Inhalt
Ein namenloser Mitt-Dreißiger (Luke Evans, der Zeus aus „Immortals“) ist mit seiner Freundin Betty (Laura Ramsey) auf dem Weg durch Amerika, um am Ziel ihrer Reise ein neues Leben zu beginnen. Als das Pärchen in einem verschlafenen Nest eine Pause einlegt, werden die Beiden von einer Rocker-Bande (Lee Tergesen, Derek Magyar, America Olivo, Beau Knapp, Lindsey Shaw und George Murdoch) attackiert, ausgeraubt und gefangengenommen. Was die Bande jedoch nicht weiß ist, dass sich hinter der harmlosen Fassade des Fremden, ein dunkles Geheimnis verbirgt. Als Betty verstirbt, brechen alle Dämme und eine gnadenlose Hetzjagd nimmt ihren Lauf.
Kritik
Brutal Killer vs. White Trash Criminals equals Bloodbath
Der japanische Regisseur Ryuhei Kitamura dürfte breit interessierten Fans asiatischer Fantasy-Action, durch seinen international äußerst erfolgreichen Independent-Zombie-Samurai-Streifen „Versus“, ein Begriff sein. Auf diesen Überraschungserfolg folgten in den darauffolgenden acht Jahren, noch knapp ein halbes Dutzend weitere actionlastige Werke - unter anderem „Godzilla: Final Wars“ - bevor Kitamura 2008 mit der Clive Barker Adaption „Midnight Meat Train“, einen mehr als eindrucksvollen Tinseltown-Erstling abliefern konnte. Vier Jahre später - nur unterbrochen durch den Anime „Baton“ - folgte schließlich sein zweiter amerikanischer (Horror-)Streich in Form eines klassischen Slashers, mit dem klingenden Titel „No One Lives“. Nachdem dieser Streifen bereits Anfang des Jahres auf den Fantasy Filmfest Nights reüssierte, folgte am 02.10.2013 nunmehr die Veröffentlichung auf DVD und Blu-ray. In Deutschland jedoch - wie so oft - nur in stark beschnittener Form.
Auf den Nights noch in der ungekürzten Originalversion zu bestaunen, muss sich der deutschsprachige Otto-Normal-Verbraucher im Zuge der DVD- und Blu-ray-Veröffentlichung von Sunfilm ärgerlicherweise bevormunden lassen und mit einer, um knapp 90 Sekunden geschnittenen Kurzfassung begnügen. Die durchgeführten Schnitte wirken dabei überaus hastig und äußerst brutal gesetzt und fügen sich - sofern so etwas überhaupt im Bereich des Möglichen liegt - in keinster Weise homogen in das Gesamtbild ein. Teilweise fallen die Verstümmelungen des Originals dermaßen extrem aus, dass dadurch ganze Szenen eine neue Bedeutung bekommen, weil beispielsweise eine satirisch überspitzte Bemerkung oder eine finale Exekution einfach im Schneideraum verloren gegangen sind. Zwar gibt es bereits eine (teurere) österreichische Uncut-Version von NSM Records zu erwerben, diese wird aber klarerweise nie in deutschen Elektronikgeschäften zum Verkauf stehen. Obwohl es im Grunde keiner näheren Erwähnung bedarf, ist die gekürzte Fassung absolut ungenießbar und noch nicht einmal einen Punkt wert.
Abseits des üblichen deutschen Schnittmassakers der BPjM, bietet „No One Lives“ knapp 80 Minuten rasante Unterhaltung, ohne jeglichen Tiefgang. Storytechnisch im besten Fall einfach gestrickt, tastet sich der Action-Slasher zielsicher von einem Kill zum nächsten, ohne dabei auf Nebensächlichkeiten wie Pietätsgefühl, Anspruch oder Innovation zu achten. Unterbrochen wird der blutrote Fluss nur von mittelmäßig gescripteten Dialogen und genretypisch vorhersehbaren Handlungs(weiter)entwicklungen. Trotz dieser vermeintlichen Schwächen, lässt Kitamuras Film beim geneigten Betrachter keine Sekunde Langweile aufkommen.
Das wiederum liegt wohl zum Großteil an der tadellosen SFX-Arbeit, der doch eher untypisch doppelgleisigen Ausgangssituation und den weitgehend entdigitalisierten Kills. Vor allem deren hart an der Grenze zur Satire vorbeischrammende, überbordende Brutalität kann mit Sicherheit sogar dem abgestumpftesten Genrefan ein erstauntes Lächeln auf die Lippen zaubern. Da wird in einer ungeschminkten Wildheit und völlig undifferenziert geschlitzt, erschossen, zerstückelt und gefoltert, als gäbe es keinen cooleren und anstrebenswerteren Beruf, als jenen des eiskalten Serienkillers. Kaltherzig, ohne Erbarmen, Reue oder jegliche Schuldgefühle (geschweige denn Konsequenzen) geht der Mörder seinem Handwerk, welches von ihm im Laufe des Films als sportliche Aktivität bezeichnet wird (It keeps me fit), nach und metzelt sich durch eine White-Trash-Rocker-Bande und alle anderen Pechvögel, die seinen Weg kreuzen.
Hierbei profitiert „No One Lives“ ganz klar von der zwar etwas übertriebenen, aber durchaus passenden Interpretation des beinharten jedoch trotzdem ungemein faszinierenden Slashers durch Luke Evans. Der darf so richtig vom Leder ziehen, ohne sich um Anstand und Moral zu kümmern und kann, dank der ziemlich degenerierten Gegenspieler, trotzdem alle Sympathien auf seiner Seite verbuchen. Wären da nicht diverse Rückblenden, die verstümmelte High-School Teenager auf bleichen Tatortfotos zeigen, und der bittere Nachgeschmack einer sexualisierten Entführung, samt eigenwilliger Erziehungsmethoden, könnte man das Handeln des Killers beinahe als unbeschreiblich locker und nachahmungswürdig verstehen. Die zweite Hauptrolle - wenn man den ziemlich typischen Frauenpart in einem Slasher-Streifen denn so nennen will - wird von Adelaide Clemens („Silent Hill: Revelation") zwar mit Elan und Einsatz verkörpert, kommt aber nie über den Status einer filmischen Randnotiz hinweg.
Fazit
„No One Lives“ von Ryuhei Kitamura ist ein guter Action-Slasher, der durch seine äußerst kreativen Kills, seinen motivierten Hauptdarsteller und dessen an den Tag gelegte Erbarmungslosigkeit überzeugen kann. Weit weniger packend als die blutigen Mordszenen sind jedoch die Story, die Dialoge und der Schema-F-Ablauf der WWE-Produktion. In der Uncut-Fassung folglich ein akzeptabler Genre-Streifen für den verregneten Samstagnachmittag, ist „No One Lives“ in der gekürzten Version eine Blu-ray für die Tonne.
Autor: Christoph Uitz