Inhalt
1944, Japan befindet sich im Krieg. Der 22-jährige Onoda Hirō, der für den Nachrichtendienst ausgebildet wurde, wird durch seinen Vorgesetzten Major Taniguchi in eine Philosophie eingewiesen, die der offiziellen Linie zuwiderläuft: keine Kamikazekommandos, die kriegerische Mission ist wichtiger als alles andere. Onoda landet auf Lubang, wo er mit einer Handvoll Soldaten kämpfen soll, bis die japanischen Truppen zurückkehren. Doch auf der abgeschiedenen Insel verpasst die Truppe die Niederlage des Kaiserreichs, dem Onoda weiter die Flagge hochhällt. Für ihn geht der Krieg immer weiter und Aufgeben ist keine Option.
Kritik
War is over if you want it. Das John-Lennon-Zitat klingt wie ein sarkastisches Fazit zu Arthur Hararis (Sibyl) eigenwilligem Einzelkämpfer-Epos. Dessen Hauptfigur bleibt so ambivalent wie die auf wahren Begebenheiten realen Ereignissen basierende Inszenierung des zum Regiefach gewechselten französischen Schauspielers und Drehbuchautors. Seine zweite Zusammenarbeit mit Co-Autor Vincent Poymiro (Kein Lebenszeichen) verweigert sich jeder Interpretation der Geschichte des japanischen Soldaten Hiroo Onodas, der den Pazifikkrieg auf einer einsamen Philippinen-Insel jahrzehntelang im Alleingang weiterführt.
Diese narrative Neutralität ist ebenso faszinierend wie frustrierend und kurios kongenial in ihrer Analogie zur bizarren Biografie des Protagonisten (jung: Yūya Endo, Ryuzo and the Seven Henchmen, dann Kanji Tsuda, Vampire Clay). Seine Uneinsichtigkeit, Unbeugsamkeit und letztlich Undurchsichtigkeit macht ihn zur perfekten Projektionsfläche für militärische Mythologie und pazifistische Pamphlete gleichermaßen. Als wortwörtlich unwirkliche, da völlig wirklichkeitsfremde Figur steht er für Normalsterbliche wie den Touristen (Taiga Nakano, Mother), der ihn Jahrzehnte später endlich in die Außenwelt und damit Gegenwart zurückholt, zwischen Panda und Yeti.
Greifbarer als ein solcher wird Onoda während der in ironischerweise passend überlangen Darstellung seines Inselaufenthalts nicht. Psychologisch bleibt er ein Leerzeichen, eine wandelnde Uniform, die das Individuum verschluckt. Diese Überlagerung menschlicher Identität durch ein historisches Monument manischen Militarismus ist indes kein politischer Kommentar. Ansätze subtiler Symbolik des trotz seiner Präzision ernüchternd ausdrucksarmen Porträts sind reines Zufallsprodukt einer in ihrer rigiden Rezeption gefangenen Chronik. Deren Realismus liegt in überwältigender Erschöpfung und dem erdrückenden Gefühl verlorener Zeit.
Fazit
Der Old-School-Look klassischen Kriegs-Kinos ist zugleich kinematische Referenz an die Genre-Werke, die Arthur Hararis Melange aus (Fantasie)Frontdrama und Biopic nachahmt, und stilistische Parallele zur fanatischen Fixierung des Titelhelden. Dessen Verhalten bleibt trotz filmlanger Fokussierung und solider Darsteller rätselhaft. Die ausufernde Handlung pendelt zwischen Militärfilm, Kriegsdrama, Survival Thriller, existenzialistischer Meditation und Buddy-Comedy, ohne das komplexe Themenspektrum um Individualpsychologie, Ideologie, Indoktrinierung und Irrsinn sowie die fragwürdige gesellschaftliche Idealisierung Onodas zu berücksichtigen.
Autor: Lida Bach