Inhalt
Anne (Olivia Colman) ist in großer Sorge um ihren Vater Anthony (Anthony Hopkins). Als lebenserfahrener, stolzer Mann, lehnt er trotz seines hohen Alters jede Unterstützung durch eine Pflegekraft ab und weigert sich standhaft, seine komfortable Londoner Wohnung zu verlassen. Obwohl ihn sein Gedächtnis immer häufiger im Stich lässt, ist er davon überzeugt, auch weiterhin allein zurechtzukommen. Doch als Anne ihm plötzlich eröffnet, dass sie zu ihrem neuen Freund nach Paris ziehen wird, ist er verwirrt. Wer ist dann dieser Fremde in seinem Wohnzimmer, der vorgibt, seit über zehn Jahren mit Anne verheiratet zu sein? Und warum behauptet dieser Mann, dass Anthony als Gast in ihrer Wohnung lebt und gar nicht in seinem eigenen Apartment? Anthony versucht, die sich permanent verändernden Umstände zu begreifen und beginnt mehr und mehr zu zweifeln: an seinen Liebsten, an seinem Verstand und schließlich auch seiner eigenen Wahrnehmung.
Kritik
Filme, die eine Demenzerkrankung thematisieren, mag es schon einige gegeben haben, von Dramen wie Still Alice bis hin zu Horrorfilmen wie Relic, dennoch ist ein doch so wichtiges Thema im Mainstreambereich noch recht unterrepräsentiert. Mit seinem Regiedebüt The Father liefert Florian Zeller nun einen weiteren Beitrag. Dazu adaptierte er sein eigenes gleichnamiges Theaterstück, das 2012 in Paris Premiere feierte und seitdem in weiten Teilen der Welt aufgeführt wurde. Um den Stoff in ein neues Medium zu portieren, was mit dem 2015 erschienenen Film Floride übrigens schon einmal getan wurde, gab es Unterstützung von Christopher Hampton (Abbitte), der gemeinsam mit Zeller am Drehbuch gearbeitet hat. Die Mühe hat sich gelohnt, denn nicht nur feierte der fertige Film beim renommierten Sundance Film Festival 2020 seine Premiere, auch geht er 2021 mit stolzen sechs Nominierungen als heißer Kandidat ins Oscarrennen.
The Father handelt von einem alten Mann (Anthony Hopkins, Das Schweigen der Lämmer), der seinem eigenen Verstand nicht mehr trauen kann. Um diese furchtbare Situation wirkungsvoll zu illustrieren, bedient sich Zeller einer simplen, aber sehr cleveren Methode, die andere Filmemacher bisher weitestgehend außer Acht ließen: Statt den Zustand von außen zu betrachten, versetzt er die Zuschauer in die Lage des Erkrankten und lässt sie so den gleichen Schrecken durchleben. Wenn irgendwann ein Gefühl für räumliche und zeitliche Orientierung abhandenkommen, wenn nicht mehr klar ist, wann sich welches Ereignis wie zugetragen hat und wer all die Personen um einen herum sind, deren Rollen immer wieder wechseln und sich mit anderen Erinnerungen vermischen, ist die Verwirrung auch beim letzten Zuschauer angekommen. Die Angst und das Verlorensein, die der Erkrankte dabei in seiner eigenen Wohnung verspürt, ohne richtig verstehen zu können, was genau sich eigentlich zuträgt, ist überaus greifbar.
Das fällt auch deswegen so glaubhaft und intensiv aus, da Anthony Hopkins eine seiner wohl besten Performances abliefert. Mal gibt er den Charmeur, der Herr der Lage zu sein scheint und kleinere Patzer zu überspielen versucht, dann verfällt er wieder in einen Rausch aus Wut und Panik. Das berührt zutiefst und wird mit fortlaufender Spielzeit immer schwerer zu ertragen. Auch da eine ebenfalls glänzende Olivia Colman (The Favourite) als seine aufopfernde Tochter zunehmend daran zerbricht und so den Schrecken überzeugend für Umstehende verbildlicht. The Father ist kein einfacher Film und wer ähnliche Erlebnisse in seinem eigenen Umfeld hatte, wird all das sicherlich umso mehr fühlen. An einer Demenzerkrankung gibt es nun mal nichts schönzureden, daher geht der Film genau den richtigen Weg, das schonungslos zu verdeutlichen.
Fazit
Berührendes Demenz-Drama, das den Zuschauer in sein konfuses Verwirrspiel effektiv einbindet und dadurch umso stärker wirkt. Das geht unter die Haut und wirkt auch anschließend noch nach. Anthony Hopkins und Olivia Colman liefern darüber hinaus astreine Darbietungen.