Inhalt
Drei miteinander verwobene Geschichten erzählen vom Leben Félicités, einer jungen Migrantin aus Subsahara-Afrika, die nahe der marokkanisch-spanischen Grenze bei Melilla lebt. Geplagt vom tragischen Tod ihrer besten Freundin Sandrine bei einem gescheiterten Fluchtversuch nach Europa, gibt Félicité ein feierliches Versprechen: Sie will nach Tanger zurückkehren, Arbeit finden und genug Geld verdienen, um Sandrine ein würdevolles christliches Begräbnis zu ermöglichen. Dieses Versprechen wird zu ihrem Leitstern, während sie sich in einer ungewissen Welt zurechtfindet, die ihren Mut und ihre Entschlossenheit immer wieder auf die Probe stellt.
Kritik
Dokumentaristische Optik und formal konzentriertes Drama verschmelzen in Yassine Fennanes episodischem Ensemble-Stück über Migration, soziale Machtgefüge und brüchige Moral. In sachlicher, doch still gespannter Bildsprache verhandelt der in drei Kapitel unterteilte Plot die die harschen sozialen Realitäten der zwischen verzweifelten Hoffnungen und rigiden Hierarchien gefangenen Figuren. In loser Chronologie entfalten sich drei Schicksale in einem von sozialem Umbruch gezeichneten Tangier. Die Triangualtion unterstreicht die psychologischen und strukturellen Parallelen der auf den ersten Blick grundverschiedenen Charaktere, deren Wege sich in der hektischen urbanen Kulisse überschneiden.
Trauer und Pflichtgefühl treiben die junge Migrantin Félicité (Mareme N’Diaye), die ihrer verstorbenen Freundin Sandrine treibt ein würdevolles Begräbnis bereiten will. Doch den Leichnam nach Marokko zu bringen und angemessen zu bestatten, kostet mehr, als ihre umgemeldeten Aushilfsjobs einbringen. Hoffnung bringt eine Stelle bei der wohlhabenden Kenza (Nadia Kounda), die ihr gegen den Willen ihres Mannes eine Chance als Nanny gibt. Hamid (Hicham Slaoui), ein zwielichtiger Mittelsmann im System der Ausbeutung von Migranten, sinkt unterdessen immer tiefer im kriminellen Morast.
Die unstete Handkamera akzentuiert die impulsiven Entscheidungen der Charaktere in einem zwischen Ästhetisierung und Anspruch auf Authentizität schwankenden Szenario. Dessen emotionaler Ankerpunkt ist N’Diayes angespannte Verkörperung einer von eiserner Entschlusskraft und Verwundbarkeit gleichermaßen geprägten Persönlichkeit. Ihr freundschaftlicher Ethos wird zur positiven Folie Hamids moralischer Korrosion. Als dramaturgischer Katalysator verdeutlicht sein sukzessiver Abstieg, wie Chancenlosigkeit und strukturelle Benachteiligung individuelle Entscheidungsmacht relativieren. Brutalität und Kaltblütigkeit zeigt der marokkanische Regisseur und Co-Drehbuchautor als direkte Konsequenz systemischer Härte. Idealismus und Fatalismus kollidieren im Spannungsfeld emotionaler Intuition und ökonomischer Hierarchie.
Fazit
Macht, Hilflosigkeit und Verantwortung verzahnen sich in Yassine Fennanes routiniert modellierter Dramaturgie. Die bewusst raue Optik gibt den Figuren in langen Einstellungen Raum, die zwischenmenschliche Reichweite ihrer Entscheidungen zu erwägen. Der zurückgenommene Beobachterblick der Kamera kontrastiert mit der wachsenden Anspannung des straff erzählten Geschehens. Dessen spirituellen und allegorischen Anklänge transportieren die dem Trio filmischer Akte vorangestellten Zitate. Melodramatische Momente und ideelle Überhöhung wechseln mit ruppigem Humanismus in einem mehr ambitionierten als ausgefeilten Beitrag zu einem zeitgenössischen marokkanischen Kino zwischen Sozialrealismus und Stilisierung.