Inhalt
Im Mittelpunkt dieses Thrillers steht der amerikanische Anwalt James Donovan aus Brooklyn , der zu Zeiten des Kalten Krieges von der CIA engagiert wird, um mit juristischen Mitteln einen US-Piloten zu befreien, der mit seinem Spionageflugzeug über der damaligen Sowjetunion abgeschossen wurde.
Kritik
Ein kleines Kribbeln macht sich doch immer noch bemerkbar, wenn die Ankündigung ans Ohr dringt, dass Steven Spielberg, ein schillerndes Epitom der Traumfabrik, einen neuen Film in die Startlöchern geschickt hat. Steven Spielberg, der Cineast und Träumer, der irgendwann nicht mehr die vollbesetzten Säle der Lichtspielhäuser mit eskapistischem Feenstaub auskleiden wollte – ihm lag es an mehr, an Größerem, Brisanterem und, wenn man so möchte, Relevanterem. Spielbergs Ausflüge in das weltgeschichtliche Geschehen waren nie ernsthaft lehrreich, sondern aufgedunsenes Bombastkino, quasi eine Projektionsfläche für den Zuschauer, der seine Betroffenheitsgefühle kanalisieren wollte, allerdings die tiefergehende Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Themenkomplex scheute. Dass es Steven Spielberg nun mit seinem neusten Film „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ in den Kalten Krieg zieht, sauber im historischen 1957 datiert, macht angesichts der qualitativen Resonanz ambitiöser Projekte der Marke „Die Farbe Lila“, „Schindlers Liste“, „Der Soldat James Ryan“ oder „Gefährten“ doch etwas beklommen.
Allesamt waren sie nicht nur äußerst dürftige Geschichtsfilm – sie waren ebenso mit einer ungeheuerlichen Patina zähflüssiger Larmoyanz beträufelt. Wahrscheinlich, und das macht die Sache vermutlich nicht unbedingt besser, aber nachvollziehbarer, lag es niemals in der künstlerischen Intention von Steven Spielberg, mit den erwähnten Werken ein akkurates Nachempfinden jener zeitgeschichtlichen Kapitel zu betreiben, man muss daher auch immer mit sich selbst aushandeln, wo man denn nun seine Schwerpunkte in der Rezension dieser Filme festzulegen glaubt. „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ jedenfalls ist erneut ein echter Steven Spielberg, durch und durch, was nun nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass man den hochwertigen Polit-Thriller nur dann genießen könnte, wenn man über die Jahre hinweg eine gewisse Kitschresistenz aufgebaut hat. Einige Teile der Zuschauerschaft aber könnten durchaus Probleme damit haben, mit welcher Beharrlichkeit die Inszenierung daran erpicht ist, Hauptakteur James B. Donovan (Tom Hanks, „Captain Phillips“) zum tugendsamen Helden zu (über-)stilisieren.
Der auf wahren Begebenheiten beruhende „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ macht nicht indes nur von der ersten Sekunde an klar, dass es fraglos Steven Spielberg gewesen ist, der hier im Hintergrund die Strippen gezogen hat. Der Altmeister möchte auch keine Zweifel dahingehend aufkommen lassen, dass man ein gewisses geschichtliches Vorwissen benötigen würde, um „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ auf Augenhöhe folgen zu können. Wenn es Spielberg in historische Gefilde verschlägt, bleibt sein Kino immer eines, welches jedem Zuschauer, unabhängig von Bildung und Vertrautheit zum Sujet, Einlass gewährt. Dementsprechend zweitrangig ist es an dieser Stelle, die geopolitischen Verflechtungen zu Zeiten des Kalten Krieges in Erfahrung zu bringen, es genügt schon eine Texttafel zu Anfang, die die Weichen für den weiteren Verlauf stellt: Die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion fürchten einander gleichermaßen, und beide Weltmächte haben ihre Spione in das Feindgebiet entsandt, um sich einen Überblick über den Nuklearwaffenbesitz zu verschaffen.
Und nach einem hervorragenden, vollkommen ohne Dialoge arrangierten Auftakt, in dem der russische Spion Rudolf Abel (Mark Rylance, „The Gunman“) vom FBI in Brooklyn enttarnt wird, kommt auch schon James B. Donovan ins Spiel: Sowohl narrativer, als auch emotionaler Dreh- und Angelpunkt von „Bridge of Spies – Der Unterhändler“. Der Versicherungsanwalt, der durch seine Eloquenz schon lange in der Branche die Aufmerksamkeit auf sich lenken konnte, wird auserkoren, Abel vor Gericht zu verteidigen. „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ verdeutlicht anhand dieser Entscheidung nicht nur, wie sich der Kalte Krieg bis in den harten Kern einer Familie vordringt (Donovan wird natürlich zum Vaterlandsverräter erklärt und muss ein Attentat auf sich und seine Familie überstehen), dem Drehbuch gelingt es ebenso, im Verlauf der Verhandlungen, durchaus kritische Töne in Bezug auf das amerikanische Justizsystem anzuschlagen: Warum muss ein Mensch unbedingt zum Tode verurteilt werden, wenn doch die Möglichkeit besteht, ihm im Zuge eines fairen Prozesses das Leben zu gewähren?
