10.0

MB-Kritik

The Best Thing You Can Do with Your Life 2018

Documentary

10.0

Inhalt

Als mein kleiner Bruder nach der Schule in den Orden der Legionäre Christi eintritt, verschwindet er aus unserem Leben. Nur einmal im Jahr dürfen wir ihn besuchen. Seine Vorgesetzten dürfen sogar unsere Briefe an ihn lesen. Ich hasse sie. Als Kinder fuhren wir mit dem Orden aufs Sommercamp, es war die tollste Zeit des Jahres. Aber die Legionäre fanden wir merkwürdig, fast sektenartig. Warum hat mein Bruder ausgerechnet sie zu seiner neuen Familie gemacht? Acht Jahre vergehen, ehe ich in sein Kloster in Connecticut reise. Plötzlich bin ich da, umgeben von achtzig Männern in merkwürdiger Kleidung. Ich schaue mir ihr Leben an, wie sie beten, essen, beten, unterrichtet werden, beten. Und ich finde meinen Bruder wieder – endlich.

Kritik

Ein Schlüsselmoment deutet an, welche Palette an psychologischem, ideologischem und familiärem Konfliktpotenzial Zita Erffas ungelenkes Langfilmdebüt verschenkt. Ein Pater und Trainer ruft nach einem Fußballspiel direkt in die Kamera, was für ein toller Ort das hier sei: Fussball, Donuts und Gott. „It‘s the best Thing You can do with Your Life!“ Mit seinem breiten Grinsen und der akkuraten Frisur erinnert er an den Moderator einer Dauerwerbesendung. Eine Portion Propaganda, wenn auch verworrener Natur, steckt auch in der Doku, die Fragen bewusst vermeidet und Antworten gibt, ohne es zu wollen. Das Fussballteam des entlegenen Ordens wird mit Ave Marias angefeuert, denn die Novizen spielen in einer göttlichen Liga. Statt fist bump hebt man hier die Fäuste zum „Into the heart!“ 

Gemeint ist wohl das Jesu, der auf einem Ölgemälde a la Bob Ross über die Rezeption wacht. Der Schauplatz, den die Regisseurin glaubhaft als hässlichsten der Welt beschreibt, ist Heim der Legionäre Christi. Ja, die Legionäre Christi mit den Riesenskandalen. Missbrauch. Korruption. Drogen. Die Hardcore-Reaktionäre, die sogar von der UN kritisiert wurden. Genau die. Die Frage, wie ihr kleiner Bruder scheinbar freiwillig in diese Organisation geraten konnte, motiviert Erffas Reise nach Mexiko. Tatsächlich erlaubt ihr der Orden Filmaufnahmen, obwohl alle Kontakte mit der Außenwelt - „the world“ genannt - streng verboten sind. Separation, Isolation, Indoktrination: die Sektenstrukturen sind unübersehbar. Alle antworten mit einstudierten Thesen. Über seine abrupte Totalbekehrung während eines Urlaubs mit Ordensbrüdern will ihr Bruder nicht sprechen. 

Auf Fragen nach den ultraautoritären Gehorsamsvorschriften, Totalkontrolle und Bigotterie reagieren die Ordensmitglieder ausweichend oder mit stillem Lächeln. Besonders Zweites ist gruselig. Doch der Umgang der Dokumentation damit ist noch gruseliger. Die Ordensgemeinschaft betrachtet sie offenbar als Werbebotschafterin, ihr Projekt als optimale Chance ein positives Image zu projektiert. Das kulminiert im titelgebenden Spruch, der die schwesterliche Sorge scheinbar beschwichtigt. Eine Erklärung für die gespenstische Absorption der Regisseurin liefern nebenbei eingestreute Kindheitserinnerungen der Geschwister. Deren Familie und Freundeskreis sind extrem klerikal. Brüderchens beste Kumpel? Sind heute Ordensbrüder. Schwesterchens beste Freundinnen? Sind Consegradas bei Regnum Christi, die wiederum Bet(t)freunde sind mit den Legionären Christi. Der Kreis schließt sich. Und Erffa steht ohne es zu wissen mittendrin.

Fazit

Visuell und inszenatorisch ist das intime Debütwerk amateurhaft, doch paradoxerweise entsteht gerade aufgrund der gefährlichen Naivität ein bedrückendes Protokoll emotionaler und sozialer Anfälligkeit für sektenhafter Abhängigkeitsverhältnisse. Die junge Filmemacherin ist blind für Alarmzeichen, die das Publikum vor den Ursachen psychischer Manipulierbarkeit warnen.

Autor: Lida Bach
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