescheidenen Verhältnissen blieben. Doch was die angestaubte Buchvorlage noch als respektable Optionen beschönigte, unterminiert die Inszenierung mittels sarkastischer Untertöne und ambivalenter Atmosphäre.
So relativiert Gerwigs Farbdramaturgie und chronologische Strukturierung die kindliche Unbeschwertheit des Schwesternquartetts als bittersüße Verklärung einer erwachsenen Jo. Moralismus und Sentimentalität rechtfertigt eine clevere Rahmenhandlung faktentreu als von Männern oktroyierte narrative Konvention, die Alcott hinnahm, um als Frau überhaupt publizieren zu können. Statt ihrer selbst opfert(e) sie ihr Alter Ego einem „Happy" End, das Gerwig satirisch unterminiert. Dergleichen gewitzte Korrektive sind eine hintersinnige Hommage an eine Schriftstellerin, deren realer Erfolg die fiktionale Domestizierung transzendiert.
Fazit
Klassik und Postmoderne versöhnt Greta Gerwig in einem Coming-of-Age-Werk voller Warmherzigkeit, Humor und leiser Tragik. Der filmische Roman à clef erschließt sich mittels des im Mainstreamkino lange ignorierten Motivs weiblichen Zusammenhalts gleichsam Alcotts Biografie. Zweite ist Stichwortgeber einer unspektakulären Story, deren Reiz in fabelhaften Darstellerinnen, Figurendynamik und Alltagsauthentizität liegt. Gerade dank Brüchen mit der angestaubten Vorlage erlangt die erfrischende Interpretation Zeitaktualität und wird paradoxerweise der Romanautorin gerechter als vollkommene Werktreue es könnte.
Autor: Lida Bach