Inhalt
Es ist bereits mehr als hundert Jahre her, seit nackte, geschlechtslose, humanoide Riesen mit einer Vorliebe für Menschenfleisch auf der Bildfläche erschienen sind und den Großteil der Menschheit ausgelöscht haben. Die verbliebenden Überlebenden retteten sich hinter gigantische Mauern. Eren Jäger (Haruma Miura) kennt die Geschichten von den Riesen nur noch aus Legenden und sehnt sich danach, die Mauern hinter sich zu lassen, womit er seinen Freunden Armin (Kanata Hongo) und Mikasa (Kiko Mizuhara) große Sorgen bereitet. Und die sind begründet, denn bald schon hinterlässt ein Riese, der größer als alle zuvor ist, ein klaffendes Loch in der Mauer. Zwei Jahre danach steht die Bevölkerung der Stadt kurz vorm Verhungern und Eren und Armin sind Teil einer gefährlichen Mission - nämlich zu dem überrollten Außenring durchzudringen, die letzten verbliebenden Ladungen Sprengstoff in ihren Besitz zu bekommen und sie dazu zu benutzen, um das Loch in der Mauer zu verschließen. Wird es ihnen gelingen?
Kritik
Animes sind im westlichen Mainstream schon vor etwa gut zwei Jahrzehnten angekommen. Dass früher oder später auch die Zahl der Filmproduzenten ansteigen würde, die das Live-Action-Potential dieses relativ unerschlossenen Genres erkennen, war nur eine Frage der Zeit. Mit Battle Angel: Alita von Robert Rodriguez und James Cameron, Death Note von The Guest-Regisseur Adam Wingard, Lone Wolf and Cub von Justin Lin und natürlich (den ersten Teasern nach zu urteilen vielversprechenden) Ghost in the Shell mit Scarlett Johansson stehen uns viele Anime-Realverfilmungen bevor. Mit Voltron bescherte uns Netflix eine absolut phänomenale Action-Animationsserie (Lasst aber bitte die Finger von Akira. Das Ding ist unverfilmbar). Und abhängig davon, wie diese genannten Projekte vom Publikum und der Presse empfangen werden, könnte uns eine wahre Anime-Adaptionswelle erwarten, nicht ungleich dem Popularitätsanstieg des Comicbuchfilms seit den frühen 2000ern.
Was viele aber nicht wissen: Anime-Realverfilmungen sind im Heimatland des Anime, Japan, seit Jahrzehnten gang und gebe. Dass allerdings ein gigantischer Großteil besagter Live-Action-Adaptationen absolut furchtbar sind, die man sich nur angetrunken zu Gemüte führen kann ohne in vernichtendem Fremdscham zu ertrinken, spricht nicht gerade für die anstehenden Adaptation diverser Anime- und Manga-Klassiker. Nennenswerte Ausnahmen wären die Rurouni-Kenshin-Trilogie, Himizu und ein kleiner, unbekannter Indiefilm namens Oldboy. Die Attack on Titan-Realverfilmung gehört nicht zu den erwähnten Ausnahmen.
Im Jahr 2013 schlug der Attack on Titan-Anime ein, wie eine Bombe und schickte eine Welle der Begeisterung durch die Anime-Welt, die ihre japanischen Grenzen sprengte und in den USA und Europa nicht unbemerkt blieb. Der Grund für den Erfolg des Attack on Titan-Anime war weder Zufall, noch Glück. Mit seiner unbestreitbaren Epik, dem gnadenlosen Umgang mit seinen Charakteren, der phänomenalen Animationen und Action-Choreographien, dem (damals noch) unverbrauchtem Setting und einer kräftigen Prise Pathos entpuppte sich Attack on Titan als eine Serie, die mit seiner Schlag-auf-Schlag-Narrative den Zuschauer an sich zu binden wusste; das Sucht-Potenzial war enorm. Auch wenn bereits in der zweiten Hälfte der ersten Staffel (eine zweite Staffel startet im Frühjahr 2017) die Serie anfing nachzulassen und seine Schwächen zu offenbaren, war der Hypetrain nicht zu stoppen. Viele Anime-Serien bekommen eine Live-Action-Adaption spendiert und ein Attack on Titan-Film war so sicher, wie das Amen in der Kirche.
Leider funktioniert Attack on Titan nicht als Realfilm. Alles, was in der Serie cool und badass wirkte, das Pathos, die Action, das Kampfgeschrei, ist hier jedes Mal unfreiwillig komisch. Generell ist das Drehbuch eine absolute Katastrophe. Sicherlich ist es keine einfache Aufgabe eine 25-teilige TV-Serie, bzw. 35 Kapitel eines Mangas, zu einem 100-minütigen Film zu komprimieren. Aber vergesst die Story. Der Plot macht einigermaßen Sinn und schickt die Charaktere potent von einem Handlungsstrang in den nächsten; da sind die unzähligen Plotholes in einem Action-Fantasy-Film relativ verschmerzbar. Was dem Zuschauer aber als Dialog vorgesetzt wird, ist eine Frechheit … obwohl, Frechheit ist ein zu hartes Wort, wenn man bedenkt, dass man sich fast die ganze Zeit kichernd über den Film lustig macht. Das ist qualitatives Sharknado-Level und dass es lustig ist, wenn es nicht lustig sein soll, macht das Ganze auch noch viel besser. Das schlechte CGI und die furchtbaren Leistungen der Darsteller hätte man unter anderen Umständen ignorieren können; es wäre immer noch kein guter Film gewesen, zumindest hätte man Attack on Titan aber als „dummen, hirnlosen Actionspaß“ abtun können.
Fazit
Das schlechte CGI möchte ich nur ungern kritisieren (das ist schließlich nicht Hollywood) und das unheimliche, creepy Grinsen der Titanen wurde sogar ganz ordentlich eingefangen, genau wie die Action-Choreographie mit dem 3D-Manöver-Dingens. Aber oh Gott. Dieser Film ist zum Totlachen. Dass er es allerdings nicht sein soll, macht alles nur noch witziger. Der 'So Bad It's Good'-Film hat ja doch irgendwie seine Existenzberechtigung und kein Guilty-Pleasure-Film war ein besserer Vertreter dieser Kategorie als "Attack on Titan". Das Drehbuch kommt mit den schlechtesten Dialogen daher (besonders schlecht in der dt. Synchro); die Exposition wird dem Zuschauer geradezu ins Gesicht gerammt. Die Darsteller sind unfreiwillig komisch und generell ist dieser Film eine riesige Sauerei. Mit einigen Freunden und unter dem Einfluss einer gehörigen Menge Alkohol kann man hier dennoch eine Menge Spaß haben … solange man mit dem Fremdscham leben kann.
Autor: Kadir Güngör