Inhalt
Als die Witwe Iris überfallen wird, kommt ihr der eigenbrötlerische Koch Stanley zu Hilfe. Zwischen den alleinstehenden Mittvierzigern beginnt eine wechselhafte Freundschaft. Binnen kurzem bemerkt Iris, daß Stan ein Analphabet ist. Als er seinen Job verliert, und als er den Namen seines just verstorbenen Vaters nicht buchstabieren kann, beschließt Stan, das Lesen zu erlernen. Iris unterstützt ihn dabei tatkräftig mit Unterrichtsstunden sowie Büchereibesuchen und überwindet dabei mit Hilfe Stans, der rasch einen besseren Job bekommt, ihr Witwendasein.
Kritik
Es passiert Gott sei Dank in der extremen Form relativ selten, umso fassungsloser steht man dann vor vollendeten, unter den Umständen beinah schockierenden Tatsachen: Wenn man Zeuge davon wird, wie ein vielversprechender und hochkarätig besetzter Film sich ab einem gewissen Punkt mit jeder weiteren Minute auf beinah groteske Weise selbst zerstört. Eine als reife, empathische Lovestory, Sozialstudie und Behandlung eines tatsächlich wichtigen Themas eingestufte Geschichte mit fortlaufender Zeit in ein peinliches Kasperletheater verwandelt, bei dem sich direkt Angesprochenen vorkommen müssen wie niedliche Zirkusäffchen, die am Ende doch noch ihre Banane bekommen und freudig in die Hände klatschen.
Zufällig kreuzen sich die Wege der noch recht frischen Witwe und zweifachen Mutter Iris (Jane Fonda, Barbarella, die danach für 15 Jahre ins Leinwandexil verschwand…ohne da jetzt einen direkten Zusammenhang konstruieren zu wollen) und des introvertierten Kantinenkochs Stanley (Robert De Niro, Heat). Zaghaft nähren sich die nicht mehr taufrischen Singles an, die beide vielmehr mit den familiären Lasten beschäftigt sind als mit dem eigenen (Liebes)Leben. Iris kümmert sich seit dem Tod ihres Gatten nicht nur alleinerziehend um ihre beiden Kinder, es hausen auch noch ihre Schwester samt Gatten wegen Arbeitslosigkeit unter ihrem Dach. Irgendwann sind die auch einfach verschwunden, was gut für sie, aber völlig irritierend und sinnentleert für den Plot ist, aber nun ja, ist halt so. Stanley hat Verantwortung für seinen greisen Vater, doch viel mehr hat er an einer anderen Tatsache zu knabbern: Er ist Analphabet. Etwas, was heutzutage extrem selten ist und mit dem er natürlich nicht offenherzig hausieren geht. Versucht, es so gut es geht zu verstecken, aber irgendwann fällt es eben auf. Auch Iris, die er nach dem Tod seines Vaters konkret um Hilfe bittet. Er will Lesen und Schreiben lernen und sieht in ihr die notwendige Vertrauensperson – amouröse Gefühle inklusive.
Beginnt der letzte Film des damals schon äußerst betagten Regisseurs Martin Ritt (Nuts…Durchgedreht) noch als zärtlich-erwachsene Liebesgeschichte – getragen von seinen beiden wunderbaren Hauptdarstellern, denen man zu ihrer Hochphase selbst bei improvisierten Geschwafel stundenlang zusehen konnte -, mündet er zusehends in einem beinah grotesken, sentimental-peinlichen Rührstück, dessen angerissener Gesellschaftskritik das Fundament unter den Füßen wegbricht. Wie kann ein normal sozialisierter Mann in seinen 40ern in einer Industrienation nicht des Lesens und Schreibens mächtig sein? Eine recht spannende Frage, noch halbwegs schlüssig erklärt mit modernem Nomadengebaren, wodurch ein Kind einfach so durchs Bildungssystem rutscht. Ein brauchbarer, ein sogar glaubwürdiger Ansatz, aber wie Stanley & Iris all sein Potential irgendwann mit beiden Händen im hohen Bogen zum Fenster rauswirft, das ist ja schon erschreckend. So sehr sich Fonda & De Niro abmühen, so natürlich ihre Chemie Früchte trägt (für einen Liebesfilm unabdingbar, daran hapert es keinesfalls), so bizarr verläuft sich das Script in einem Vorführ-Zirkus aller erster Kajüte.
Angereichert mit skurrilen Wortwechseln wie „-Mein Dad hat mir erlaubt die ganze Nacht das Licht anzulassen.“ – „-Mein Dad war das Licht!“/-„Was hast du gemacht?“ –„Was hast du gemacht?“ –„Ich hatte Kolitis“ oder die absolute Krönung des destruktiven Unfugs: -„Was ist denn mit Ihnen los? Das ist eine Bibliothek!“ – „-Ich weiß, dass es eine Bibliothek ist. Es ist MEINE Bibliothek!“, was ja kaum noch zu übertreffen ist. Die wirklich relevanten Aspekte des Themas, sie werden angerissen. Die Scham, das Versteckspiel, das mangelnde Selbstwertgefühl, die soziale Herabstufung und so wahnsinnig plakativ Stanley & Iris ohnehin damit durch die Gegend trampelt, in Momentaufnahmen erfasst er die Problematik – fast müsste man sagen versehentlich – sogar treffend. Um postwendend wieder dem groben Unfug zu verfallen. Es nimmt schon verhöhnende Zustände an, wenn eher von Autismus denn Analphabetismus berichtet, quasi beides verwechselt oder gleichgesetzt wird. Nur um am Ende alles in klebrigem Zuckerguss noch aktiv zu ertränken. Prima, da finden sich sicher alle in der Realität davon Betroffenen ernstgenommen wieder und zwei exzellente Darsteller reißen sich den Allerwertesten auf, nur damit sie diesen unsensiblen Quatsch noch künstlich aufwerten. P.S.: Auch wenn Robert De Niro alles und jeden spielen kann…wie er küsst, das ist gruselig.
Fazit
Ein seltsam vor sich hin scheiternder Liebestöter, der zwar mit zwei fähigen Hauptdarstellern und einem interessanten Thema auffahren kann, aber alles fahrlässig am langen Arm verhungern lässt. Beginnt ordentlich, versagt kläglich. „Stanley & Iris“ bleibt vieles, nahezu alles schuldig und kann sich nur über De Niro und Fonda versuchen zu rechtfertigen…was für die Beiden mehr als unfair ist. Wenn jemand nicht schuldig ist an dem absurden Debakel, dann sind es sie. Immerhin.
Autor: Jacko Kunze