Inhalt
Mit Romanen wie „Zwei Fremde im Zug“ und „Der talentierte Mr. Ripley“ erschafft Patricia Highsmith Weltliteratur. Die Verfilmungen erreichen ein riesiges Publikum. Ihr Privatleben hält die Meisterin des psychologischen Thrillers derweil zeitlebens vor der Öffentlichkeit verborgen. Dass sie lesbisch ist, weiß nicht einmal ihre Familie in Texas. Ihren lesbischen Liebesroman „Carol“ kann sie 1952 nur unter Pseudonym herausbringen. Über ihr eigenes, bewegtes Liebesleben schreibt sie in ihren Tage- und Notizbüchern. Diese werden erst nach ihrem Tod in einem Wäscheschrank in ihrem Haus im Schweizer Tessin entdeckt. Auf Basis dieser Aufzeichnungen, die im Herbst 2021 zum 100. Geburtstag der Autorin zum ersten Mal veröffentlicht wurden, erzählt Regisseurin Eva Vitija von Highsmiths Lieben und Leidenschaften. Es werden Passagen aus ihren Büchern vorgelesen, Interviews mit früheren Freundinnen und Highsmiths Familie sowie Szenen aus den weltberühmten Verfilmungen ihrer Romane gezeigt.
Kritik
Die Dokumentation über Patricia Highsmith (Der talentierte Mr. Ripley) lässt den Zuschauer mit gemischten Gefühlen zurück. Einerseits ist man erfreut darüber, so viel über das Privatleben der berühmten und talentierten Schriftstellerin zu erfahren, doch anderseits ist man von dem voyeuristischen Charakter der Dokumentation abgeschreckt. Man spürt, dass man sich etwas ansieht, was Patricia Highsmith nie in dieser Form autorisiert hätte. Dieses permanente Zurschaustellen ihrer persönlichen intimen Gedanken und die Reduzierung dieser bemerkenswerten Künstlerin auf ihre Sexualität lassen einen erschaudern. Während des Betrachtens fühlt man sich, als würde man heimlich ein Tagebuch eines Menschen lesen, der es einem verboten hat. Paradoxerweise wird in der Doku tatsächlich problematisiert, dass Patricia Highsmith Angst davor hatte, dass jemand ihre Tagebücher lesen würde. Sie hat sich nie offiziell als lesbisch geoutet und hielt ihr Privatleben vor der Öffentlichkeit geheim. Offenbar setzt man sich mit dieser Dokumentation über den Willen der Schriftstellerin hinweg, ihr Privatleben zu schützen und instrumentalisiert sie gnadenlos als eine Symbolfigur der lesbischen Frauen.
So spricht die Regisseurin Eva Vitija-Scheidegger (Das Fräulein) über die Doku: „Loving Highsmith“ soll deshalb auch ein Plädoyer für die Frauen von Highsmiths Generation sein, die für ihr Recht kämpften, ihre wahre Identität und Liebe zu leben. Das Leben und Werk der unvergleichlichen Highsmith gibt den lesbischen Frauen damit ein ganz neues Gesicht.“ Vermutlich ist diese in einem Interview offen gelebte Intention der Regisseurin genau das Problem der Dokumentation. Wenn man eine Dokumentation über das Leben eines Individuums dreht, kann man diesen Menschen nicht nur als ein Instrument für die höheren Zwecke missbrauchen. Es ist lobenswert und wichtig sich für die Rechte der Homosexuellen einzusetzen, aber es ist nicht richtig, die Sexualität über alle Eigenarten und Erfolge des Menschen zu stellen. Patricia Highsmith war viel mehr als nur eine lesbische Frau. Sie war eine talentierte und begabte Künstlerin, die es sicherlich nicht verdient hat, dass man sie nur auf ihr Liebesleben reduziert. Zwar erzählt man mit Loving Highsmith auch die Geschichte ihrer Bücher, doch auch hier beleuchtet man viel zu intensiv das Buch „Carol“ in dem es um eine lesbische Beziehung geht. Immer wieder zeigt man Ausschnitte aus dem Film Carol und lässt die verflossenen Liebschaften von Patricia Highsmith zu Wort kommen. Für jeden einzelnen Menschen wäre es vermutlich ein Alptraum, wenn sich die verflossenen geheimen Liebschaften in einer Doku über einen äußern würden. Aber Patricia Highsmith kann sich leider nicht mehr dagegen wehren, denn sie ist nicht mehr am Leben.
Schon zu Lebzeiten musste Highsmith teilweise sehr forsche und direkte Fragen in Interviews über sich ergehen lassen, die sie sichtlich unangenehm fand und dennoch alle höflich beantwortete. Es ist herzzerreißend zu sehen, wie fragil, einsam, zerbrechlich und traurig sie wirkte, als sie sich ganz allein den viel zu persönlichen Fragen der Journalisten stellte, die sie offensichtlich nur vorführen wollten. Wieso stellt man einem Menschen, der offensichtlich kurz davor steht zu weinen folgende Frage: „Sind sie glücklich?“ Als hätten die Journalisten sie nur bloßstellen wollen. Die Macher der Doku sind sich vielleicht dessen gar nicht bewusst, aber mit diesem Film stellen sie diese verletzliche Person genauso bloß, wie alle anderen, die nur besessen von der Sensationslust waren. Diese Doku wurde nicht als Andenken an Patricia Highsmith gedreht, sondern als Mittel zum Zweck, weil man der Meinung war, dass ein Film über eine lesbische Frau gerade zu richtigen Zeit kommt und den erwünschten Erfolg bringt.
„Schreiben ist ein Ersatz für das Leben, das ich nicht leben kann, das mit verwehrt ist.“ Sicherlich hat das Verstecken ihrer Sexualität ihr Leben belastet, aber sie traf bewusst diese Entscheidung diesen Bereich ihres Lebens geheim zu halten und diese Dokumentation gleicht einem Zwangsouting. Außerdem fehlt dieser Doku ein roter Faden, vielmehr wirkt das Ganze wie Aneinanderreihen von Ausschnitten aus ihrem Leben, aus den Filmen, die auf ihren Büchern basieren und aus den Interviews. Teilweise schneidet man Reenactments von Rodeos rein, oder andere Szenen, die zwar zum Erzählten passen, doch trotzdem wie Lückenfüller wirken, und zwar so offensichtlich, dass man es einfach nicht ignorieren kann. Trotz allen Schwächen handelt es sich um eine informative Dokumentation über eine begabte Künstlerin, die das Leben in vollen Zügen ausgekostet hat, aber nie ihr privates Glück fand.
Fazit
„Loving Highsmith“ ist einerseits eine informative Dokumentation über die berühmte Schriftstellerin Patricia Highsmith und anderseits ein Mittel zum Zweck der Instrumentalisierung eines Individuums als „Gesicht der lesbischen Frauen“, mit der dahingehenden Reduzierung der begabten Künstlerin auf ihre Sexualität.
Autor: Yuliya Mieland