1992 ging Paul Verhoeven’s lassiver Hochglanz-Erotikthriller Basic Instinct komplett durch die Decke und auch heute noch, völlig unabhängig von dem damaligen Hype, kann sein provokanter Edel-Pulp (im erweiterten Kreis) als einer der besten Blockbuster der 90er Jahre bezeichnet werden. Leider war dieser Film auch verantwortlich für eine ganze Handvoll armseliger Trittbrettfahrer, die auch gerne ein Stück vom Kuchen abhaben wollten. Am erträglichsten waren davon noch Eiskalte Leidenschaft und Sliver, wobei hingegen Body of Evidence oder Color of Night fast schon wie eine unfreiwillige Selbstparodie wirkten. Den beiden Letztgenannten macht Never Talk to Strangers – Spiel mit dem Feuer mühelos Konkurrenz und es wäre echt mal spannend, sie in einem ultimativen Battle des Schwachsinns gegeneinander antreten zu lassen (höre ich da eine Podcast-Idee? Mal gucken…).
Regie bei diesem Autobahnunfall führte Peter Hall (The Homecoming), dessen Karriere hauptsächlich im TV stattfand und nach diesem Mega-Flop (der zwar nur 6,5 Millionen $ kostete, an den Kinokassen aber trotzdem nur knapp sein Budget refinanzierte) praktisch vorbei war. Nicht vorbei, aber definitiv einen heftigen Knacks erlitt auch die Karriere von Hauptdarstellerin Rebecca De Mornay (Die Hand an der Wiege), die sich Anfang der 90er gerade erst zur Hauptdarstellerin in Hollywood hochgearbeitet hatte und vermutlich glaubte, damit die nächste Sharon Stone werden zu können. Zumindest war sie auch ausführende Produzentin dieses Elends, was wohl für ein gewisses Vertrauen und Hoffnungen in diese Produktion sprach. An ihrer Seite war immerhin der damals bereits ziemlich angesagte Antonio Banderas (Desperado), der die Nummer als Einziger relativ unbeschadet überstanden hat. Seine Präsenz ist definitiv auch das Beste an dem Film, der wirkt jederzeit wie ein echter Star. Auch wenn sein Part natürlich genauso katastrophal ist wie der Rest, aber er weiß sich wenigstens noch zu verkaufen. Aber warum ist denn Never Talk to Strangers – Spiel mit dem Feuer denn jetzt genau so furchtbar, hat er doch immerhin zwei Stars in den Hauptrollen und bedient genau den Trend der damaligen Zeit?
Absolut spoilerfrei, obwohl es SEHR in den Fingern juckt: es reicht ja fast schon die Figurenzeichnung der Protagonisten. Die ist zwar Polizei-Psychologin, in deren Händen mehr oder weniger die Verantwortung über Leben und Tod liegt, wenn sie über die Zurechnungsfähigkeiten von Mördern urteilen muss, ist selbst aber eine wandelnde Komplex-Baustelle, und das nicht nur hinter vorgehaltener Hand. Die hat wirklich zu allem irgendein nicht überwundenes Trauma, was der Film auch sehr früh in den Raum wirft. Mutter, Vater, Männer und Beziehungen im Allgemeinen, Waffen und eventuell sogar Clowns?! Gut, letzteres ist nur sehr spekulativ und stimmt wahrscheinlich gar nicht, aber wie es der Film in einer Szene darstellt, könnte man das durchaus glauben. Und selbst wenn nicht, die Frau hat vermutlich auch ein gestörtes Verhältnis zu Leberwust, Goldhamstern oder Gummistiefeln, da läuft offenkundig sehr wenig rund. Ihr Ex-Verlobter hat sich vor 11 Monat aus dem Staub gemacht (wer kann es ihm verübeln?), der charmante Nachbar gräbt ganz hemmungslos an ihr herum („Ich will nur mit dir schlafen“), was sie aber lächelnd abblitzen lässt, nur um dann in einer Weinhandlung auf den sehr aufdringlichen Begattungsversuch eines Klischee-schmierigen Latinos (Antonio Banderas in betörend engen Jeans) anzuspringen wie eine Klosterschülerin bei Freigang auf der Reeperbahn. Emanzipation Ahoi, heute würde man das schon als sexuelle Belästigung einstufen, aber come on, ist Banderas und das die 90er, ab geht die wilde Fahrt.
„Sie sehen heute anders aus. Woran liegt das? Ist ihr Sexualleben in Schwung gekommen?“
Na, wenn das schon ihre Patienten bemerken, dann wird ihr das Östrogen vermutlich schon aus der Nase tropfen. So ist es auch, denn Frau Doktor (man kann den Titel nie genug betonen) verfällt dem Fremden, über den sie nichts weiß und der quasi in einer Lagerhalle haust (soll wohl eine Art Loft sein, sieht aus wie ein Hobbyfolterkeller mit Kühlschrank), mit Haut und Haar. Das führt zu einer wahrlich bizarren Sexszene, in der De Mornay dem Toni in den Arsch beißt und ihre Zunge durch ein Maschendrahtgitter steckt, da ist man Die nackte Kanone näher als Basic Instinct. Mehr explizite – nennen wir es mal - „Erotik“ gibt es übrigens auch nicht, wahrscheinlich musste das Duo beim nächsten Versuch so laut loslachen, dass man es lieber dabei belassen hat. Stattdessen mündet der – nennen wir auch das mal – „Crime“-Part nach massiver Langeweile in einer so unfuckig-fassbar bekloppten Pointe, die diesen Film tatsächlich sogar auf eine gewisse Weise „aufwertet“. Das ist so bescheuert und eigentlich auch ganz furchtbar - betrachtet man mal, was der Film eigentlich erzählen will und wie er das völlig schamlos ins Lächerliche zieht -, dennoch ist das eigentlich der einzige Grund, überhaupt noch ein Wort über diesen zurecht völlig vergessenen Film zu verlieren. Muss man beinah schon gesehen haben und sich dabei bewusst werden, dass die das vollkommen ernst gemeint haben.