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Quelle: themoviedb.org
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Inhalt

Eine Gruppe verzweifelter Migranten erreicht nach einer gefährlichen Reise über das Mittelmeer die italienische Küste und trifft auf Einheimische und Touristen in einer kleinen Küstenstadt.

Kritik

Uwe Boll ist so was von back! Wer hätte das vor rund 9 Jahren gedacht, als er nach Abschluss der Rampage-Trilogie seinen frustrierten Abschied vom Filmgeschäft verkündete? Vermutlich gar nicht mal so wenige, denn es war mehr oder weniger sicher, dass das unverwüstliche Stehaufmännchen mit reichlich Gegenwinderfahrung nicht für immer die Füße stillhalten könnte. 2021 feierte er mit Hanau ein mehr als zweifelhaftes Comeback in Deutschland und scheiterte damit krachend. Seine angestrebte „Deutschland im Herbst“-Trilogie ging den Bach runter und was macht uns Uwe? Wenn jeder andere endgültig das Handtuch werfen würde, rappelt er sich wieder auf, fliegt zurück über den großen Teich und kocht mit First Shift vermeidlich wieder groß auf. Aus unerklärlichen Gründen wurde dieses schnarchlangweilige und wie immer unterdurchschnittlich inszenierte Training Day-Imitat ein kleiner Hit im US-Streaming, so dass nun sogar eine (natürlich, was sonst?) Trilogie in der Mache ist und auch der Traum von einer Serienauswertung nicht vom Tisch. Herzlichen, ehrlich gemeinten Glückwunsch dafür. So einen extrem steinigen Werdegang mit schlichter Beharrlichkeit, unerschütterlichem Selbstvertrauen und einer beneidenswerten Fuck-You-Attitüde durchzuziehen, das ringt einem – unabhängig von der Qualität seiner Filme – eine Mischung aus Erstaunen, Kopfschütteln, aber auch authentischem Respekt ab. Vielleicht sollte Boll lieber Seminare für Life-Coaching geben, da liegen offenkundig seine echten Kompetenzen, filmisch ist und bleibt es auch nach über dreißig Jahren ein einziges Desaster.

Verdiente er sich in seinen ersten Jahren in Nordamerika sein Geld noch hauptsächlich durch grottige Videospiel-Adaptionen, versuchte sich Boll zwischendurch immer auch mal an zeitaktuellem, politischen Kino – oder zumindest an dem, was er für so etwas hält. 2009 erntete sein Darfur – Der vergessene Krieg an diversen Stellen sogar ernstgemeintes Lob, was ihn wohl endgültig in seinem Glauben bestärkte, ein verkannter Film-Rebell zu sein, einfach zu unbequem und ehrlich für das verlogene Hollywood-Geschäft. Kann man vielleicht so sehen. Oder der Wahrheit ins Gesicht schauen: speziell dieser Film entlarvte Uwe Boll in dem, was er ist. Ein sicherlich engagierter Film-Enthusiast, der gerne relevantes Kino machen würde, welches den Finger tief in die Wunden der Welt bohrt. Stattdessen ist er ein marktschreierischer Polemiker, der gerne provoziert und aneckt nur um des Aneckens willen und dabei nicht nur selbst glaubt, seine oftmals erschreckend radikalen Ansichten würden die einzig wahre Realität widerspiegeln, sondern dass er damit auch noch große Kunst erschaffen würde. Darfur – Der vergessenen Krieg hatte ein wichtiges, von der Weltöffentlichkeit weitestgehend ignoriertes Thema, das dringend einen wichtigen, aufrüttelnden Film verdient hätte. In den Händen von Uwe Boll wurde es zuerst eine verwackelte, unbeholfene Impro-Session abgehalfterter Ex-Stars am Rande der Entzugserscheinungen, nur um dann in der zweiten Hälfte in eines skrupellosen Gewaltporno zu münden. Alles unter der Prämisse „zu zeigen, wie es wirklich ist“. Aha. Eine Endlosschleife aus Vergewaltigungen, Abschlachtungen und gepfählten Säuglingen sind nicht aufrüttelnd und schockierend, sondern in dem präsentierten Voyeurismus nur ergötzend und ein Publikum abgreifend, dass sich einen feuchten Kehricht um die realen Geschehnisse interessiert. Vermutlich gut gemeint, aber katastrophal umgesetzt.

Lange Rede, aber kein kurzer Sinn, denn damit wären wir nun bei Run, dem nach langer Zeit wieder zeitaktuellen, gesellschaftlich-politisch motivierten Whannabe-Meisterwerk von Uwe Boll. Wieder hat er bei der Wahl des Themas eigentlich ein gutes Gespür, das muss man ihm lassen. Die Flüchtlingskrise ist nicht erst seit Syrien oder der Ukraine für Europa relevant, speziell die illegale Flüchtlingswelle aus Afrika ist für die südeuropäischen Küstenstaaten eine enorme Belastungsprobe. Run schildert das Schicksal einiger Afrikaner*innen, die durch illegale Schleuser auf einem Schlauchboot mit Mühe und Not die Küste einer italienischen Kleinstadt erreichen. Für die Einheimischen sind Szenarien wie diese erschreckend Routine geworden, die Behörden scheinen überfordert mit der Situation. Dadurch schaukelt sich alles langsam hoch und eskaliert schlussendlich…Boll-gemäß in einem Amoklauf, wer hätte das gedacht?

