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Quelle: themoviedb.org
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Inhalt

»Arm ist nicht derjenige, der wenig besitzt, sondern derjenige, der immer mehr benötigt.«

Pepe Mujica ist als »ärmster Präsident der Welt« zum Begriff geworden. Der ehemalige Guerillero und Blumenzüchter gilt als eine der charismatischsten politischen Persönlichkeiten Lateinamerikas. Sein bescheidener Lebensstil und sein unkonventionelles Auftreten auf dem politischen Parkett machen ihn glaubhaft für jung und alt. Seine politischen Visionen und Konzepte, wie etwa die spektakuläre Regulierung des Marihuanamarktes, erregen weltweites Aufsehen. Seit Frühling 2010 wird Uruguay von einem Präsidenten regiert, der sich als junger Mann mit Stimme und Waffe gegen die Staatsmacht erhoben hat, die er heute mit seiner Person ausfüllt. Pepe Mujica, ist Gründungsmitglied der Stadtguerilla »Tupamaros«, die im repressiven Uruguay der siebziger Jahre dem Staat die Stirn bot. Während der Diktatur verbrachte er viele Jahre in Folterhaft - eine Zeit, die ihn geprägt, aber nicht gebrochen hat. Über viele Jahre haben die Filmemacher den heute 80-jährigen Pepe Mujica immer wieder besucht und sein bewegtes Leben mit der Kamera begleitet. In persönlichen Begegnungen und Gesprächen auf seinem Bauernhof, den er immer noch mit seiner Gefährtin Lucía Topolansky bewirtschaftet, gewährt er einen lebendigen Einblick in seine außergewöhnlichen Überzeugungen und Visionen.

Kritik

Wir sollten diese Rezension gemütlich beginnen: mit dem in Uruguay unvermeidlichen Mate-Gefäß in der Hand, ein wenig Tango im Hintergrund (der Plattenspieler muss knarzen, sonst passt es nicht!), einem Sitzplatz im Sonnenschein. José »Pepe« Mujica, bis Ende Februar Präsident von Uruguay, würde so ein Einstieg sicher gefallen. Während seiner fünfjährigen Amtszeit hat er sich einen Namen als ärmster Präsident der Welt gemacht, weil er nur einen Bruchteil des ihm zustehenden Präsidentengehalts selbst einbehielt, auf seinem kleinen Bauernhof in Montevideo wohnen blieb und beharrlich weiter seinen uralten VW Käfer fuhr. Und erklärte: »Ich bin nicht arm. Ich habe einfach nur leichtes Gepäck — damit die Dinge mir nicht die Freiheit rauben können.«

»Pepe Mujica — Der Präsident« ist interessanterweise nicht der erste Film, den Heidi Specogna über Mujica gedreht hat. Es gibt da noch die Dokumentation »Tupamaros« (1997) über die Untergrundbewegung und Stadtguerrilla während der 60er und 70er Jahre. Mujica war einer von ihnen und saß dafür jahrelang im Gefängnis. 1985 kam er frei, ging in die reguläre Politik, wurde Minister und schließlich 2010 zum Präsidenten gewählt. Vom Widerstandskämpfer zum Staatsoberhaupt. Und da erinnerte sich seine Frau und ehemalige Waffengefährtin, Lucía Topolansky, an die Filmemacher aus Deutschland, und schrieb ihnen eine Mail. Ob sie nicht Lust hätten, vorbei zu kommen und zu sehen, wie sich alles entwickelt habe.

Sie hatten Lust. »Pepe Mujica — Der Präsident« ist das Ergebnis: Ein Dokumentarfilm, der in die deutschen Kinos kommt, als Mujica schon nicht mehr Präsident ist. Wir begegnen Mujica auf seinem Bauernhof — Sonnenschein, Mate-Tee, Tangoklänge, ein Präsident in Alltagskleidung, der verschmitzt lächelt und vor allem Gemütlichkeit ausstrahlt. Er braucht jeden Tag ein bisschen Zeit, um auf seinem Hof zu arbeiten, erzählt er, das macht ihn glücklich. Fast fünfzehn Jahre seines Lebens hat Mujica im Gefängnis verbracht, »da hatte ich Zeit, mich selbst kennen zu lernen. Und damit bin ich noch immer beschäftigt.«

Der Film porträtiert Mujica und seine Frau Lucía vor allem über ihre eigenen Worte, ihre kleinen Gesten im Alltag, aber er folgt beiden auch hinein in die parlamentarischen Debatten, und zwar nicht in irgendwelche: Soll Cannabis legalisiert werden? Der Zuschauer weiß vermutlich, dass Uruguay genau das letztlich beschlossen hat — im Oktober 2013, als erstes Land der Welt. Mujica, der gemütliche alte Mann von nebenan, brachte sein Land damit weltweit in die Schlagzeilen. Die Dokumentation wirft das ein oder andere Schlaglicht auf die Diskussionen, die der Entscheidung voran gingen, und auch auf Mujicas persönliche, recht pragmatische Sichtweise.

