H. P. Lovecraft gilt als der Begründer des sogenannten cosmic horrors. Einem Subgenre der Horrorliteratur, bei dem die Etablierung der Furcht vor dem Unbekannten, um nicht zu sagen Unbegreiflichen wichtiger ist als Effekthascherei in Form von Blut, Schocks und Gräueltaten. Eine Art Leitmotiv, dem sich auch der Film Offseason verschrieben hat. Obgleich es kosmischer Horror heißt, spielen sich Lovecrafts Geschichten auf unserer Erde, wie etwa in dem Fischerort Innsmouth, ab. Allerdings berichtet Lovecraft dabei zumeist von fremdartigen Wesen, die dereinst aus dem All oder fremden Dimensionen kamen. Manche von ihnen, wie etwa Dagon oder Cthulhu hausen in den Tiefen des Ozeans. Die Geschichte von Offseason stammt zwar nicht aus der Feder von Lovecraft selbst, hat aber deutliche Anleihen an dessen Schaffen und passt daher nicht nur aufgrund der surrealen Stimmung zu dessen Werken. Inszeniert wurde Offseason, der abseits der "Lovecraft-Vibes" tonal an eine Mischung aus Werken wie Apostle, Silent Hill und Wicker Man erinnert von Mickey Keating, von dem obendrein das Drehbuch stammt. Bevor dieser Offseason in Angriff nahm, drehte Keating unter anderem die Werke Darling sowie Carnage Park.
Mary (Jocelin Donahue, Doctor Sleep) erhält einen Brief von der Friedhofsverwaltung, aus dem hervorgeht, dass das Grab ihrer Mutter (Melora Walters, Butterfly Effect) geschändet wurde. Sie wird gebeten, schnellstmöglich zu dem auf einer abgeschiedenen Insel liegenden Ort Lone Palm Beach aufzubrechen, um den dortigen Friedhofsverwalter zu treffen. Für Mary stellte der dereinst in dem Testament ihrer Mutter hinterlegte Wunsch nach einer Beerdigung in deren Heimatort ein absolutes Rätsel dar. Hatte ihre Mutter, einst eine berühmte Schauspielerin, die jedoch vor ihrem Tod nicht mehr klar im Kopf war, doch immer wieder betont, dass ihre sterblichen Überreste unter keinen Umständen dort begraben werden sollen. Als Mary und ihr Freund George (Joe Swanberg, Your’re Next) auf der entlegenen Insel ankommen, verhalten sich die BewohnerInnen in höchstem Maße seltsam. Irgendetwas scheint mit diesem Ort nicht zu stimmen.
Im Gegensatz zu manchen anderen Genrevertretern, die mühsam darum ringen, eine bedrohliche Stimmung zu etablieren, hat Offseason derartige Kämpfe nicht auszufechten. Offseason gelingt es, bereits bei der bloßen Fahrt gen Insel ein unterschwelliges Schauergefühl aufkommen zu lassen. Dies resultiert zum einen aus der grandiosen Kameraarbeit von Mac Fisken (Baby Blue), der ein tolles Gespür für gleichermaßen atmosphärische wie hypnotische Kameraeinstellungen beweist und ebensolche gleich zu Beginn auf die ZuschauerInnen loslässt. Zum anderen sorgt der bläulich-kühl gehaltene Look des Films dafür, dass von den präsentierten Bildern eine ungemütliche Kälte ausgeht. Auf der entlegenen Insel angekommen intensiviert sich dies noch. Heulender Wind, das Rauschen des Meeres, ein wolkenbehangener Himmel, dazu Bilder eines gleichermaßen endlos wie leblos erscheinenden Sandstrands sowie jene eines verwitterten, inmitten dichten Gestrüpps gelegenen Friedhofs. Zutaten, die in dieser Kombination nicht nur Tristesse, sondern eine regelrecht erdrückende Schwere aufkommen lassen. Und dann wäre da ja noch der gleichermaßen abwechslungsreiche wie effektiv eingesetzte Score, der eine gar schaurige Klangkulisse erzeugt.
Auch die ersten Begegnungen mit BewohnerInnen der Insel fallen nicht minder unbehaglich aus. Kein Zweifel, mit denen stimmt etwas ganz und gar nicht. Dabei bieten sich herrlich surreal anmutende Szenen: Fahle Gesichter aus dem Nebel heraus starren. Jemand ist gerade noch da, im nächsten Augenblick allerdings spurlos verschwunden. Es wird ein Raum betreten, was dazu führt, dass plötzlich alle Personen darin innehalten, das Klavierspiel abrupt verstummt und sämtliche Augen auf die Neuankömmlinge gerichtet sind. Starke Momente, denen ein ordentliches Maß an Suspense innewohnt und die ihre intendierte Wirkung nicht verfehlen. Gleiches gilt für das Ambiente innerhalb des verschlafenen Küstenstädtchens. Da die Tourismussaison vorbei ist, mutet die Ortschaft nämlich regelrecht geisterhaft an. Insbesondere dann, wenn Mary auf sich allein gestellt durch die menschenleeren Straßen des im Nebel versunkenen Örtchens irrt. Da wirkt selbst das die Stille durchbrechende Klingeln eines Telefons wie ein unheilvolles Vorzeichnen. Doch so herrlich vereinnahmend die Atmosphäre von Offseason auch sein mag und unabhängig davon, wie geheimnisumwoben das Setting dabei ausfällt, es kommt der Punkt, an dem dies nicht mehr kaschieren kann, dass im Grunde verdammt wenig geschieht.
Anstatt neue Anreize zu schaffen, suhlt sich Offseason meist lieber in seiner Bildsprache und versumpft geradezu in seinem mysteriösen Ambiente. Wer auf actiongeladene Sequenzen oder gar ausufernde Gewaltszenen hofft, schaut bei Keatings Werk ohnehin in die Röhre. Zugegeben, es ist eine ganze Zeit lang äußerst fesselnd mitanzusehen, wie Mary in dem geisterhaften Städtchen, von einem genialen Sounddesign begleitet, umherirrt. Doch dies kann nun einmal nicht alles sein. Gerade der Mittelteil tritt inhaltlich reichlich auf der Stelle, was sich selbstverständlich alles andere als positiv auf die Spannungskurve auswirkt. Zwar erhalten wir im Laufe des Films in groben Zügen Informationen über die Vergangenheit des Ortes und erfahren von einem alten düsteren Pakt, allerdings wird diesbezüglich mit Details gegeizt, weshalb vieles davon reichlich vage bleibt. Zudem spielen die gewonnenen Erkenntnisse weder für den Fortgang der Handlung noch für die missliche Lage, in der sich die Protagonistin befindet, eine nennenswerte Rolle. Wer auf gleichermaßen vollumfängliche wie aufschlussreiche Enden wert legt, könnte mit dem Einsetzen des Abspanns durchaus frustriert sein, denn Offseason bewahrt sich einen Großteil seiner Geheimnisse.