Wie gesagt, im Gegensatz zu einem Darfur – Der vergessene Krieg oder anderen Boll-Frechheiten (Auschwitz ist noch einmal ein ganz anderes Level) hat Run nicht nur ein relevantes Thema, sondern er verfolgt rudimentär ordentliche Ansätze. Man sieht die Problematik aus verschiedenen Perspektiven und wenn einiges davon wirklich konsequent und vernünftig über die Ziellinie gebracht worden wäre, man könnte vielleicht wirklich von seinem besten Film bisher reden. Am besten funktioniert es noch über die Figur von Ismael (Barkhad Abdi, Captain Phillips). Dieser ergibt sich sofort der Staatsgewalt und fügt sich seinem Schicksal, in der Hoffnung als vorbildlicher Asylsuchender seine Chance zu erhalten. Dieses wird im weiteren Verlauf durch die Hürden der Bürokratie zunichte gemacht und ist als Kommentar auf die oft kalte, wenig einzelfallorientierte Maschinerie des Systems relativ gelungen, aber es ist leider der einzige Teilaspekt. Der Rest ist das übliche Hauruck-Plakativ vom Stammtisch. Da ist jede noch so rotzige South Park-Parodie subtiler, nur ohne sich selbst so ernst zu nehmen. James Russo (Extremities) und (ein offenbar komplett sedierter) Ulrich Thomsen (Adams Äpfel) sind die hässlichen Gesichter der Intoleranz, während Amanda Plummer (Pulp Fiction) als Gute-Samariter-Touristin wirkt, als hätte sie sich vor Drehbeginn komplett weggeschossen. Was die sich da zusammen chargiert grenzt an Direkteinweisung.

Daneben gibt es noch einen weiteren Sideplot, der aber nach dem ersten Drittel vollständig fallengelassen wird und somit dem nächsten Star - Saw-Grobian Costas Mandylor - nur ein paar kurze Auftritte mit Super Mario-Akzent beschert, bevor eigentlich erst nach dem Finale plötzlich auffällt, dass man dieses vielleicht noch irgendwie beenden könnte. Immerhin. Ist auch relativ egal, denn nach einem minimal soliden Auftakt entpuppt sich Run als der zu erwartende Total-Ausfall. Das vermeidlich wichtige Thema dient nur als Aufhänger für die unvermeidliche Gewalteskalation, die mal wieder völlig unpassend, dafür wunderbar voyeuristisch daherkommt. Das hat doch nichts mit einer authentischen Aufarbeitung der Problematik zu tun, das ist das pure Gegenteil: eine ekelhafte Instrumentalisierung, um mal wieder die warnend oft auftretenden Fantasie von „wenn ihr das nicht regelt, machen wir es halt“ aufzutischen. Vermutlich unfreiwillig (aber sollte man es nicht langsam gelernt haben?) bedient Uwe Boll – wenn es ihm doch wirklich um den humanistischen Standpunkt geht – wieder die andere Seite mit einer radikalen, platten und unreflektierten Gewaltfantasie, die eher Wasser auf Mühlen gibt, die niemand braucht.

Um der Form halber noch über die handwerkliche Inszenierung zu sprechen: natürlich ist das ein Low-Budget-Film und da sollte Uwe Boll aus gewissen Gründen kein Strick draus gedreht werden, aber auch unter dem Aspekt gibt es klare Kritikpunkte. Es gibt kaum Statisten! Alles spielt an öffentlichen Orten und bis auf die handelnden Personen existiert praktisch nichts Lebendiges im Hintergrund. Menschenleere Straßen, Strände und Casinos, selbst in dem angeblich so überfüllte Flüchtlingscamp versammeln sich selten mehr als ein halbes Dutzend Menschen im Hintergrund. Das ist natürlich dem Budget geduldet, aber als cleverer Regisseur versuche ich das doch zu kaschieren. Es zeugt entweder von völliger Gleichgültigkeit oder mangelnder Aufmerksamkeit, das so belanglos vorzutragen.  Ist im Kasten, weiter geht’s. Auch das zieht sich bei Boll leider markant durch, denn einer seiner besten Filme Max Schmeling – Eine deutsche Legende (der natürlich auch wenig taugt) hatte exakt dieses unnötige Problem. Da wurden die Boxkämpfe immer vor dem selben, stockdunklen Hintergrund vorgetragen, damit man keine wechselnden Settings braucht. Hier sieht man leider sogar, dass überwiegend niemand anwesend ist. Unvorteilhaft, um es nett zu formulieren.

Fazit

Natürlich wird Uwe Boll wieder darauf pochen, dass dies ein enorm wichtiger und selbstredend verkannter Film sei, dem nur nicht der ihm gebührende Respekt zu Teil wird, weil er als Persona non grata Opfer einer dreißig Jahre andauernder Hexenjagd ist. Wenn man – wie er – allerdings so lange immer das gleiche Feedback bekommt, wäre es nicht doch vielleicht mal an der Zeit, sich auch selbst zu hinterfragen? Und dabei geht es ausdrücklich nicht um die Ideen, sondern eindeutig mehr um die Umsetzung. Vermutlich nicht, er hat wieder Blut geleckt, und so schlimm es irgendwie ist, es bleibt weiter spannend. Langweilig wird es mit Uwe Boll garantiert nie – und wenigstens das ist ein unverkennbares Qualitätsmerkmal.

Kritik: Jacko Kunze

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