MB-Kritik

Rendez-vous avec Pol Pot 2024

Drama

Grégoire Colin
Cyril Guei
Irène Jacob

Inhalt

Drei französische Journalisten reisen 1978 nach Kambodscha, nachdem sie eine Einladung vom Regime der Roten Khmer erhalten haben, und begeben sich auf ein gefährliches Abenteuer.

Kritik

Wie weit sie gekommen seien, notiert einer der Protagonisten in einen Brief an den Titelcharakter Rithy Panhs (Everything will be OK) Historiendramas. Mit seinem Beiklang verblendeten Idealismus, der wie ein psychologischer Kontrapunkt zum gelebten Trauma des Filmemachers wirkt, ist es ein zynischer Satz. Aber er trifft auf mehreren Ebenen das 1978, ein Jahr vor Zusammenbruch des Regimes, angesiedelte Handlungsgeschehen. Das folgt einem französischen Journalisten-Team in das von den Khmer Rouge in Demokratisches Kambodscha umbenannte Land für ein außergewöhnliches Interview.

Alain (Gregoire Colin, Der Duft des Goldes), Lise (Irène Jacob, Who by Fire) und Paul (Cyril Gueï, Julie - Eine Frau gibt nicht auf) erwartet ein Gespräch mit dem Diktator persönlich, wie es tatsächlich mit Vertretenden der internationalen Presse stattfand. Natürlich ist ihr Besuch eine geführte Tour entlang vorbildlicher Fassaden, vor denen repräsentative Landsleute einstudierte Lobtexte aufsagen. Auf absurd komische Allegorien der Augenwischerei folgen abrupt morbide Metaphern des Abschlachtens Abertausender. Doch das ideologische Theater ist zugleich ein Schutzraum, eine Blase, wie Lise niederschreibt, die jeden Moment platzen kann. 

Die Gegenwart bewaffneter Eskorten und streng vorgegebene Route, die jede freie Recherche unterbinden sollen, erwecken ein vages Unbehagen, das sich sukzessive in latente Bedrohung steigert. In der trügerischen Idylle sind die Charaktere in der Hand des Regimes nur Puppen, gleiche den handgeformten Figuren, die der Regisseur in seinen experimentellen Stop-Motion-Werken einsetzte. Tricktechnik und Elemente der schwarz-weißen Foto-Collagen aus Irradiated verschmelzen mit klassischem Schauspielkino zu einem aufwühlenden Amalgam über den toxischen Charme des Bösen und ideologische Komplizenschaft.

Fazit

Der erste Eindruck täuscht. Nicht nur innerhalb der Handlung, die französische Journalist*innen zu dem Initiator des Massenmords führt. Auch formell löst sich Rithy Panh nicht völlig von seinen charakteristischen Knet-Animationen, die hier als groteske Vignetten neue Symbolkraft entfalten. Ähnlich einschneidend verwischen authentische Foto- und Video-Dokumente die Grenze zwischen Realität und einer filmischen Fiktion, deren konventioneller Habitus das Grauen niemals adäquat übersetzen kann. So ist das stilistische Mosaik auch indirekte Begründung der eigenen abstrakten Ausdrucksform.

Autor: Lida Bach
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