Unter dem Zitronenbaum vergräbt ein alter Mann eine Plazenta. Später sieht man seine kräftige Hand eine Zitrone auf dem Tisch hin- und herrollen, mit leichtem Druck, als ob er sie massiert: Maea arbeitet neben seinem Job als Bäcker noch als Geburtshelfer, wozu auch die fachkundige Bauchmassage bei den Frauen gehört. Bei ihm zu Hause künden helle Flecken an der Wand von abgehängten Bildern – von seiner Familie hat Maea sich nach einem traumatischen Gewaltausbruch entfernt. Doch dann taucht seine Tochter Ilisa bei ihm auf. Sie ist schwanger und wurde von ihrem Freund misshandelt. Außerdem will der Geist einer Frau, der immer wieder in Maeas Wohnzimmerecke sitzt, plötzlich nicht zurück in sein Grab auf dem Friedhof.
Kritik
Die Vergangenheit ist lebendig in Tusi Tamaseses magisch-realistischem Drama von Schuld und der Suche nach Vergebung. Sie kauert auf in der Wohnung des Bäckers Maea (Ulese Petaia) und zischt ihm Verfluchungen zu. Es sind andere Verwünschungen als die Hasstiraden eines betrunkenen Anwohners, der vor Maeas Fenster wütet. In der Biografie des verhärmten alten Mannes lauern mühsam verdrängt Schrecken, für die der einsame Protagonist des neuseeländischen Regisseurs Buße tun will. Die hexenhafte Gestalt, die im Schatten seines Wohnzimmers kauert, ist eine Mahnung, die er selbst heraufbeschworen hat.
Er behauptet, die Frau sei der Geist einer ruhelosen Toten. Doch wer weiß, ob sie nicht eher eine Rachegöttin oder Dämonin ist? Womöglich seine entfremdete Tochter Llisa (Frankie Adams). Eines Tages versteckt sich die junge Frau bei ihm. Ihr Partner hat die Hochschwangere misshandelt. Die Hilfe des Vaters nimmt sie nur widerwillig an. Der Keil zwischen alter und junger Generation sitzt tief, wie der Zahn, der sich durch Schadenzauber in Maeas Fuß bohrt. Es ist ein sinnbildlicher Dorn im Fleisch wie das Unausgesprochene, dass er gestehen muss, um Erlösung zu finden. Die bedächtige Handlung von Tamaseses zweitem Spielfilm ist übervoll von solchen Symbolen.
Sie wurzeln tief in der Sagen- und Mythenwelt seiner Heimat und verleihen dem behäbigen Plot eine schillernde spirituelle Facette. Gemein ist ihnen ein allgegenwärtiges blutiges Element. Selbst die Mutterschaftsrituale die Maea als Geburtshelfer werden metaphorisch als Besänftigung einer zerstörerischen chthonischen Kraft dargestellt. Diese weiblich konnotierte Energie ist das Gegenstück der Brutalität, die in dem von Armut und sozialer Isolation geprägten Vierteln ein männliches Gesicht trägt. In diesem verrohten Machismo liegt der Ursprung des Verlusts, dessen Heilung für Figuren und Zuschauer einer gleichermaßen erschöpfender Prozess ist.
Fazit
In seiner mystischen Charakterstudie taucht der neuseeländisch-samoanische Filmemacher ganz in die Gedankenwelt seines Hauptcharakters, der sich auf dem falschen Weg von den Fehlern seiner Jugendjahre loslösen will. Die sture Verweigerung gegen Erkenntnis ist eine gegen Neuerungen, die als Ringen unterschwellig die moderne Fabel um eine soziologische Deutungsebene erweitert.
Es liegen noch keinerlei Meinungen und Kritiken für diesen Film vor. Sei der Erste und schreib deine Meinung zu One Thousand Ropes auf.
Jetzt deine Kritik verfassen