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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Deutschland nach dem Krieg: Lore (Saskia Rosendahl) ist mit 15 Jahren für sich und ihre vier jüngeren Geschwister verantwortlich, da ihre Eltern (Ursina Lardi und Hans-Jochen Wagner) als ranghohe Nationalsozialisten festgenommen wurden. Gemeinsam stehen die Kinder vor der schweren Aufgabe, sich nach der Kapitulation Deutschlands quer durch das vom Krieg zerstörte Land zu schlagen, um an die nördliche Küste zum sicheren Hof der Großmutter zu gelangen. Doch der Weg durch die Zonen der Alliierten ist lang und gefahrenvoll und Kälte und Hunger machen das Vorankommen schwer für Lore und ihre Brüder und Schwestern. Als sie zwischendurch auf den jüdischen Flüchtling Thomas (Kai Malina) treffen und Lore ihre ersten amourösen Sehnsüchte verspürt, bekommt ihr einst so gefestigtes Weltbild immer mehr Risse.

Kritik

Deutsche Produktionen, die sich mit der schwierigen Zeit des Dritten Reichs  beschäftigen, scheinen nicht abzureißen. Letztes Jahr hatte der vielgelobte „Elser“ Premiere, dieses Jahr kommt eine Neuverfilmung des Tagebuchs der Anne Frank in die Kinos.

So gab es auch damals 2012 zur Kinopremiere von „Lore“ noch bevor der Vorhang sich lüftete viel Gemurmel im Saal. „Nicht noch so ein Film über die NS-Zeit“ hieß es da beispielsweise. Oder „gibt es nicht noch andere spannende Epochen?“

Dabei nimmt das im Nachkriegsdeutschland spielende Drama der australischen Regisseurin Cate Shortland ("Somersault") eine ganz neue Perspektive ein und beleuchtet ein Thema, dem sich in dieser Form noch kein Film angenommen hat: Die vom NS-Denken dogmatisieren Kinder, die nach dem Selbstmord des Führers und der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht vor einem Scherbenhaufen, der Stunde Null, stehen.

“Lore” stellt die Weichen gleich in den ersten Filmminuten und schmeißt den Zuschauer mitten ins Geschehen. Der Zweite Weltkrieg ist verloren und wir sehen einer scheinbar wohlhabenden Familie dabei zu, wie sie eilig Kleider, Porzellan und das Silberbesteck zusammenpacken und ihr Herrenhaus verlasssen um vor den heranrückenden Alliierten zu fliehen. Eine deutsche Bilderbuchfamilie so scheint es. Ein starkes Ehepaar, hübsche Kinder. Blond, kräftig und makellos.
Doch die Uniform des Familienvaters (Hans-Jochen Wagner) deutet an, er das Amt eines hochrangigen SS-Offiziers bekleidete. Die Mutter (Ursina Lardi) propagiert nach wie vor den Endsieg, verbrennt allerdings direkt vor dem Haus wichtige Dokumente, während ihr Mann den Familienhund erschießt.
Vom großen komfortablen Haus flüchtet die Familie nun auf einen einsamen Berghof im Schwarzwald, um sich bei Bauern zu verstecken. Als sich letztendlich doch beide Eltern, der Warterei überdrüssig, dazu entscheiden sich ihrer Verantwortung zu stellen und sich in amerikanische Haft begeben, sind die Kinder auf sich allein gestellt. Das trifft vor allem die 15jährige Lore (Saskia Rosendahl) hart, wurde ihr der Führer als unsterblich verkauft und die Überlegenheit der Deutschen Rasse regelrecht eingeimpft. Nun muss sie sich einer unbequemen Wahrheit stellen: Der Führer hat sich umgebracht, der Krieg ist verloren und die Eltern möglicherweise inhaftiert. Die letzte Hoffnung scheint die Großmutter zu sein, die allerdings 900 Kilometer entfernt an der Nordsee wohnt.

Regisseurin Shortland hat ein unglaubliches Gespür für kleine Details und schafft dabei eindrucksvolle Bilder, die sie gerne mit einer wackeligen Handkamera inszeniert. Im Vergleich zu vielen Actionfilmen wirkt das aber weder hektisch noch anstrengend, sondern hat einen oft sehr dokumentarischen Stil und schafft einen gewissen Realismus. Demgegenüber stehen viele tolle fast schon romantische Panorama Aufnahmen eines ländlichen, aber trotzdem vom Krieg stark in Mitleidenschaft gezogenen Deutschlands. Vor allem die Naturaufnahmen sind toll gelungen. Nebel steigt über den Wiesen auf, Grashalme biegen sich im Wind, Regen durchweicht Kleider und macht den Boden zu Matsch. Dem stets behüteten Familienleben und dem dekadenten Herrenhaus stellt Shortland nun die raue dreckige Natur gegenüber und nicht wie sonst gewohnt das farblose Grau vom Krieg zerstörter Städte.

