Inhalt
An der mexikanischen Grenze nach Texas lernen sich die Prostituierte Perdita Durango (Rosie Perez) und der mexikanische Magier Romero Dolorosa (Javier Bardem) kennen und lieben. Der illegale Transport einer LKW-Ladung tiefgefrorener Baby-Embryos für die Organmafia soll Geld, die Entführung eines jungen Pärchens für Voodoo-Opferzeremonien Spaß bringen. Ein paar alte Freunde von Romero und das FBI sorgen dafür, dass alles ganz anders kommt.
Kritik
Als würde ein Quentin Tarantino (Jackie Brown) alleine nicht genügen, gab es in den 90er Jahren eine wahre Flutwelle an Filmen, die dem einzigartigen Stil des Regisseurs nacheiferten, der mit Werken wie Reservoir Dogs und Pulp Fiction zu Beginn seiner Karriere direkt zwei einflussreiche Meilensteine drehte. Dabei ist Tarantino selbst jemand, der ein Kino des Zitatreichtums zelebriert und vor allem in seinem Frühschaffen Versatzstücke unterschiedlichster Genres neu anordnete, die der Regisseur massenhaft in sich aufsog, als er in einer Videothek jobbte und sich ein nahezu enzyklopädisches Filmwissen aneignete. Ein Filmemacher, der gegen Ende der 90er ebenfalls unübersehbar auf den Spuren des tarantinoesken Stils wandelte, ist der spanische Regisseur Álex de la Iglesia (Mad Circus - Eine Ballade von Liebe und Tod). Dessen dritter Spielfilm Perdita Durango wirkt wie der krampfhaft bemühte Versuch, die blutigen, schwarzhumorigen Eskapaden diverser Filmvorbilder der 90er unbedingt noch übertrumpfen zu müssen.
In dem Film, der auf einem Roman von Barry Gifford basiert, welcher unter anderem auch schon für die Vorlage von David Lynchs surrealem Road-Trip-Rausch Wild at Heart - Die Geschichte von Sailor und Lula verantwortlich war, geht es um die verwegene Prostituierte Perdita Durango. Auf dem Weg nach Mexiko, wo sie die Asche ihrer toten Schwester verstreuen will, begegnet sie dem Bankräuber Romeo Dolorosa, der sich nebenbei als Santería-Priester ausgibt und während bizarren Zeremonien Leichen schändet und Kokain schnupft. Eine schrille Gestalt wie aus einem bunten Comicheft, die bei Perdita mit ihrer ebenso durchgeknallten wie charismatischen Art sofort Eindruck hinterlässt. Schnell wird klar, dass sich hier zwei ähnlich geschädigte Seelen gesucht und gefunden haben und so begeben sich der ungezügelte Kriminelle und die schlagfertige Prostituierte auf einen gemeinsamen Road-Trip, der von einem hohen Maß an Sex und Gewalt begleitet wird.
Möchte man außerhalb von Tarantinos Kino nach weiteren Referenzen Ausschau halten, so wirkt de la Iglesias Film am stärksten wie eine Mischung aus Oliver Stones Natural Born Killers und Robert Rodriguezs From Dusk Till Dawn. Sicherlich nicht rein zufällig wiederum zwei Filme, an denen Tarantino ebenfalls maßgeblich beteiligt war. Perdita Durango reicht allerdings weder an Stones brillante Mediensatire noch an Rodriguezs exzessiven Road-Movie-Grindhouse-Horror-Trip heran. Stattdessen kommt de la Iglesias Werk eher einer uninspirierten Aneinanderreihung kalkulierter Übertreibungen gleich, mit denen der spanische Regisseur um jeden Preis nach der Aufmerksamkeit seines Publikums schreit und seinem Film in gefühlt jeder zweiten Szene einen Kult-Stempel aufdrücken will, den sich dieser keineswegs verdient hat. Dabei beginnt die Ausgangssituation zunächst angenehm skurril, als sich Perdita und Romeo auf die Reise nach Las Vegas begeben, wo das Pärchen für einen Mafiaboss eine LKW-Ladung tiefgefrorener Embryonen ausliefern will, die zur Herstellung einer kosmetischen Hautcreme (!) verwendet werden sollen.
Alsbald erschöpft sich der Handlungsfluss des Films jedoch in nervtötendem Overacting, bei dem allen voran ein entfesselter Javier Bardem (Das Meer in mir) versucht, sämtliche Register zu ziehen, während die ständigen Gewalteskapaden in Verbindung mit sexuellen Handlungen eher als müder Versuch des unbedingten Tabubruchs anöden. Ein junges Pärchen, das Perdita und Romeo entführt und bei einem Santería-Ritual opfern und verspeisen will, nutzt der Regisseur lediglich als regelmäßigen Spielball für psychotische Erniedrigungen und sexuellen Missbrauch, wobei in einem parallelen Handlungsstrang zusätzlich ein von James Gandolfini (The Sopranos) gespielter Agent des Drogendezernats Jagd auf Romeo macht. Auffällig ist hierbei, wie wenig de la Iglesia nach und nach seinem eigenen angepeilten Zynismus zu vertrauen scheint, wenn er die anstrengenden Antihelden im letzten Drittel des Films mehr und mehr charakterisieren sowie mit emotional angelegten Hintergrundgeschichten vermenschlichen will, während die Figuren auf der anderen Seite des Gesetzes wie getriebene, kaltschnäuzige Spürhunde Jagd auf das Paar machen. So fühlt sich selbst die eigentlich tolle Schlussszene von Perdita Durango, in der die titelgebende Protagonistin voller trauriger Verwirrung durch die glückversprechenden Illusionen der Lichter von Las Vegas torkelt, wie ein falscher Nachklapp an, den sich de la Iglesias' Film kaum verdient hat.
Fazit
Als aggressive Kombination aus Filmen wie "Natural Born Killers" und "From Dusk Till Dawn" wirkt "Perdita Durango" von Alex de la Iglesia wie ein lauter, nervtötender Geschwisterteil, der in beinahe jeder seiner Szenen lautstark nach Anerkennung schreit und unbedingt den Kult-Stempel aufgedrückt bekommen will. Dadurch erreicht die kalkulierte, allzu schnell ermüdende Aneinanderreihung schriller Gewalteinlagen in Verbindung mit teilweise unnötig sexuell aufgeladenem Missbrauch und nervtötendem Overacting aber vielmehr den gegenteiligen Effekt und erweist sich lediglich als bemühte Kopie des tarantinoesken, einflussreichen Stils der 90er Jahre, ohne jemals auch nur ansatzweise an die unerreichbare Coolness, Stilsicherheit und ungezwungen wirkende Innovationskraft des amerikanischen Regisseurs heranreichen zu können.
Autor: Patrick Reinbott