Sommer 2024 in Paris. Die Olympischen Sommerspiele locken Millionen an Menschen in die ohnehin bereits touristisch überlaufene Metropole. Eine von ihnen ist Blandine. Anfang dreißig, frisch getrennt und mit dem Trubel der Großstadt sichtlich überfordert. Eigentlich wäre sie zusammen mit ihrer Partnerin aus der ländlichen Normandie angereist, um die Schwimmwettbewerbe zu verfolgen. Zu Beginn des Films steht sie jedoch alleine vorm Triumphbogen, einen Rucksack mit Gepäck auf der Schulter. Sie spricht ihrer Schwester auf die Mailbox, dass sie sich schon auf ein Wiedersehen freue. Und darauf, endlich ihre Nichte kennenzulernen. Blandines Schwester ist nur ihre Halbschwester, Familienverhältnis kompliziert, was auch erklärt, warum sie ihre achtjährige Nicht noch nie gesehen hat. Bis es zum Wiedersehen mit der Familie kommt, muss Blandine noch einige Rückschläge in Kauf nehmen. Den ersten bereits kurz nach ihrer Ankunft, als ihr der Einlass zu einem Wettkampf aufgrund ihres Gepäcks verweigert wird.

Nach der ersten Nacht wird Blandine dann auch noch aus ihrem Hostel geworfen. Die Unterkunft besticht zwar weder durch Hygiene noch durch den enormen Lärmpegel im Mehrbettzimmer, ist aber die Einzige, die in ihr Reisebudget passt. Sie sei gerade 30 geworden und während der Olympischen Spiele nehmen sie nur Reisende unter 30 auf, lautet die Begründung des Hostelmitarbeiters. Blandine trägt auch diesen Rückschlag mit Fassung, sie scheint sich bereits daran gewöhnt zu haben. Blandine Madec verkörpert die nach ihr benannte Hauptfigur mit einer Mischung aus tiefer Traurigkeit und weltoffener Naivität. Sie ist Zentrum und Gravitas des Films, steht fast in jeder Einstellung in der Mitte des Bildes. Und wenn nicht, dann weil Paris durch ihren Blick eingefangen wird. Fast schon fremdgesteuert, mit einer gewissen Schwere und Verlorenheit, bewegt sie sich durch die Stadt.

Die ist neben Blandine freilich die zweite Protagonistin. Menschenüberlaufend und flirrend fängt Regisseurin Valentine Cadic die Straßen, Plätze und Fassaden der Metropole ein. That Summer in Paris ist auch einer der zahlreichen französischen Sommerfilme, die der Tradition von Eric Rohmer folgen und eine Mischung aus Tristesse und Unbeschwertheit ausstrahlen. In kompakten 77 Minuten wirkt That Summer in Paris dabei niemals gehetzt. Cadic nimmt sich die Zeit ihrer Hauptfigur auf den diversen Streifzügen durch Paris zu folgen und ihre Gefühle in den Orten der Stadt resonieren zu lassen. Blandines Verlorenheit ist allgegenwärtig und doch niemals so präsent, dass sie den Film unter ihrer Schwere begraben würde. Es erfordert ein gewisses Geschick, diese Themen mit einer solchen Leichtigkeit zu verhandeln. Man darf gespannt sein, wie es bei Valentine Cadic weitergeht.