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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Mit dem Namen Gustl Mollath verbindet sich einer der größten Justizskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte. Siebeneinhalb Jahre wurde Mollath unrechtmäßig in der geschlossenen Psychiatrie festgehalten. Er wurde für paranoid und gemeingefährlich erklärt, soll Autoreifen zerstochen, seine Frau angegriffen und wirre Vorwürfe über Schwarzgeldgeschäfte bei der Hypovereinsbank gemacht haben. Die Regisseurinnen Annika Blendl und Leonie Stade haben Gustl Mollath über die Jahre des Prozesses hinweg begleitet und ein intensives und differenziertes Porträt über einen Mann erschaffen, der bis heute für seine Gerechtigkeit und Rehabilitation kämpft. Im Laufe des Films kommen nicht nur Befürworter und Gegner von Mollath zu Wort, sondern auch sein ehemaliger Verteidiger und Anwalt Gerhard Strate, der durch das Wiederaufnahmeverfahren des Prozesses einen Freispruch für seinen Klienten erwirken konnte. Doch es sind immer noch viele Frage ungeklärt: Wie konnte es zu der siebeneinhalb Jahre andauernden unrechtmäßigen Unterbringung in der Psychiatrie kommen? Könnte das jedem von uns passieren? Welche Schuld trägt das Justizministerium? Und ist Mollath wirklich vollkommen unschuldig?

Kritik

Es wäre ihm wohl lieber gewesen, in der Anonymität des normalen Lebens geblieben zu sein. Der 1956 geborene Gustl Ferdinand Mollath hat sich nie versucht ins Licht der Öffentlichkeit zu stellen, zierte aber 2013 diverse Titelblätter namhafter Zeitungen. Wie kam es dazu? Die beiden Nachwuchsregisseurinnen Leonie Stade und Annika Blendl versuchen, dieser Frage auf den Grund zu gehen. Eine Sache ist gewiss: Das ist kein leichter Fall.

Stell dir vor du gehst auf eine Reise, du weißt nicht wo hin, nicht wie weit. Vielleicht verlässt du die Erde und landest auf einer fremden Welt, in der anders gesprochen, anders gedacht und anders gefühlt wird. Wenn du genug erlebt hast, kehrst du zurück. Die Eindrücke haben dich zu einem anderen Menschen gemacht. Du erzählst von Dingen, von denen die Anderen noch nie etwas gehört haben. Können sie dich überhaupt begreifen?“ Jemand erzählt dir eine schier unglaubliche Geschichte, besteht aber darauf, dass sie wahr ist. Die Geschichte ist so unglaublich und unwahrscheinlich, dass man am gesunden Menschenverstand des Erzählers zweifelt. So erging es Mollath, obwohl seine Geschichte von Schwarzgeldtransaktionen zwischen Deutschland und der Schweiz nicht gerade Science-Fiction sind. Doch was danach geschah scheint wie von einer anderen, nicht rechtsstaatlichen Welt.

Mollath saß sieben Jahre in verschiedenen forensischen Abteilungen. Dort werden psychisch kranke Straftäter inhaftiert, deren psychische Erkrankung eine Unterbringung in einem normalen Gefängnis nicht möglich macht. Sieben Jahre zwischen Menschen, die als allgemeingefährlich eingestuft und zum Schutze dieser Allgemeinheit weggesperrt werden. Doch im Deutschland des 21. Jahrhunderts darf niemand ohne hinreichenden Grund eingesperrt werden, dazu werden von verschiedenster Seite Gutachten erstellt, die ein Urteil reichtskräftig machen sollen.  Wie sich später rausstellen sollte, wurde hier aber unsauber gearbeitet. Jeder der mal ein Tape aufgenommen hat weiß, dass mit der Kopie von der Kopie von der Kopie die Qualität bis ins Unhörbare hinabsinkt. Im Fall Mollath war aber bereits das erste Gutachten von zweifelhafter Natur.

Der Film verrennt sich nicht in der unübersichtlichen wie widersprüchlichen Aktenlage des Falls. Vielmehr zeigt er Mollath selbst, seine teils fanatischen Anhänger, sowie seine Gegner, die in Form zweier Journalisten sich zu Worte melden und durchaus gehaltvolle wie kritische Fakten präsentieren. Da ist die Spiegel-Redakteurin Beate Lakotta, die Einblick in von Mollath gestellte Strafanzeigen bietet. Dass deren Form fast schon verharmlosend als „ungewöhnlich“ bezeichnet werden, wird schnell klar. Letztendlich bleiben mehr Fragen offen als beantwortet werden. In einem Fall, bei dem Aussage gegen Aussage gegen Aussage gegen Aussage stehen, aber auch nachvollziehbar. Der Fall Mollath ist ein wirres Konstrukt aus Anschuldigungen und Gegenanschuldigungen, bei dem selbst juristische und politische Instanzen scheinbar (zeitweise) den Überblick verloren.

Doch leider, so sehr sich die Macher der Dokumentation dies vielleicht auch wünschten, kann der Film kein neues Mosaikstück im Fall Mollath darstellen, vielmehr ist es ein aus der Vogelperspektive aufgenommenes Stück Zeitgeschichte, die die Zerrissenheit der einzelnen Lager deutlich macht. Die al Gegenseite fungierenden Journalisten bilden nur einen recht schwachen Ersatz zu den Leuten, um die sich die eigentlichen Vorwürfe ranken. Mollaths Ex-Frau sowie beteiligte Richter oder Gutachter kamen nicht zu Wort, denn dieses wurde oftmals von ihnen selbst verweigert. Wohingegen der Film neue Ufer zu erreichen versucht ist die persönliche Darstellung Mollaths, die ihn abseits von gerichtlichen Auseinandersetzungen als den Mensch Mollath zeigt. Doch auch hier darf nicht alles geglaubt werden, was man sieht, denn bei kritischer Beobachtung kann man den Vorwurf des Einstudierten durchaus im Raum stehen lassen. Doch auch Einstudiertes kann authentisch sein. Wenn Mollath Gutachter zitiert, die von sich selbst sagen 50 Prozent ihrer Gutachten seien falsch, und dies sei noch überdurchschnittlich gut, weiß man, dass Mollath nicht der Einzige ist, der unrechtmäßig in der Forensik sitzt/saß. Ist Mollath unschuldig? Das wissen nur er und seine Frau. Wurde Mollath ungerecht behandelt? Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ja.

Fazit

"Mollath – Und plötzlich bist du verrückt“ versteht sich selbst auch als Gerichtsverfahrensdokumentation, wenn am Ende der Freispruch, aber mit deutlichen Flecken des Zweifels, steht. So verlassen wir als Zuschauer Mollath in eine freie, aber doch etwas ungewisse Zukunft. Während Mollath im Vollzug saß wurde sein Haus zwangsversteigert, seine Autos verkauft und das Grab seiner Eltern und Großeltern eingeebnet. Nichts ist so wie es mal war.

Kritik: Magnus Knoll

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