Am Anfang bedient sich der Regisseur der Found Footage Technik samt verwackelter Kameraführung. Als Erklärung hierfür dient die Tatsache, dass Erika (Camille Felton) einen Film für die Filmhochschule dreht und vermutlich selbst hinter den Aufnahmen steckt. Die Figur der Erika wirkt wie eine Karikatur einer glaubwürdigen Figur. Es ist offensichtlich, was der Regisseur mit dieser Figur erreichen wollte, nämlich die Kritik an der Generation Instagram, aber mit dieser Intention schießt er weit übers Ziel hinaus. Er lässt Erika viele Anglizismen verwenden, um die Jugend von heute auf die Schippe zu nehmen (der Film ist im Original auf Französisch). Es wirkt im Gesamtergebnis jedoch zu unecht, zu gekünstelt und zu unglaubhaft. Um es passenderweise mit Anglizismen auszudrücken, könnte man Erikas Darbietung mit „too much“ und „overacting“ beschreiben.
Während Camille Felton in ihrem Schauspiel zu sehr übertreibt, könnte die Hauptfigur Matthias, gespielt von Gabriel D'Almeida Freitas, ruhig eine Schippe drauflegen. D'Almeida Freitas wirkt während des ganzen Films hölzern und spielt sich nur von einer Szene zu nächsten, ohne die wahre Intention seiner Figur im Blick zu behalten. Als hätte ihm jemand gesagt, dass er in dieser Szene traurig dreinblicken sollte, ohne, dass der Schauspieler es überhaupt verinnerlicht hat, wieso er traurig aussehen sollte. In den meisten Szenen sieht er nachdenklich aus, wobei man als Zuschauer völlig im Dunkeln gelassen wird, worüber er gerade nachdenkt.
Der einzige Wink, den man erhält, ist, dass Matthias und Maxime sich zuvor für Erikas Film küssen sollten. Dieser Kuss wird dem Zuschauer gar nicht gezeigt. Es wird direkt vor dem Kuss ausgeblendet. Danach folgen sehr viele nachdenkliche Szenen mit Matthias. Aber weder verstohlene Blicke Richtung Maxime, noch sonst irgendetwas. Die beiden Protagonisten sehen sich eigentlich gar nicht und ihre Beziehung zueinander wird auch nicht richtig dargestellt. Man ahnt, dass sie Freunde sind, weil sie am Anfang des Films mit ihrer Clique zusammen „abhängen“, aber man merkt überhaupt nicht, dass mehr dahintersteckt, weil man eben ihre Vorgeschichte nicht kennt. Matthias wirkt nicht nur in seiner Clique, sondern im gesamten Film als Fremdkörper und ist äußerst unsympathisch.
Man merkt übrigens den beiden Hauptfiguren überhaupt nicht an, dass sie Zuneigung füreinander empfinden. Maxime (Xavier Dolan, Es - Kapitel 2) scheint auch nur sein Leben zu führen und Vorkehrungen für seine baldige Abreise nach Australien zu treffen. Er spielt seine Rolle als verantwortungsvoller Sohn für eine drogensüchtige Mutter sehr glaubhaft. Was jedoch seine Beziehung zu Matthias angeht, sie ist einfach nicht existent. Die Auflösung kommt erst, nachdem sich die Handlung zäh über eineinhalb Stunden gezogen hatte. Nach einem Streit kommt es schließlich zu einer Kussszene zwischen den Protagonisten, die wie aus dem nichts zu kommen scheint.
Als Zuschauer hätte man sich irgendeine vorherige Entwicklung, zumindest eine Andeutung in diese Richtung gewünscht. Doch Matthias & Maxime tut dem Zuschauer nicht diesen Gefallen. Der Film schleppt sich mühevoll bis zu der Auflösung und gleicht eher einer Parade nachdenklicher, aber völlig inhaltsleerer Close-ups von Matthias, die irgendwann mal ohne jegliche Vorwarnung in eine Kussszene übergehen. Eine Kussszene vermag jedoch nicht die fehlende Darstellung der Intimität und Sympathie auszugleichen.
Hinter der kunstvollen Fassade bleiben die Gefühle leider völlig auf der Strecke. Im Film werden jedoch mehrere interessante Stilmittel verwendet, wie ein direkter Blick in die Kamera, das Filmen von außen durch das geöffnete Fenster in den Raum hinein und die Montageszenen im Zeitraffer. Auch der Schauspieler Harris Dickinson (Maleficent 2), der McAfee spielt, glänzt in seiner Rolle als überheblicher Anwalt. Er schafft es innerhalb kürzester Zeit, in der er auf der Leinwand erscheint, das Publikum für sich einzunehmen. Bemerkenswert ist auch, dass Xavier Dolan nicht nur Maxime spielte, sondern auch das Drehbuch schrieb, die Regie führte, den Film selbst geschnitten hatte und auch noch Produzent war. Das ist natürlich eine Leistung, die gewürdigt werden muss, die aber die Schwächen des Films nicht auszugleichen vermag.