Die Kamera folgt Mujica auch, wenn er unterwegs ist, wenn er auf einem Podium steht und Reden hält. Oder auf Staatsbesuch in Deutschland, ein wenig fehl am Platz, wie er da im ICE hockt und aus dem Fenster sieht, oder am Ende argwöhnisch die riesige Limousine betrachtet, die Angela Merkel für ihn hat vorfahren lassen. »Ich bin ja noch nie in einem so großen Auto gefahren«, lässt er die Kanzlerin treuherzig wissen. »Zuhause fahre ich einen Käfer.«

Und so geht es vor allem um ein Bild des Menschen Mujica: warmherzig, bedächtig, mit spitzbübischem Charme und hin und wieder einem leisen Seufzen angesichts der Einschränkungen und Verpflichtungen, die ihm sein Amt auferlegt. Er ist ein guter Redner, überzeugend und humorvoll. Jemand, dem man seine Worte abnimmt, weil er sie durch seine ganze Lebensweise und seine Biographie bestätigt. Auch Mujicas Vergangenheit bei den Tupamaros, seine lange Zeit im Gefängnis wird immer wieder thematisiert. Und nicht nur seine. Dass Lucía Topolansky ebenfalls in der Politik aktiv ist und 2009 sogar die Senatorin war, welche ihm den Amtseid abnahm, lässt die Geschichte der einstigen Guerrilleros fast wie geschaffen für eine Hollywood-Adaptation erscheinen. »Ich weiß nicht, wie oft einem Paar so etwas passiert«, sagt Lucía Topolansky, während sie sich an den Tag von Mujicas Wahl erinnert, und lacht.

Als Porträt insbesondere Mujicas ist die Dokumentation durchaus gelungen: Es ist schwer, für diesen Mann keine Sympathie zu empfinden. Dennoch keimt oft das Gefühl auf, dass der Film seine Möglichkeiten nicht voll ausschöpft. Die Kamera bleibt eng bei Mujica und Topolansky, doch der Preis dafür ist es, dass so gut wie keine andere Perspektive eingenommen wird. Was macht Mujicas Politik — jenseits der Cannabis-Legalisierung und sozialen Hausbaus, der angedeutet wird — konkret aus? Wie steht die Bevölkerung zu ihm, gibt es vielleicht auch kritische Stimmen, und worauf gründen sich diese? Zwar kommt einmal ein Oppositionspolitiker zu Wort, doch als Sohn eines Putschisten und eine sehr polemische Argumentationsweise wiegt seine Stimme natürlich wenig, mit einer objektiven inhaltlichen Auseinandersetzung mit Mujica hat das also nichts zu tun.

Und so verharrt die Dokumentation oft ein wenig zu sehr an der Oberfläche, blendet Inhalte und Fragen zulasten der zugegebenermaßen sehr faszinierenden Geschichte aus, für die Pepe Mujica selbst steht. Dafür erleben wir Mujica aber in zahlreichen Facetten — sogar einmal schlechtgelaunt.

Stellenweise bleibt auch ein wenig fraglich, an welches Publikum genau sich der Film wendet. Wer wenig bis kein Vorwissen zu Gesellschaft und Geschichte Uruguays und beispielsweise den »Tupamaros« mitbringt, bekommt hierzu eher spärliche Informationen geliefert, sodass durchaus Fragen offen bleiben können. Wer sich hingegen bereits mit der Gestalt Pepe Mujica und seinem Phänomen auseinander gesetzt hat, erfährt wiederum nur wenig Neues (»Ich bin gar kein Phänomen«, hat Pepe Mujica übrigens einmal gesagt, »ehrlich, auch all die Jahre im Gefängnis — dass sie mich erwischt haben, lag doch nur daran, dass ich nicht schnell genug war …«).

Sehenswert ist »Pepe Mujica — Der Präsident« dennoch, allein schon wegen der schlichten und doch wahren Dinge, die der alte Mann auf dem Bauernhof bei Montevideo zu erzählen hat. Kleine Weisheiten über das Glück, die Freiheit und das Leben, die man sich noch im Kinosaal am liebsten aufschreiben möchte. Und besonders, wenn Mujica dann etwas unbeholfen neben Merkel steht und sie mit der Anekdote von seinem VW Käfer sichtlich überfordert ist, ertappt man sich bei dem Wunsch, dass man gerne mehr Mujicas in der Politik hätte.

»Ich gehe nicht weg«, hat Pepe bei seiner Abschiedsrede als Präsident gesagt, »ich komme gerade erst an.« Zumindest in den deutschen Kinosälen. Und vielleicht auch nicht zum letzten Mal: Angeblich möchte kein Geringerer als Emir Kusturica ebenfalls mal einen Film über Pepe Mujica drehen. Darauf einen Mate-Tee.

Fazit

»Pepe Mujica — Der Präsident« ist ein sehr menschlicher, warmherziger und aufrichtiger Blick auf einen Politiker, der genau für diese Aspekte steht. Trotz kleiner Längen und der verschenkten Chance, in diesem Porträt wirklich in die Tiefe zu gehen und auch Widersprüche zu wagen, ein sehenswerter Dokumentarfilm.

Kritik: Sabrina Železný

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