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Quelle: themoviedb.org

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Inhalt

Nach einer wahren Begebenheit - Süddeutschland, Anfang der 1940er-Jahre. Der 13- jährige Ernst Lossa (Ivo Pietzcker), Sohn fahrender Händler und Halbwaise, ist ein aufgeweckter aber unangepasster Junge. Die Kinder- und Erziehungsheime, in denen er bisher lebte, haben ihn als "nicht erziehbar" eingestuft und schieben ihn schließlich wegen seiner rebellischen Art in eine Nervenheilanstalt ab. Nach kurzer Zeit bemerkt er, dass unter der Klinikleitung von Dr. Veithausen (Sebastian Koch) Insassen getötet werden. Er setzt sich zur Wehr und versucht, den behinderten Patienten und Mitgefangenen zu helfen. Schließlich plant er die Flucht, gemeinsam mit Nandl, seiner ersten Liebe. Doch Ernst befindet sich in großer Gefahr, denn Klinikleitung und Personal entscheiden über Leben und Tod der Kinder...

Kritik

Die Inspiration für seinen Film holte sich Produzent Ulrich Limmer nicht in erster Linie aus der an ihn herangetragenen Buchvorlage, sondern vielmehr aus einem Foto, das er nicht aus seinem Gedächtnis verbannen konnte. Auf diesem Bild ist Ernst Lossa zu sehen, dessen Blick den Funken Wahrheit in der Wendung „die Augen sind das Tor zur Seele“ bestätigt. Was Ernst Lossa in den 1940er Jahren in einer Nervenheilanstalt in Süddeutschland erlebt hat, ist Thema des Films Nebel im August. Damit greift Regisseur Kai Wessel eine historische Facette auf, die bisher selten offen angesprochen wurde: das Euthanasie-Programm des Dritten Reichs. Stellvertretend für die vielen körperlich und geistig behinderten Menschen, die in dieser Zeit in Nervenheilanstalten gesperrt und getötet wurden, erzählt dieser Film das Schicksal eines 13-jährigen Jungen, dessen Moralvorstellungen ihn dazu trieben, sich zu widersetzen und seinen Mitmenschen zu helfen.

Schon das Filmplakat mag Erinnerungen an den Hollywood-Film Der Junge im gestreiften Pyjama wachrufen und trotzdem wagt es Nebel im August, sich in mehrerer Hinsicht von dessen Machart zu distanzieren. Es wird wohl Stimmen geben, die sich darüber beschweren, dass die leidenden Blicke aus Kinderaugen für eine emotionale Achterbahnfahrt des sensationsfixierten Publikums missbraucht würden, doch trifft diese Kritik den falschen Film. Nicht zuletzt durch die begnadeten Fähigkeiten des Jungdarstellers Ivo Pietzcker bewahrt sich Nebel im August eine beeindruckend neutrale und authentische Ausdrucksweise. Es wird auf die zwanghafte Motivsuche auf Seiten der Täter verzichtet und sparsam mit Nazi-Symbolen umgegangen, sodass sich der Film ganz auf die Geschichte von Ernst Lossa konzentrieren kann und den Kontext auf die Ebene einer psychologischen Studie des Menschseins hebt. Denn der Mensch hat sowohl das Euthanasie-Programm und die Konzentrationslager erfunden als auch unendlich unter den Folgen gelitten und mit ihnen leben müssen, wie Viktor E. Frankl sagen würde.

So gelingt es dem Film, die Einseitigkeit anderer Werke teilweise zu überwinden und weitestgehend auf Schaueffekte zu verzichten. Der Zuschauer ist dankbar, wenn sich zur Abwechslung vor der Kamera eine Tür schließt und das dahinter Geschehende der Fantasie überlassen wird. Die nüchterne Erzählweise subtiler menschlicher Regungen in den Wirren ideologischer Grausamkeiten überrollt den Zuschauer und hinterlässt seine Spuren. Nur die musikalische Untermalung (dieser Begriff ist hier besonders passend) steuert etwas zu energisch die Emotionen des Publikums und damit gegen den authentisch-neutralen Grundton des Films.

Neben Ernst Lossa bleibt auch die darstellerische Präsenz weiterer Figuren im Gedächtnis. Sebastian Koch gibt dem leitenden Arzt Dr. Veithausen eine perfide Komplexität, indem er sowohl der liebevolle Vaterersatz der Kinder ist, der sie auf seinen Armen durch die Luft sausen lässt, als auch der überzeugte Euthanasie-Verfechter, der in seinem Büro die Namen von der Liste streicht. Darüber hinaus sind Thomas Schubert als hinkender Arzthelfer, Fritzi Haberlandt als moralisch-zweifelnde Schwester Sophia und Henriette Confurius als skrupellose, todbringende Himbeersaft-Schönheit zu sehen. Eine ganz besondere Freuide ist auch die Beteiligung von David Bennent, der in Schlöndorffs Die Blechtrommel weltberühmt wurde und hier den fröhlichen, Glocke läutenden Oja verkörpert. Die Charaktere sind wahrlich der heimliche Trumph des Films.

Die historische Aufklärung ist sicherlich ein Ziel von Nebel im August gewesen. Mit der angemessenen Darstellung eines bisher vernachlässigten Themas gelingt ihm dies sichtlich. Abgesehen davon schneidet der Film jedoch im Allgemeinen die Frage nach der willentlichen Beendigung menschlichen Lebens an – nicht nur im Zuge der pränatalen Diagnostik. Ansichten aus Religion und Wissenschaft kollidieren hier und geben dem Zuschauer zu denken – aber erst nachdem er den Schockzustand überwunden hat und ein paarmal kräftig schlucken musste.

Fazit

Die deutsche Filmlandschaft ist mit „Nebel im August“ um ein engagiertes, neue Wege beschreitendes Historiendrama reicher geworden. Man verzichtete zwar nicht auf schwelgende Orchestertöne, dafür aber auf eine plakative Symbolik und Spekulationen über Tätermotive. Dabei entstand eine feinsinnige Charakterzeichnung, die durch ihre von Grund auf ehrliche Erzählweise den betreffenden Menschenschicksalen über weite Strecken gerecht wird. Ein Aufschrei an die Menschlichkeit. Eine Geschichte, die einen fast erdrückt und durchgerüttelt in die Normalität entlässt.

Kritik: Jonas Göken

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