Oft braucht es auch gar keine langen Dialoge, denn es reichen die Gefühlsregungen der Protagonisten. Gesichtszüge, die meist in Nahaufnahme eingefangen werden. Denn Shortland geht es nicht um das Nachkriegsdeutschland als grausamer Schauplatz, sondern um ihre Charaktere und wie diese mit den äußeren Umständen zurecht kommen. Es ist schon ein brillianter Kniff, von Anfang bis Ende einer konsequenten Erzählperspektive aus der Sicht der Kinder treu zu bleiben . Toll, welches schauspielerische Talent die Regisseurin bei den unbekannten deutschen Jungdarstellern hier zutage fördern konnte. Denn den Darstellern ist zu verdanken, dass der Zuschauer die Torturen regelrecht nachfühlen kann.

Im Mittelpunkt steht ganz klar Lore, die sich nicht nur kritisch mit ihrem Weltbild und falschen Wertevorstellungen auseinander setzen muss, sondern auch mit einem sexuellen Erwachen. Shortland zeigt das ganz gekonnt in einer Szene, in die Kinder auf ihrer Wanderschaft Thomas (Kai Malina) treffen. Dieser verfolgt die Kinder, umkreist sie oft wie ein Tier. Als diese sich jedoch in einer brenzligen Situation befinden, schreitet er ein und gibt sich als KZ-Flüchtling aus. Fortan schließt er sich Lore und ihren Geschwistern an und hilft ihnen. Einerseits fühl sich Lore von seiner Attraktivität und seinem Mut angezogen, andererseits will sie – wie sie sagt – mit einem „dreckigen Juden“ nichts zu tun haben.  Zwischen den beiden herrscht immer eine starke unterschwellige Spannung und der Zuschauer kann sich nie sicher sein, dass ob sie sich tatsächlich um den Hals fallen oder sich nicht doch den Hals umdrehen.  Shortland inszeniert das komplizierte Verhältnis zwischen Lore und Thomas sehr nüchtern, für Romantik oder echte Gefühle ist wenig Platz.
Apropos Gefühle. Der Starke Fokus auf Lore hat zum Nachteil, dass ihrjüngeren Geschwister in vielen Szenen etwas zu Randfiguren degradiert werden, so dass es schwer fällt wirklich berührt zu sein, wenn das Leben der Kinder bedroht ist. Hier schleichen sich vor allem im letzten Drittel dann doch ein paar dramaturgische Schwächen ein.

Auf plakative Action verzichtet Shortland glücklicherweise. Jedoch gibt es eine Szene, die ihre Wirkung zwar nicht verfehlt, jedoch etwas fehl am Platze wirkt. Wie ein Klischee, das unbedingt noch in den Film eingestreut werden musste. Jedoch kann man Shortland keinen Vorwurf machen, hält sie sich doch eng an den 2001 veröffentlichten Roman "Die dunkle Kammer", der als Vorlage für den Film diente und wiederum auf wahren Erlebnissen beruht.

Ansonsten ist der Film sehr ruhig und subtil erzählt und regt zum Nachdenken an. Der moralische Zeigefinger wird am Ende zwar etwas zu penetrant erhoben, trotzdem ist “Lore” als Film somit auch eine kleine Lehrstunde. Gerade in der heutigen Zeit gibt es viele Menschen, die zu selten kritisch hinterfragen und sich in einem Nebel voll Propaganda verlieren. Oder zu allem ja und amen sagen, was möglicherweise die eigene Regierung beschließt. Doch was ist, wenn alles, an das wir geglaubt haben, für das wir gekämpft haben sich plötzlich als Lüge entpuppt?

Der Zusammenbruch von Lores heiler Welt nimmt ihren Lauf, als sie Fotos des Holocaust entdeckt, die die Amerikaner überall verteilen. Auf schwarz-weiß Bildern stapeln sich ausgemergelte Leichen. „Fälschungen und Propaganda“ schimpfen die Leute die sich neben Lore drängeln. Auch Lore kann kaum glauben, dass unschuldigen Menschen solch eine Grausamkeit angetan werden kann. Doch irgendeine Stimme tief in ihr sagt, dass ihr Vater irgendwie in diese Sache verwickelt war und nun eine neue Zeitrechnung fürsich und ihre verbliebene Familie beginnt.

Fazit

In der internationalen Co-Produktion "Lore" erzählt die Regisseurin Cate Shortland die düstere Coming-of Age-Geschichte  der 15-jährigen Lore, Kind einer Nazi-Familie, die sich zum Ende des Zweiten Weltkriegs unter höchster Lebensgefahr mit ihren vier Geschwistern quer durch Deutschland schlagen muss.

Ruhig und nüchtern inszeniert, beeindruckt das Nachkriegsdrama durch atmosphärische Bilder und eine erstaunliche schauspielerische Leistung der Jungdarsteller, allen voran brilliert die damals 18jährige Saskia Rosendahl. Ein schwieriger, ungeschönter, aber dennoch sehr berührender Film.

"Lore" gewann den Deutschen Filmpreis 2013 (Bronze) als "Bester Spielfilm".

Kritik: André Schiemer

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