Ohnehin ist „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ nicht darum verlegen, einen – sieht man einmal von der Hauptfigur ab – durchaus scharfen Blick auf Amerika zu legen. Allein die Tatsache, wie „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ konkret ersichtlich macht, dass die lähmenden Ängste vor einem Nuklearangriff auch ganz extrem von innerhalb des Landes geschürt wurde, direkt in den Schulen, als manipulativer Gegenstand des Lehrstoffes, damit bereits Kinder dahingehend indoktriniert werden, der Sowjetunion mit Hass zu begegnen, lässt durchaus ambivalente Gesichtspunkte im Gesamtbild der Vereinigten Staaten zu. „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ ist in seiner Allgemeinheit nicht darauf versessen, tumbe Feindbilder zu errichten, der Kalte Krieg ist hier vielmehr das abstrakte Kräftemessen zweier Giganten im Schatten – und in deren Mitte steht James B. Donovan, der in Ostberlin irgendwie versucht, den abgeschossenen U-2-Piloten Francis Gary Powers (Austin Stowell, „Whiplash“) sowie den amerikanischen Studenten Frederic Pryor (Will Rogers, „The Bay“) gegen den in seiner Heimat hochdekorierten Rudolf Abel auszutauschen.
Dieser James B. Donovan ist ein in seiner Moralität gefestigter, idealistischer Familienvater, der sich in erster Linie auf die amerikanische Verfassung beruft, wenn ihn jemand fragt, nach welchen Parametern er sein Handeln auslegt. Wie man es von Steven Spielberg gewohnt ist, scheint dieser Protagonist in seiner vehementen Ehrenhaftigkeit deutlich über Gebühr gezeichnet zu sein - „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ lässt Donovan als Konsequenz der unverhältnismäßigen Heldenverehrung oftmals wie eine Karikatur erscheinen, zu rein ist sein Herz, zu würdevoll seine Absichten. Immerhin aber zeigt sich Superstar Tom Hanks durchaus gut aufgelegt und vor allem seine großartig ausgespielte Ratlosigkeit, seine Irritation, angesichts des rigorosen Schreckens, der Ostberlin heimgesucht hat, nimmt den Zuschauer durchaus mit. „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ ist vor allem ein Appell an den lebensrettenden Wert moralischer Prinzipien, die hier wie ein Silberstreif durch das Dunkel der Nacht brechen und den hoffnungsvollen Blick in Richtung Zukunft bewahren.
Dass Steven Spielberg ebenfalls einen herrlich – im besten Sinne - altmodischen Polit-Thriller in Szene gegossen hat, der seine historische Ära plastisch zum Atmen bringt, versteht sich bei seiner allseits bekannten handwerklichen Meisterklasse von ganz allein. Besonders erfreulich ist dabei aber, dass sich „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ nicht vollständig redselig gibt und einzig dialogisch nach vorne entwickelt (auch wenn sich das rhetorische Talent von Joel und Ethan Coen, die dem Drehbuch von Matt Charman den letzten Feinschliff verpasst haben, natürlich rentiert). „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ entblättert seine inhaltliche Tragweite ebenfalls über seine ausgeklügelte Visualität: Die formidabel komponierten Aufnahmen von Steven Spielbergs Haus-und-Hof-Kameramann Janusz Kaminski sind eine reine Augenweide und artikulieren sich in feinnerviger Poesie dort, wo den Charakteren die Worte fehlen. Wo ihnen die Worte auch durchaus fehlen dürfen. Negativ stößt da höchstens Thomas Newmans pathosgetränkte musikalische Untermalung auf, die dem Zuschauer etwas zu offensichtlich mittels sanftmütigen Streichern unbedingt eine Träne aus dem Knopfloch locken soll.
Fazit
„Bridge of Spies – Der Unterhändler“ ist ein echter Steven Spielberg. Das bedeutet nicht nur, dass man sich auf handwerklich meisterhaft arrangierte 140 Minuten einstellen darf, in denen der Altmeister noch einmal unter Beweis stellt, wie man einen altmodischen Polit-Thriller hochwertig in Szene gießt. „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ kommt ebenfalls nicht ohne den für Spielberg charakteristischen Kitsch aus und geht sogar soweit, Hauptakteur James B. Donovan beinahe zur Karikatur verkommen zu lassen, so sehr feiert ihn der Film in seiner Ehrenhaftigkeit ab. Nichtsdestotrotz, „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ ist durchaus einnehmendes Hollywood-Geschichtskino.
Autor: Pascal Reis